»Eales muss vernichtet werden«, findet Pubbesitzer Tim Roarty, und zwar bevor der Barmann seine lüsternen Spielchen mit Roartys Tochter zu weit treibt. Das Giftpilzomelett versagt, also muss Band 25 der Encyclopædia Britannica als Mordwaffe herhalten. Die Leiche wird im Moor vergraben, Eamon Eales scheint Geschichte. Dann allerdings tauchen aus dem Moor Briefe auf, unterzeichnet mit »Bogmailer«, und Roarty beginnt sich zu fragen, welcher seiner exzentrischen und leidenschaftlich intriganten Stammgäste ihn zu erpressen versucht. Kenneth Potter vielleicht, der Engländer, mit dem ihn fast eine Freundschaft verbindet? Als der Bogmailer seine Forderungen mit einzelnen Körperteilen des Mordopfers unterstreicht und der ebenso unterbeschäftigte wie überambitionierte Dorfpolizist McGing sich nicht abschütteln lässt, scheint ein zweiter Mord unausweichlich.Patrick McGinley hat einen genauen Blick für die Abgründe des idyllischen Örtchens Glenkeel ganz im Westen Irlands und seiner so sympathischen wie durchtriebenen Bewohner. Bogmail ist psychologischer Spannungsroman und dörfliche Komödie in einem, mit herrlich ausufernden Thekengesprächen, bei denen das Wesen der weiblichen Sexualität so erörternswert ist wie der gemeine Regenwurm.
© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)
So poetisch, wie in diesem Buch die Landschaft zwischen Moor und Meer im Nordwesten Irlands beschrieben wird, kann man sich zunächst einen Einbruch des Bösen in sie kaum vorstellen. Das mag einer der ältesten Tricks des Kriminalgenres sein, um ein Idyll als nur vermeintliches zu entlarven, aber in Patrick McGinleys bereits 1978 veröffentlichter Geschichte, die ein heute schon beinahe vergessenes Irland schildert, fällt man nur allzu gern darauf herein. Und glaubt dem Dorfpolizisten, wenn er erzählt, die schlimmsten Straftaten, die in dem Ort Tork nahe Glenkeel seit langer Zeit begangen wurden, seien Alkoholkonsum nach der Sperrstunde und Wilderei. Nun jedoch liegt plötzlich ein junger Barkeeper tot im Torf, und ein etwas älterer Barkeeper, der ihn vermeintlich unbeobachtet dorthin befördert hat, erhält von einem heimlichen Zeugen "Bogmail".
Dieses Wort, das auch den Buchtitel stellt, ist eine Mischung aus "bog", was Morast oder anderen Dreck bedeutet, und "blackmail", also Erpressung, und es mag ein Signal für den lyrisch-gewitzten Ton der Erzählung und ihrer Kneipendialoge darin sein, die schon morgens bei einem Black and Tan oder einem vierfachen Whisky einsetzen. Der Wirt Roarty, der zu Beginn ein tödliches "Omelette surprise" brät, muss nun selbst auf der Hut sein vor seinen Zeitgenossen: Wer ist der Bogmailer, der alte Crubog, der Fischer Rory Rua, der Kommunist Cor Mogaill, der Journalist Gillespie oder der zugereiste Engländer Potter? Dass Roarty imgrunde gemordet hat, um einen moralischen Verfall aufzuhalten, verweist auf den zeitgenössischen irischen Konflikt zwischen Tradition und Moderne und gibt dem Ganzen eine nahezu tragische Dimension, die jedoch durch manche Derbheit wieder aufgelockert wird.
wiel
Patrick McGinley:
"Bogmail".
Roman mit Mörder.
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser.
Steidl Verlag, Göttingen 2016. 344 S., geb., 24,- [Euro].
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