Agent Nr. 67 ist ein jugendlicher Schläfer, in allen tödlichen Spielarten des Nahkampfs ausgebildet. Als Austauschschüler getarnt reist er aus einem totalitären Regime in die USA ein, um das verderbte westliche System von innen heraus mit einem vernichtenden Schlag zu treffen. Schon bei der Ankunft in seiner Gastfamilie hat er nichts als glühende Verachtung für diese Menschen übrig, die sich in ihrem Überfluss suhlen. Vor allem mit seinem Gastbruder, der dem schmächtigen Neuankömmling umgehend den Spitznamen "Bonsai" verpasst, verbindet Agent Nr. 67 spontaner und inniger Hass. Dieser "Schweinehundbruder", so nennt er ihn, verkörpert alles, was in den Augen der indoktrinierten kleinen Killermaschine den dekadent-verkommenen Westen ausmacht. Doch mit der Zeit wird Bonsai merken, dass es nicht immer leicht ist, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Denn "Schweinehundbruder" hat auch eine Schwester-
Und so gestaltet sich das Erwachen des Schläfers Nr. 67 schließlich ganz anders, als sich seine Ausbilder das vorgestellt haben.
Und so gestaltet sich das Erwachen des Schläfers Nr. 67 schließlich ganz anders, als sich seine Ausbilder das vorgestellt haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2010Selbstaufladend
"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft." Mit diesem nationalsozialistischen Zitat beginnt Chuck Palahniuks Roman "Bonsai", dessen Erzähler Adolf Hitler gar als "universalen Lehrer" würdigt. Doch so leicht kriegt man die Jugend nicht: Agent Ich alias Bonsai berichtet in den 36 Geheim-Depeschen dieses (Anti-)Bildungsromans von seiner Wandlung. Ursprünglich dazu bestimmt, die Vereinigten Staaten mit seinen Co-Agenten als Schläfer zu infiltrieren, wird er zunehmend empfänglicher für allerlei amerikanische Verlockungen - vor allem für "Katzschwester", die Tochter seiner Gastfamilie. Berühmt-berüchtigt wurde Chuck Palahniuk mit dem Roman "Fight Club" (verfilmt mit Brad Pitt und Edward Norton), in dem er brutale Schlägereien als organisierten Freizeitsport imaginiert. Auch "Bonsai" ist ein Kampf: Agent Ich beherrscht Vokabular und Grammatik der Feindessprache nur unzureichend, so dass man seinen Berichten nur schwer folgen kann. Vor allem aber stehen sich Szenen brutalster Gewalt und humoristisch-ironische Höhenflüge unversöhnt gegenüber. Statt der Idylle amerikanischer Highschool-Soaps, in denen Mütter ihre Töchter beim Cheerleader-Training anfeuern, mopst Bonsais Gastmutter ihrer Tochter die Batterien aus deren Selbstverteidigungs-Piepser, um ihre Vibratorensammlung mit Saft zu versorgen. Da kann schon mal eine Sicherung durchbrennen - und tatsächlich fallen die Leute bei Palahniuks Lesungen reihenweise in Ohnmacht. Diesem Autor ist eben nichts heilig, auch nicht das Kruzifix der örtlichen Kirche, das Agent Ich in Vorbereitung eines Test-Anschlags erklimmt. Terror und Testosteron - Palahniuk hat die Jugend, und damit vielleicht auch Zukunft. (Chuck Palahniuk: "Bonsai". Roman. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Verlag Manhattan, München 2009. 256 S., br., 14,95 [Euro].) fetz
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"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft." Mit diesem nationalsozialistischen Zitat beginnt Chuck Palahniuks Roman "Bonsai", dessen Erzähler Adolf Hitler gar als "universalen Lehrer" würdigt. Doch so leicht kriegt man die Jugend nicht: Agent Ich alias Bonsai berichtet in den 36 Geheim-Depeschen dieses (Anti-)Bildungsromans von seiner Wandlung. Ursprünglich dazu bestimmt, die Vereinigten Staaten mit seinen Co-Agenten als Schläfer zu infiltrieren, wird er zunehmend empfänglicher für allerlei amerikanische Verlockungen - vor allem für "Katzschwester", die Tochter seiner Gastfamilie. Berühmt-berüchtigt wurde Chuck Palahniuk mit dem Roman "Fight Club" (verfilmt mit Brad Pitt und Edward Norton), in dem er brutale Schlägereien als organisierten Freizeitsport imaginiert. Auch "Bonsai" ist ein Kampf: Agent Ich beherrscht Vokabular und Grammatik der Feindessprache nur unzureichend, so dass man seinen Berichten nur schwer folgen kann. Vor allem aber stehen sich Szenen brutalster Gewalt und humoristisch-ironische Höhenflüge unversöhnt gegenüber. Statt der Idylle amerikanischer Highschool-Soaps, in denen Mütter ihre Töchter beim Cheerleader-Training anfeuern, mopst Bonsais Gastmutter ihrer Tochter die Batterien aus deren Selbstverteidigungs-Piepser, um ihre Vibratorensammlung mit Saft zu versorgen. Da kann schon mal eine Sicherung durchbrennen - und tatsächlich fallen die Leute bei Palahniuks Lesungen reihenweise in Ohnmacht. Diesem Autor ist eben nichts heilig, auch nicht das Kruzifix der örtlichen Kirche, das Agent Ich in Vorbereitung eines Test-Anschlags erklimmt. Terror und Testosteron - Palahniuk hat die Jugend, und damit vielleicht auch Zukunft. (Chuck Palahniuk: "Bonsai". Roman. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Verlag Manhattan, München 2009. 256 S., br., 14,95 [Euro].) fetz
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