Auf den ersten Blick scheint es sich bei diesem Buch um einen einfachen Bildbericht zu handeln: einen Bericht mit Photographien, die im Juni 2011 beim Umherwandern in Auschwitz-Birkenau entstanden sind. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich die Bilder aber als Versuch einer Befragung von einigen Fetzen Gegenwart, die es aufzunehmen galt, um zu sehen, was es zu sehen gibt, was im Gedächtnis fortlebt; Bilder, die aber auch aufgenommen wurden, um die Sehnsucht wahrzunehmen, nicht in der tiefen Trauer des Ortes zu verweilen. Das Buch ist die besondere Form einer persönlichen Archäologie, einer Archäologie der Gegenwart, aber auch eine Rückkehr zum Krematorium V - jenem Ort, an dem Mitglieder des Sonderkommandos im August 1944 vier Photographien gemacht hatten, die noch heute kontrovers diskutiert werden. Borken knüpft an Georges Didi-Hubermans bedeutendes wie programmatisches Buch Bilder trotz allem (2007) an und erkundet nun in anderer, ebenso bewegender und persönlicher wie subtiler und erhellender Weise den Raum dieser Bilder. Eine jede dieser fragilen Entscheidungen des Blicks ist zu befragen, zu hinterfragen. Die Rinde, die Borken eines Baums werden dabei als eine besondere Gestalt des Bildes verstanden, als eine Haut, die nicht der Gegenstand selber ist und die zugleich an Wunden gemahnt. Es geht um eine Form des Wissens und der Wahrnehmung, die hier in ihrer zerbrechlichsten Form erkundet wird. »Es ist nur ein schmales Buch, aber doch so groß, dass es durch seine Schönheit leuchtet. Es liest Spuren und Abdrücke, sieht dasjenige, was jenseits dessen liegt, was es zu sehen gibt, in vermeintlich unbedeutenden Photographien, die ohne Absicht, etwas zeigen zu wollen, aufgenommen wurden. Aber dann kehren die Erinnerungen zurück in dieser Archäologie der Geschichte, die noch so kurze Zeit zurückliegt, daß sie uns erschüttert. [...] Es ist ein kleines Buch, das neben die großen zu stellen ist, neben Ist das ein Mensch? von Primo Levi oder Roman eines Schicksallosen von Imre Kertész, auch wenn diese Augenzeugen waren. Georges Didi-Huberman ist ein Archäologe der Gegenwart.« (Xavier Lainé)
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