Sein ganzes Leben lang hat W. Somerset Maugham nicht nur geschrieben, sondern auch »nach Lust und Laune gelesen«. Books and You ist seine kleine persönliche Literaturgeschichte eine Trouvaille, die zum ersten Mal auf deutsch erscheint und in der Maugham charmant und kurzweilig Auskunft gibt über die Bücher, die jeder gelesen haben soll nicht aus Pflicht, sondern aus purer Lust.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2008Maughams Liste
Ein wenig absurd kam es William Somerset Maugham selbst vor, "Jane Austen gleichsam unter das Kinn zu fassen, Goethe über den Kopf zu streichen und Dostojewski freundlich zuzunicken". Gut, dass er es dennoch tat: 1940 veröffentlichte Maugham eine Empfehlung, welche Werke der Weltliteratur man lesen solle, und sparte auch nicht mit Kritik an den großen Kollegen. Proust etwa: großartig, von dem lasse er sich lieber langweilen als von anderen Autoren unterhalten. Die Auseinandersetzung mit den englischen Autoren ist naturgemäß ausführlich, kurz dagegen jene mit der deutschen Literatur. Maugham, der eine Weile in Heidelberg studierte, preist Goethes "Wilhelm Meister", allerdings nur die "Lehrjahre", "die ,Wanderjahre' kann ich nicht empfehlen, sie sind unerträglich". Auch Tolstois "Krieg und Frieden" erhält das Prädikat "genial" nicht ohne Einschränkung ("allzu viele Schlachten werden allzu detailliert geschildert"). Überhaupt kommt Maugham immer wieder auf den Rat zurück, die "Kunst des Überspringens" zu üben. Der "größte Romanautor aller Zeiten" ist für ihn Balzac, sein Lieblingsautor Stendhal. Und die Amerikaner? Walt Whitman, Poe, Melville - und dann "Huckleberry Finn", ein "Meisterwerk", das höchste Vergleiche nicht scheuen müsse. "Und hätte Mark Twain nicht die unselige Idee gehabt, den Langweiler Tom Sawyer zu erschaffen, der die letzten Kapitel ruiniert, wäre dieses Werk überhaupt makellos." Kaum zu glauben, dass diese tief amüsante und anregende Reise durch die Weltliteratur erst jetzt auf Deutsch erscheint. (William Somerset Maugham: "Books and You". Eine kleine persönliche Geschichte der Weltliteratur. Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Fienbork. Diogenes Verlag, Zürich 2007. 170 S., br., 7,90 [Euro].) till
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein wenig absurd kam es William Somerset Maugham selbst vor, "Jane Austen gleichsam unter das Kinn zu fassen, Goethe über den Kopf zu streichen und Dostojewski freundlich zuzunicken". Gut, dass er es dennoch tat: 1940 veröffentlichte Maugham eine Empfehlung, welche Werke der Weltliteratur man lesen solle, und sparte auch nicht mit Kritik an den großen Kollegen. Proust etwa: großartig, von dem lasse er sich lieber langweilen als von anderen Autoren unterhalten. Die Auseinandersetzung mit den englischen Autoren ist naturgemäß ausführlich, kurz dagegen jene mit der deutschen Literatur. Maugham, der eine Weile in Heidelberg studierte, preist Goethes "Wilhelm Meister", allerdings nur die "Lehrjahre", "die ,Wanderjahre' kann ich nicht empfehlen, sie sind unerträglich". Auch Tolstois "Krieg und Frieden" erhält das Prädikat "genial" nicht ohne Einschränkung ("allzu viele Schlachten werden allzu detailliert geschildert"). Überhaupt kommt Maugham immer wieder auf den Rat zurück, die "Kunst des Überspringens" zu üben. Der "größte Romanautor aller Zeiten" ist für ihn Balzac, sein Lieblingsautor Stendhal. Und die Amerikaner? Walt Whitman, Poe, Melville - und dann "Huckleberry Finn", ein "Meisterwerk", das höchste Vergleiche nicht scheuen müsse. "Und hätte Mark Twain nicht die unselige Idee gehabt, den Langweiler Tom Sawyer zu erschaffen, der die letzten Kapitel ruiniert, wäre dieses Werk überhaupt makellos." Kaum zu glauben, dass diese tief amüsante und anregende Reise durch die Weltliteratur erst jetzt auf Deutsch erscheint. (William Somerset Maugham: "Books and You". Eine kleine persönliche Geschichte der Weltliteratur. Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Fienbork. Diogenes Verlag, Zürich 2007. 170 S., br., 7,90 [Euro].) till
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main