Das Leben der beiden Schwestern könnte unterschiedlicher nicht sein: Adriana lebt prekär in Borgo Sud, dem heruntergekommenen Hafenviertel von Pescara, ihre Schwester lehrt an der Universität in Grenoble. Eines Tages erhält sie einen Anruf, dass Adriana, die Jüngere, die Wilde, nach einem Sturz vom Balkon lebensgefährlich verletzt auf der Intensivstation liegt. Der Anruf löst eine Flut von Erinnerungen aus: an die Nacht, in der Adriana mit einem Baby auf dem Arm vor ihrer Tür stand, an deren Liebe zum jungen Fischer Rafael, für den sie die Schule geschwänzt hat, mit dem sie nachts zum Fischen rausfährt, den sie verteidigt, egal in welche Schwierigkeiten er verwickelt ist. An die eigene Verlobung mit Piero und das Festessen, bei dem sie verkündet wurde. An ihre gescheiterte Ehe, weil Piero Männer liebt. In Borgo Sud scheinen alle zu wissen, dass Adriana keinen Unfall hatte, aber was wirklich geschehen ist, darüber schweigen sie. Mit der Weisheit und Selbstverständlichkeit großer Autoren beschenkt uns Donatella Di Pietrantonio mit einem Familienroman von großer Wärme, der noch lange nachklingt.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Maike Albath ist nicht überzeugt von Donatella Di Pietrantoninos Versuch, mit einer Fortsetzung ihres Romans "Arminuta" in die Fußstapfen von Elena Ferrante zu treten. Zwar ist das Thema der "emotionalen Kosten" einer Generation für ihren Bildungsaufstieg ein dankbares, findet Albath. Doch der Text scheint ihr formal wie inhaltlich etwas unausgegoren. Der Autorin gelingt es laut Albath nicht nur nicht, die verschiedenen Handlungs- und Zeitebenen glaubhaft zu verknüpfen, auch die Haltung der Ich-Erzählerin zu den Geschehnissen erscheint der Rezensentin instabil. Gelungen dagegen sind die Milieuschilderungen aus Pescara, wo das beschriebene Frauenschicksal seinen Anfang nimmt, findet Albath.
© Perlentaucher Medien GmbH
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