Focuses on the Tarahumara, a mysterious tribe of Mexican Indians, who live quietly in canyons and are reputed to be the best distance runners in the world. This title tells their story while asking what the secrets are to being an incredible runner.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungAuf Sohlen aus erster Hand
Christopher McDougall betrachtet die Welt als Läufer
"Sie sind eben nicht fürs Laufen geschaffen", beschied der Arzt, den Christopher McDougall aufgesucht hatte, weil ihm beim Joggen der Fuß weh tat. In der Tat hatte der Autor mit seinen 1,92 Metern und 105 Kilogramm Körpergewicht kaum die ideale Marathonfigur. Die Antwort aber gefiel dem ehemaligen Kriegsreporter und "Men's Health"-Journalisten trotzdem nicht: Der Fuß tut weh, weil das Laufen schlecht ist, und das Laufen ist schlecht, weil einem davon der Fuß weh tut oder der Knöchel oder das Knie, der Rücken, die Hüfte. Bis zu acht von zehn Läufern verletzen sich im Laufe eines Jahres, egal ob Marathonmeister oder Wochenendjogger, und weder Hightech-Schuhe noch Dehnübungen können daran etwas ändern. Doch warum sollten wir die einzigen Säugetiere auf dem Planeten sein, die sich nicht auf ihre Beine verlassen können?
Auf der Suche nach einer Antwort stößt der Autor auf Berichte über die Tarahumara, ein Volk, das zurückgezogen in der mexikanischen Barranca del Cobre, den Copper Canyons, lebt. Sie selbst nennen sich Rarámuri, die Fußläufer, und den Geschichten zufolge, die über sie im Umlauf sind, können sie fünfhundert oder sogar siebenhundert Kilometer am Stück laufen, bekommen so gut wie keine Krankheiten - und natürlich auch keine lädierten Füße -, sind die ehrlichsten und fröhlichsten Menschen der Welt und pflegen ein Wirtschaftssystem, das auf dem Austausch von Gefälligkeiten und Maisbier beruht. Der Autor macht sich auf die Suche und gewinnt daraus eine Mischung aus Abenteuergeschichte und Lifestyle, angereichert mit Ethnologie, Evolutionstheorie, Thesen zur Sportschuhindustrie und der Beschreibung von verrückten Typen.
Die Tarahumara haben 400 Jahre schlechte Erfahrungen mit Fremden hinter sich, als Sklaven der spanischen Silbersucher, als Opfer von Skalpjägern und der Grippeviren der Jesuiten-Missionare. Sie haben mit anderen Worten kein Interesse daran, Fremde zu treffen, und so endet eine erste lebensgefährliche Erkundungstour durch das Gebiet der mexikanischen Drogenbarone zwar in der Hütte von Arnulfo Quimare, dem besten Tarahumara-Läufer aller Zeiten, aber trotzdem ohne Ergebnis: Die einzigen Menschen, von denen der Autor sich eine Antwort auf die Frage erhofft, wie man Hunderte von Kilometern laufen kann, wollen nicht darüber reden - jedenfalls nicht mit ihm.
Vage Gerüchte lassen McDougall nach einem Kontaktmann suchen, einem Amerikaner, der angeblich mit den Tarahumara lebt und läuft. Caballo Blanco, Weißes Pferd, wie die Einheimischen ihn nennen, entpuppt sich als ein Freak mit abgelatschten Sandalen und uralten Hiking-Shorts, der zunächst viel wirres Zeug redet und dann mit verklärtem Blick die Vision eines Rennens entwirft: ein Rennen im Tarahumara-Gebiet, ausgetragen zwischen den besten Ultralangstreckenläufern der Welt und Fußläufern mit ihren Sandalen aus alten Autoreifen.
Dieses Rennen findet am Ende des Buches tatsächlich statt - und McDougall läuft mit, ohne dass ihm die Füße weh tun. Doch bis dahin hat der Autor noch viele Geschichten zu erzählen. Natürlich drehen sie sich alle um das Laufen von Strecken, die der Normalverbraucher vielleicht gerade noch mit dem Fahrrad, eher jedoch mit dem Auto bewältigt. Ein Paralleluniversum mit eigenen Gesetzen nennt McDougall den Ultralangstreckenlauf: Frauen halten die Strecken oft besser durch als Männer, Alte besser als Junge und die "Steinzeitmenschen mit Sandalen" besser als alle anderen. Welches Geheimnis lässt die Tarahumara solche Strecken ohne überanstrengte Füße und spezielles Training bewältigen?
McDougall berichtet von Sonderlingen unter den amerikanischen Marathon-Coaches, die genau dies herausfinden wollen, und von den erfolglosen Versuchen findiger Geschäftsleute, mit Tarahumara-Läufer in internationalen Rennen Geld zu machen. Liegt das Geheimnis gesunden Laufens vielleicht im nackten Fuß? Der Autor schlägt sich auf die Seite dieser Vermutung: Laufschuhe seien die vielleicht zerstörerischste Kraft, mit der es der menschliche Fuß jemals zu tun bekam. Es sei zwar ein wenig einfach, aber letztlich doch in Ordnung, die Firma Nike für das Elend der ständig verletzten Läufer verantwortlich zu machen. Bis 1972, als Nike den Laufschuh erfand, benutzten die Läufer Schuhe mit sehr dünnen Sohlen, hatten kräftige Füße und sehr viel weniger Knieverletzungen, zitiert der Autor den Harvard-Anthropologen Daniel Lieberman. Sein zentrales Argument leuchtet ein: Die Schuhe schwächen die Fußmuskulatur und bringen den Menschen dazu, auf eine Art zu laufen, für die sein Laufapparat nicht geeignet ist. Nur wer auf dicken Polstern läuft, wird mit dem ganzen Gewicht auf der Ferse aufsetzen. Da helfen auch keine sündteuren Schuhe mit Mikroprozessoren. Diese Erkenntnisse sind inzwischen auch bei den Sportschuhherstellern angekommen. Das Ergebnis ihrer paradoxen Bemühungen, noch mit dem Barfußlaufen Geld zu verdienen, sind dünn besohlte Schuhe für schlappe hundert Euro und der Werbeslogan: "Lauf barfuß!"
Der Mensch sei zwar nicht für Laufschuhe gemacht, wohl aber für das Laufen, konstatiert McDougall, nachdem er sich durch Anatomie und Evolutionstheorie gegraben hat. Und einen für die Tarahumara begeisterten Trainer findet er auch, der ihn - auf dünnen Sohlen - für Caballo Blancos "80-Kilometer-Ultimate-Fighting-Rennen" fit macht. McDougall blickt als Läufer auf die Welt, und er hat ein mitreißendes Buch geschrieben, das wohl allen, die nach dem Winter noch nicht wieder auf die Strecke gefunden haben, den nötigen Kick gibt.
MANUELA LENZEN
Christopher McDougall: "Born to Run". Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt. Aus dem Amerikanischen von Werner Roller. Karl Blessing Verlag, München 2010. 400 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christopher McDougall betrachtet die Welt als Läufer
"Sie sind eben nicht fürs Laufen geschaffen", beschied der Arzt, den Christopher McDougall aufgesucht hatte, weil ihm beim Joggen der Fuß weh tat. In der Tat hatte der Autor mit seinen 1,92 Metern und 105 Kilogramm Körpergewicht kaum die ideale Marathonfigur. Die Antwort aber gefiel dem ehemaligen Kriegsreporter und "Men's Health"-Journalisten trotzdem nicht: Der Fuß tut weh, weil das Laufen schlecht ist, und das Laufen ist schlecht, weil einem davon der Fuß weh tut oder der Knöchel oder das Knie, der Rücken, die Hüfte. Bis zu acht von zehn Läufern verletzen sich im Laufe eines Jahres, egal ob Marathonmeister oder Wochenendjogger, und weder Hightech-Schuhe noch Dehnübungen können daran etwas ändern. Doch warum sollten wir die einzigen Säugetiere auf dem Planeten sein, die sich nicht auf ihre Beine verlassen können?
Auf der Suche nach einer Antwort stößt der Autor auf Berichte über die Tarahumara, ein Volk, das zurückgezogen in der mexikanischen Barranca del Cobre, den Copper Canyons, lebt. Sie selbst nennen sich Rarámuri, die Fußläufer, und den Geschichten zufolge, die über sie im Umlauf sind, können sie fünfhundert oder sogar siebenhundert Kilometer am Stück laufen, bekommen so gut wie keine Krankheiten - und natürlich auch keine lädierten Füße -, sind die ehrlichsten und fröhlichsten Menschen der Welt und pflegen ein Wirtschaftssystem, das auf dem Austausch von Gefälligkeiten und Maisbier beruht. Der Autor macht sich auf die Suche und gewinnt daraus eine Mischung aus Abenteuergeschichte und Lifestyle, angereichert mit Ethnologie, Evolutionstheorie, Thesen zur Sportschuhindustrie und der Beschreibung von verrückten Typen.
Die Tarahumara haben 400 Jahre schlechte Erfahrungen mit Fremden hinter sich, als Sklaven der spanischen Silbersucher, als Opfer von Skalpjägern und der Grippeviren der Jesuiten-Missionare. Sie haben mit anderen Worten kein Interesse daran, Fremde zu treffen, und so endet eine erste lebensgefährliche Erkundungstour durch das Gebiet der mexikanischen Drogenbarone zwar in der Hütte von Arnulfo Quimare, dem besten Tarahumara-Läufer aller Zeiten, aber trotzdem ohne Ergebnis: Die einzigen Menschen, von denen der Autor sich eine Antwort auf die Frage erhofft, wie man Hunderte von Kilometern laufen kann, wollen nicht darüber reden - jedenfalls nicht mit ihm.
Vage Gerüchte lassen McDougall nach einem Kontaktmann suchen, einem Amerikaner, der angeblich mit den Tarahumara lebt und läuft. Caballo Blanco, Weißes Pferd, wie die Einheimischen ihn nennen, entpuppt sich als ein Freak mit abgelatschten Sandalen und uralten Hiking-Shorts, der zunächst viel wirres Zeug redet und dann mit verklärtem Blick die Vision eines Rennens entwirft: ein Rennen im Tarahumara-Gebiet, ausgetragen zwischen den besten Ultralangstreckenläufern der Welt und Fußläufern mit ihren Sandalen aus alten Autoreifen.
Dieses Rennen findet am Ende des Buches tatsächlich statt - und McDougall läuft mit, ohne dass ihm die Füße weh tun. Doch bis dahin hat der Autor noch viele Geschichten zu erzählen. Natürlich drehen sie sich alle um das Laufen von Strecken, die der Normalverbraucher vielleicht gerade noch mit dem Fahrrad, eher jedoch mit dem Auto bewältigt. Ein Paralleluniversum mit eigenen Gesetzen nennt McDougall den Ultralangstreckenlauf: Frauen halten die Strecken oft besser durch als Männer, Alte besser als Junge und die "Steinzeitmenschen mit Sandalen" besser als alle anderen. Welches Geheimnis lässt die Tarahumara solche Strecken ohne überanstrengte Füße und spezielles Training bewältigen?
McDougall berichtet von Sonderlingen unter den amerikanischen Marathon-Coaches, die genau dies herausfinden wollen, und von den erfolglosen Versuchen findiger Geschäftsleute, mit Tarahumara-Läufer in internationalen Rennen Geld zu machen. Liegt das Geheimnis gesunden Laufens vielleicht im nackten Fuß? Der Autor schlägt sich auf die Seite dieser Vermutung: Laufschuhe seien die vielleicht zerstörerischste Kraft, mit der es der menschliche Fuß jemals zu tun bekam. Es sei zwar ein wenig einfach, aber letztlich doch in Ordnung, die Firma Nike für das Elend der ständig verletzten Läufer verantwortlich zu machen. Bis 1972, als Nike den Laufschuh erfand, benutzten die Läufer Schuhe mit sehr dünnen Sohlen, hatten kräftige Füße und sehr viel weniger Knieverletzungen, zitiert der Autor den Harvard-Anthropologen Daniel Lieberman. Sein zentrales Argument leuchtet ein: Die Schuhe schwächen die Fußmuskulatur und bringen den Menschen dazu, auf eine Art zu laufen, für die sein Laufapparat nicht geeignet ist. Nur wer auf dicken Polstern läuft, wird mit dem ganzen Gewicht auf der Ferse aufsetzen. Da helfen auch keine sündteuren Schuhe mit Mikroprozessoren. Diese Erkenntnisse sind inzwischen auch bei den Sportschuhherstellern angekommen. Das Ergebnis ihrer paradoxen Bemühungen, noch mit dem Barfußlaufen Geld zu verdienen, sind dünn besohlte Schuhe für schlappe hundert Euro und der Werbeslogan: "Lauf barfuß!"
Der Mensch sei zwar nicht für Laufschuhe gemacht, wohl aber für das Laufen, konstatiert McDougall, nachdem er sich durch Anatomie und Evolutionstheorie gegraben hat. Und einen für die Tarahumara begeisterten Trainer findet er auch, der ihn - auf dünnen Sohlen - für Caballo Blancos "80-Kilometer-Ultimate-Fighting-Rennen" fit macht. McDougall blickt als Läufer auf die Welt, und er hat ein mitreißendes Buch geschrieben, das wohl allen, die nach dem Winter noch nicht wieder auf die Strecke gefunden haben, den nötigen Kick gibt.
MANUELA LENZEN
Christopher McDougall: "Born to Run". Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt. Aus dem Amerikanischen von Werner Roller. Karl Blessing Verlag, München 2010. 400 S., geb., 19,95 [Euro].
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Amazing, really incredibly inspiring book Joe Wicks