Wien um 1900 - hedonistische Metropole eines immobilen, fast schon aus der Geschichte entlassenen Staates und zugleich Schauplatz einer irritierenden Modernität. Nirgends saßen die Protagonisten der Moderne so eng gedrängt wie an den Wiener Kaffeehaustischen: Kraus, Hofmannsthal, Altenberg, Freud, Musil, Bloch, Mahler, Schönberg, Klimt und Loos saßen da und unter ihnen, der wienerischste von allen, Arthur Schnitzler, der hellsichtige Chronist dieser zwielichtigen Epoche zwischen Untergang und Aufbruch in die Moderne. Dem verhassten Faszinosum Wien spielte er die eigene Melodie vor wie kein zweiter. Scheinbar liebevoll spiegelte er die schillernde Oberfläche dieser walzerhaft-leichtsinnigen Epoche und legte dabei ebenso leise wie erbarmungslos die Stagnation und Bodenlosigkeit des Ganzen bloß, den Totenschädel hinter dem blühenden Gesicht. Am Beispiel von Schnitzlers (Anatol, Reigen )und (Der grüne Kakadu ) entfaltet Ursula Keller die Bewusstseinstopographie des Wiener Fin de siècl e. An der Figur des Zerfalls und der Auflösung, an der Dialektik von Vielfalt und Immergleichem und an den oszillierenden Übergängen zwischen Wirklichkeit und Schein zeichnet sie die Mechanik des Wiener Verwirrspiels nach bis hinein in die ästhetische Feinstruktur der Stücke. Und sie stellt die Frage, ob und wie weit dieser diagnostische Röntgenblick Schnitzlers, seine ebenso desillusionierte wie hellsichtige Modernität in die Schnitzler-Inszenierungen des zeitgenössischen Theaters Eingang gefunden hat. Die Erstausgabe von 1984 wurde von Ursula Keller durchgesehen und aktualisiert.