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Selten zuvor hat ein Bühnenkünstler seine eigene Geschichte mit solch einer Kraft und solch einem lodernden Feuer niedergeschrieben. Wie viele seiner Songs ("Thunder Road", "Badlands", "Darkness on the Edge of Town", "The River", "Born in the U.S.A.", "The Rising" oder "The Ghost of Tom Joad", um ein paar wenige zu erwähnen) ist Bruce Springsteens Autobiografie geprägt von der Lyrik eines einzigartigen Songwriters und der Weisheit eines Mannes, der ausgiebig über sein Leben nachgedacht hat.

Produktbeschreibung
Selten zuvor hat ein Bühnenkünstler seine eigene Geschichte mit solch einer Kraft und solch einem lodernden Feuer niedergeschrieben. Wie viele seiner Songs ("Thunder Road", "Badlands", "Darkness on the Edge of Town", "The River", "Born in the U.S.A.", "The Rising" oder "The Ghost of Tom Joad", um ein paar wenige zu erwähnen) ist Bruce Springsteens Autobiografie geprägt von der Lyrik eines einzigartigen Songwriters und der Weisheit eines Mannes, der ausgiebig über sein Leben nachgedacht hat.

Empfehlung der bücher.de Redaktion

Born to Run, Bruce Springsteen


Die Musiker-Autobiografie des Jahres

Bruce Springsteen, der in Kürze 67 Jahre alt wird, schreibt bereits seit sieben Jahren an seiner Autobiographie. 2009 nach dem Auftritt mit der E Street Band beim Super Bowl hat Bruce Springsteen damit begonnen seine Memoiren aufzuschreiben.
In Born to Run beschreibt Springsteen sein Aufwachsen in Freehold, New Jersey, inmitten der „Poesie, Angst und Dunkelheit“, die seine Fantasie zuließ. Er erinnert sich lebendig an sein Heranwachsen als Musiker, seine frühen Tage als Barmusiker Asbury Park und den Aufstieg der E Street Band. Mit entwaffnender Offenheit erzählt er von seinen persönlichen Kämpfen, die ihn zu seinem besten Werk inspiriert haben, und warum der Song Born to Run mehr enthüllt, als wir bisher angenommen haben.
Man merkt, dass Bruce Springsteen Freude daran hat über sich selbst zu schreiben. Eine Autobiographie heißt für den Musiker den Leser in seine Gedanken blicken zu lassen und genau das versucht er auf den 672 Seiten zu verwirklichen.

Bruce Springsteens Vorwort zu Born to Run


Ich komme aus einem Küstenstädtchen, in dem fast alles einen leichten Anstrich von Lug und Trug hat. Genau wie ich. Mit zwanzig war ich kein Rebell mit Rennwagen, sondern spielte auf den Straßen von Asbury Park Gitarre und war bereits ein durchaus anerkanntes Mitglied derer, die um der Wahrheit willen »lügen« … ein Musiker, Künstler mit kleinem k. Aber auf der Hand hatte ich vier klare Asse: meine Jugend, fast ein Jahrzehnt knochenharter Bar-Band-Erfahrung, eine Handvoll einheimischer Musiker, die auf mich eingespielt waren – und ich hatte eine Geschichte zu erzählen.

Dieses Buch ist eine Fortsetzung dieser Geschichte und zugleich die Suche nach ihren Ursprüngen. Den Rahmen bilden die Ereignisse in meinem Leben, von denen ich glaube, dass sie die Geschichte und meine Arbeit auf der Bühne geprägt haben.

Immer wieder werde ich von Fans gefragt: »Wie schaffst du das nur?« Auf den folgenden Seiten möchte ich versuchen, einen kleinen Einblick in das Wie, aber auch in das viel wichtigere Warum zu geben.

Rock’n’Roll-Rüstzeug

Veranlagung, Talent, Handwerkszeug, die Entwicklung einer Ästhetik, der man sich voll und ganz verschreiben kann, die reine Gier nach … Ruhm? Liebe? Bewunderung? Aufmerksamkeit? Frauen? Sex? Und, o ja … nach Kohle. Und dann natürlich … wenn du wirklich voll durchziehen willst, und zwar bis zum Anschlag … ein loderndes Feuer in dir, das einfach … das nicht mehr … ausgehen … darf.

Dies sind ein paar der Eigenschaften, die sich als nützlich erweisen, wenn du vor achtzigtausend (oder auch nur achtzig) kreischenden Rock’n’Roll-Fans stehst, die darauf warten, dass du den Zauberstab schwingst und eine tolle Show ablieferst. Dass du was aus deinem Zylinder ziehst, aus dem Nichts hervorzauberst, ihnen Sachen zeigst, die nicht von dieser Welt sind, irgendwas, was bis heute nur ein aus Songs gespeistes Gerücht gewesen ist, ehe die Gemeinde sich um dich versammelt hat.

Meine Aufgabe ist es zu beweisen, dass dieses ewig flüchtige, nie uneingeschränkt glaubhafte Wir lebendig ist. Das ist mein Zaubertrick. Und wie bei allen guten Zaubertricks muss erst mal das Set-up stimmen. Also los …

“The Boss“ erzählt sein Leben


Seit 1973 ist Bruce Springsteen, genannt „The Boss“ im Musikgeschäft. Sein Album Born to Run erschien im August 1975 und feiert dieses Jahr 41. Geburtstag. Passend dazu erscheint nun die Autobiographie von Bruce Springsteen mit dem gleichnamigen Titel Born to Run.
Bestens geeignet zum Selbstlesen oder zum Verschenken an Weihnachten: Born to Run von Bruce Springsteen.
Autorenporträt
Springsteen, Bruce
Bruce Springsteen, geboren 1949, wurde in die Rock and Roll Hall of Fame, die Songwriters Hall of Fame und die New Jersey Hall of Fame aufgenommen. Er wurde u.a. mit 20 Grammy Awards, dem Academy Award und den Kennedy Center Honors ausgezeichnet. Springsteen lebt mit seiner Familie in New Jersey.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Um Bruce Springsteens Autobiografie "Born to Run" gebührend zu würdigen, druckt die SZ die erste Seite des Feuilletons Artikel von Richard Ford aus der New York Times. Ford ist ein großer Springsteen-Fan und deswegen in aller Ausführlichkeit, aber auch recht umständlich darum bemüht, die Einzigartigkeit des Bosses in Worte zu fassen. Verstehen kann man das - zumal in der hastigen Übersetzung nur bedingt. Klar macht Ford jedoch so viel: In "Born to Run" steht kaum etwas Neues, aber das in "guter solider Prosa": Springsteen erzählt von seinem brodelnden Elternhaus mit einem irischen Säufer als Vater und einer italienischen Mutter, von den harten Verhältnissen in New Jersey und vom Ehrgeiz, da herauszukommen und zwar groß. Geradezu grotesk findet Ford das Selbstbewusstsein dieses Musikers, der allerdings für mindestens zwei Generationen die Hintergrundmusik ihres Lebens geschrieben hat, ohne Noten lesen zu können. Ford liest Springsteens Buch wie einen "Liebesbrief an seine Heerscharen". Legt die CD ein und erkennt die Kunst im Krach.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2016

Der Motor, der Treibstoff und der Horror
Der große amerikanische Rockmusiker Bruce Springsteen schreibt ein Buch über sein Leben - und seinen Vater

Bruce Springsteen hat in seiner fast fünfzigjährigen Karriere immer und immer und immer wieder Autobiographien geschrieben, aber jetzt zum ersten Mal in Form eines Buchs. Die anderen Autobiographien - "Bobby Jean", "Growin' up", "10th Avenue Freeze-Out", "Thunder Road" - waren Rocksongs, kaum mehr als drei, vier Minuten lang, die aber jedes Mal alles enthielten, was Springsteen ausmacht: Woher er kam, wohin er wollte, wer seine Freunde sind, was ihn antreibt und umtreibt und was er liebt und hasst. Wer diese Songs mitsingen kann, automatisch die Arme in die Luft schmeißt, sobald eine Zeile wie "I Stood Stone-like at Midnight" ertönt oder in Tränen ausbricht, sobald "My Hometown" vorbei ist, der wird im fast siebenhundertseitigen "Born to Run", das in dieser Woche erschienen ist, jede Menge Motive wiedererkennen.

Dieses Buch fügt nämlich vieles zusammen, was einem vertraut ist, wenn einem dieser Springsteen vertraut ist. Und es bestärkt, im neuen, nicht elektrisch verstärkten Format, was man immer schon von ihm wusste: dass Bruce Springsteen ein Entertainer ist. Dass er Humor hat. Dass er Cars und Girls liebt und Amerika und dessen Mythen. Und vor allem, dass er schreiben kann. Denn das muss man, um Zeilen wie "The screen door slams / Mary's dress waves" schreiben zu können, sieben Worte, mit denen "Thunder Road" von 1975 beginnt - aber mit dem auch jeder große amerikanische Roman beginnen könnte.

Aber "Born to Run" erzählt gleichzeitig vom Katholiken Springsteen. Und wie sehr ihn das prägte, ahnte man nicht. Ein Katholik, der lange keinen Führerschein hatte und erst spät zu fahren lernte, was angesichts der Autoquote in Springsteens Songs wirklich irre ist. Das Buch erzählt, je länger, umso offenherziger von einem Künstler, der nicht zur Ruhe kommt und vor allen Bindungen davonläuft, gleichzeitig aber die Kontrolle über so gut wie alles wahren will. Vom Kind einer Familie, in der die manische Depression steckt "wie Gimmicks in einer Cornflakes-Schachtel".

Bruce Springsteen - hundert Millionen verkaufte Platten, "Oscar"-Preisträger - wurde vor siebenundsechzig Jahren geboren, die Mutter ist italienisch-amerikanisch, der Vater irisch-amerikanisch. Der Junge wächst mit zwei Schwestern in Freehold auf, einer Kleinstadt an der Küste von New Jersey. Die Identität von New Jersey speist sich aus zwei Dingen: einmal, am Ufer gegenüber von New York City zu liegen - und dann daraus, die Heimat von Frank Sinatra und Bruce Springsteen zu sein. Wenn man es in eine Autometapher packen will, wie sie für Springsteens Songs so typisch sind, dann sehen die Leute aus New Jersey immer nur die Rücklichter von etwas Großem, an dem sie immer nah dran bleiben, ohne je aufzuschließen. Das kann eine große Kraft sein.

Aber Bruce Springsteens Kraft ist zunächst einmal die Musik. Er ist genau im richtigen Alter, um von den Beatles und Dylan erwischt zu werden - und von den sozialen und kulturellen Umbrüchen, deren Soundtrack sie schrieben. Alles beginnt aber auch für Springsteen mit Elvis Presley: "Es war ein Mann", schreibt er, "der es nicht nur kommen sah, sondern der selbst war, was kam." Noch so ein Satz, über den manch ein hauptberuflicher Autor echt froh wäre.

"Mit allem, was im Radio und im Land abging", schreibt Springsteen jedenfalls über die fünfziger und sechziger Jahre, "gab es genug wilden Treibstoff, der für einen armen Jungen ein ganzes Leben lang ausreichen würde." Wie wichtig diese frühe Zeit für sein ganzes Leben war, erkennt man auch daran, dass Springsteen weit mehr als die Hälfte seines Buchs auf dieses erste Drittel seiner Karriere verwendet, auf den langen Weg bis zum Debüt, "Greetings from Asbury Park, N. J." von 1973: ein Weg, der über billige Gitarren führt und miese Bands und Auftritte, die noch schlechter bezahlt als besucht waren. Was dann aber folgt, ist keineswegs ein Durchbruch. Denn nach der ersten und der zweiten Platte entscheidet erst die dritte wirklich darüber, dass er es geschafft hat: "Born to Run" von 1975. Es hätte gut sein können, dass man niemals wieder von Bruce Springsteen hört.

Dass man ihm auf dem langen Weg durch die Bars und Clubs von New Jersey und die wechselnden Besetzungen seiner Gruppen folgt, liegt an der Stimme des Erzählers: Springsteen ist ein Entertainer auch hier. Seine Konzerte mit der E Street Band dauern bis heute mehr als drei Stunden, seine Arbeitsmoral ist famos (die anderen in der E Street Band, gesteht er, habe er immer dazu "gezwungen", so lange durchzuhalten). Und so kommt es gar nicht in Frage, hier nur Daten abzuspulen. Er schenkt einem im schönen Wechsel Pathos und Erkenntnis ("Musik aus dem Radio ist wie ein gemeinschaftlicher Fiebertraum, eine kollektive Halluzination, ein mit Millionen geteiltes Geheimnis, ein Flüstern im Ohr eines ganzen Landes") und Humor, dass man laut lachen muss: über den dicklichen Sänger einer seiner Jugendbands, dem schon die Haare ausgehen, weswegen sie nach Konzerten gefragt wurden, warum denn nur ihr Dad mitspiele; oder über die riesige Gibson-Gitarre, die Springsteen erbt und die so seltsam aggressiv klingt, bis ihn jemand für den tollen Trick lobt, Sologitarre auf einem Bass zu spielen.

Selbstironie, Sprachgewalt und das richtige Gespür für Pointen, das ist das eine. Das andere ist, dass sich diese frühen Jahre lesen wie ein großer amerikanischer Roman: die italienische Großmutter, die mehr als achtzig Jahre lang in Amerika lebt, ohne einen Satz Englisch zu sprechen. Die Straße, in die er noch Jahre später zurückkehrte, nachts, rastlos: 68 South Street, Freehold, New Jersey, eine der wichtigsten Adressen der Popgeschichte. Die Rotbuche vorm Haus. Das eisige Kinderzimmer im ersten Stock, das mit der Abwärme aus dem Küchenherd darunter geheizt wird. Die gütige Nonne auf der katholischen Grundschule. Der väterliche Freund, in dessen Surfbrettfabrik Bruce einzieht, auch, weil seine erste richtige Band, Steel Mill, hier probt. Die obdachlosen Nächte am Strand. Die elegante Mutter, die beschließt, den cholerischen, trinkenden, stillen, schwierigen Vater zu lieben, was immer auch geschieht. Der Abend, an dem der neunjährige Bruce den Vater mit einem Baseballschläger zwischen die Schultern haut, damit er aufhört, die Mutter anzuschreien. Und dieser Vater.

Douglas Springsteen ist die andere Hauptfigur des Buchs. Wie entscheidend der lebenslange Konflikt mit dem Vater war, konnte man immer schon auf Springsteen-Platten hören, vor allem auf jenem epochalen Livealbum, das Auftritte zwischen 1975 und 1985 umfasste, Songs, die Springsteen ständig für Anekdoten aus dem Leben mit seinem Dad unterbrach oder sie sogar damit begann: Wie die, als er ausgemustert wird und nicht nach Vietnam muss, weil seine Haare zu lang sind, ebenjene Haare, die den Vater zum Wahnsinn treiben - und der Vater nur "that's good" dazu sagt.

Diese Geschichte erzählt Springsteen jetzt noch einmal - aber er erzählt eben vor allem von seinem Leben in den Spuren des Vaters. Denn fühlte es sich auch noch so an, als würde der rebellische Sohn vor dem trinkenden, herrischen, schweigenden Vater davonlaufen: Er folgte ihm eigentlich immer nur.

Bruce Springsteen hat sein Leben lang immer wieder Songs darüber geschrieben, abzuhauen, vom Traum der Straße, die offen vor einem liegt, der Tank voll, das Mädchen auf dem Beifahrersitz, die Nacht lang: "Born to Run" handelt davon, "Thunder Road", "Rosalita". Seinen ersten Plattenvertrag hat er auf einer Motorhaube unterschrieben. Als Kind gab er bei Gewittern erst Ruhe, wenn seine Eltern ihn ins Auto packten: "Ich würde für den gesamten Rest meines Lebens über Autos schreiben."

Aber noch bevor Bruce selbst ausziehen kann, zieht sein Vater aus - nimmt seine Frau und geht westwärts. Da ist Bruce neunzehn. Der Vater hat ein Haus in Kalifornien, lange bevor der Sohn eines hat, etwas Besseres als den Tod in New Jersey würde er überall finden. Der Sohn verlässt also nicht, er ist ein Verlassener: Die Fuck-off-Emphase einiger seiner besten Texte ("It's a town full of losers and I'm pulling outta here to win") ist also eigentlich herausgebrüllte Trauer.

Als Springsteen dann 1978 sein Kleine-Leute-Meisterwerk "Darkness on the Edge of Town" schreibt, den Nachfolger des sentimental-optimistischen "Born to Run", fährt er nachts die Straßen von Freehold ab, immer wieder am Elternhaus vorbei. "Wer bin ich? Wer sind wir? Was und wo ist unsere Heimat? Was macht Männlichkeit und Erwachsensein aus?", fragt er sich. "Ich wollte wissen, was es hieß, Amerikaner zu sein."

Und noch etwas später, als ihn selbst die Depressionen einholen, die seinen Vater ein Leben lang nicht losgelassen haben, geht er - wie der Vater vor ihm, der zwanghaft auf und davon fuhr - auf Roadtrips: "Das Einzige", schreibt Springsteen, "was mir die Last von den Schultern nehmen konnte, war mit mehr als hundert Meilen die Stunde auf zwei Rädern dahinzudonnern." Geboren, um davonzurennen: kein Triumphalismus, eher eine Diagnose.

Diese Autobiographie - geschrieben mit der Ehrlichkeitswucht eines typischen Springsteen-Songs und gerichtet an "uns", seine Fans, die er braucht wie seine Gitarren den Strom - ändert nicht das Bild, das man vom Künstler Springsteen hat. Sie macht aber diese ungeheuere Anziehungskraft, die von ihm ausgeht, noch viel größer und rätselhafter. Ein Mann stärkster Affekte, manisch-depressiv offenbar, der Millionen aus der Seele singt: phänomenal. Es war aber ja immer schon kompliziert mit Springsteen. Seine Songs sind missverstanden und politisch missbraucht worden, ganze Kapitel handeln jetzt davon: Selten, dass ein Künstler so offen um die Interpretationshoheit über seine eigenen Werke kämpft. Nicht nur um das brüchige, trotzige "Born in the USA" aus dem Reagan-Wahljahr 1984, das von einem Vietnam-Veteranen erzählt, der in seiner Heimat ein zweites Mal verlorengeht. Auch um "American Skin" von 1999, ein Song über schwarze Opfer weißer Polizeigewalt, der aber eben, typisch Springsteen, von starker Ambivalenz lebt; davon, sich nicht auf eine Seite zu schlagen, ohne die andere verstehen zu wollen.

Bruce Springsteen ist ein Boss darin, seine Suche nach Antworten auf letzte Fragen in einer gewaltigen Show zu verstecken. Das verbindet ihn mit Stephen King und Steven Spielberg, die das in ihren Büchern und Filmen genauso gut können. Man fühlt sich phantastisch unterhalten, man staunt über die Tricks und die Eleganz und fragt sich, warum sich in die gute Laune nur immer so eine Spur von Traurigkeit mischt. Woher sie bei Springsteen kommt, verrät dieses Buch.

TOBIAS RÜTHER.

Bruce Springsteen, "Born to Run. Die Autobiografie". Übersetzt von Teja Schwaner, Daniel Müller, Alexander Wagner und Urban Hofstetter. Heyne, 672 Seiten, 27,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.09.2016

Ein überwältigender amerikanischer Traum
Der Schriftsteller Richard Ford hat seit 30 Jahren keine Buchkritik mehr verfasst. Doch Bruce Springsteens Memoiren
„Born To Run“ haben ihn so mitgerissen wie ein Konzert des „Boss“. Er musste einfach etwas dazu loswerden
Für die meisten von uns neun Zillionen Bruce-Springsteen-Fans, die bei jedem Wetter seine brandgefährlichen, hochexplosiven, deckensprengenden, sauerstoffspaltenden dreistündigen Riesenspektakel von Konzerten durchgestanden haben, die sich jedes seiner Alben gekauft und nachgekauft haben, die seine Songtexte studiert, sich über sein kompliziertes musikalisches Leben und das seiner Band gebeugt haben und auch die im Dunkel der Privatsphäre gehaltenen Ehe-, Familien- und sonst wie sinnlichen Ausflüge nicht vernachlässigt haben, und deren lebensentscheidende Situationen mit Spuren von „No Surrender“ markiert sind, das durch unser Hirn pulst – für uns alle in seinem weltweiten Publikum – besteht die ewige Faszination von Bruce ( ich schwöre, dass ich bei keinem einzigen Konzert Bruce! gerufen habe) schlicht und ergreifend darin: Wie schafft man es verdammt noch mal so weit in 50 kurzen Jahren aus Freehold in New Jersey? Es erinnert an den alten Bauer in Maine, der auf die Frage, wie man zur Stadt hinter dem Hügel gelangt, nur sagt, dass es nicht möglich ist. Und wirklich schafft man es weder in Springsteens noch im Leben eines anderen von hier aus nach dort. Doch er, er hat es geschafft. Und wir können es alle bezeugen.
Die neue Autobiografie vom Boss, „Born to Run“ (Heyne Verlag, München, 2016. 672 Seiten, 27,99 Euro) müsste im Grunde das Mysterium, das sich in diesem Paradox verbirgt, durchdringen und offenlegen. Über weite Strecken gelingt das auch.
Praktisch jeder, der mit Bruce Springsteen im Lauf der Jahre zusammengetroffen ist – angefangen von den Besitzern des schlichten „Upstage“ im Asbury Park von 1969 und den legendären Hit-Produzenten John Hammond und Clive Davis bei der Columbia, den ebenso verlässlichen wie nörglerischen und leidenden Mitspielern bei der unverzichtbaren E-Street-Band, über Ronald Reagan und Pete Seeger bis zu Barack Obama, haben erkannt, dass Springsteen einzigartig ist – einer, der es jeden Abend auf der Bühne bewiesen hat, jemand, der über eine ungeheure Erfahrung verfügt, jemand, den man unausgesetzt anschauen muss, jemand, dem man nicht lange böse sein kann, obwohl er als junger Mann grotesk unbescheidene Vorstellungen von seinen Fähigkeiten hatte, der seine Bandkollegen wie Lieblingsangestellte behandelte und dabei sagenhaft launisch sein konnte, autistisch bis dorthinaus, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Das Gleiche ließe sich mit anderen Worten auch über die Gebrüder Morrison, Jim wie Van, über Otis Redding, Marvin Gaye, Janis Joplin, selbst über Eric Burdon und ganz bestimmt auch über den Big Bopper sagen. Sie sind und waren einzigartig, jeder auf seine Weise. Doch „einzigartig“ allein reicht nicht aus für Bruce Springsteen vor 90 000 Menschen über mehr als 30 Jahre in 40 verschiedenen Ländern und das bei unverminderter Härte wie zuletzt am vorigen Mittwochnachmittag bewiesen.
Wer Kunst nur von außen sieht – von den Zuschauerplätzen aus, wie es auch sein soll –, begreift oft nicht, wie Kunst entsteht. Genau das aber zieht die Fans in Massen zu Springsteen. Die Gesamtheit seines Werks – die Songs, die Musik, die Gitarre, die Stimme, das Image, die Verrenkungen, die Rezitative, die Inszenierung, das, was Springsteen die „Summe meiner Teile“ nennt – ist so kompakt, so konzentriert und wirkt so authentisch, dass fast nichts mehr gilt, was wir glauben über die Fähigkeiten Normalsterblicher zu wissen. Da ich viele Konzerte mit ihm erlebt habe, kann ich bestätigen, dass man oft vollkommen überwältigt wird von dem, was man zu hören und zu sehen bekommt. Es ist eine Erfahrung, die einen auf sich selbst zurückwirft – man bekommt das Beste und Schönste, aber man merkt zum Beispiel auch, wenn man geleimt wird.
In „Born to Run“ wirkt Bruce Springsteen am unmittelbarsten, wenn er berichtet, wie man Bruce Springsteen wird. Nichts beschäftigt ihn mehr als seine und die „Authentizität“ seiner Musik, obwohl er nie vergisst, dass eine Show eine Show ist. Es grenzt an Demut, wie er von seiner Wandergesellenzeit als Musiker spricht, oder davon, dass Rockmusik im Grund „eskapistische Unterhaltung“ ist oder wenn er zugibt, dass Rock ’n’ Roll insgesamt als Träger für Ideen (was mir immer schon fragwürdig vorkam) auf dem Weg nach draußen ist.
Daneben erklärt er ganz offen, was das Unternehmen Springsteen erfordert. Talent. Gut, das wäre das eine. Eine großartige Band, die einem über die Jahre beisteht. Zweitens. Aber auch die alarmierende Selbstgewissheit in aberwitzig jungen Jahren („Es ist letztlich meine Bühne“, „meine Band“, „mein Plan“, „meine Musiker“). Bereit sein, sich und jedem in Hörweite eine unmenschliche Disziplin abzuverlangen – vor allem seiner Band. Enzyklopädisches, fast gelehrtes Wissen in Genre- und Rockgeschichte. Übermenschliche Lebenszeitverschwendung mit Üben, Üben, Üben in winzigen, schlecht beleuchteten Räumen verbracht. Der gnadenlose Vorsatz, ganz groß herauszukommen, von der Überzeugung angetrieben, dass Größe möglich ist und sich unbedingt lohnt. Bereit, sich als ergebener und dankbarer Avatar seiner eigenen bewunderten Fangemeinde vorzustellen. Offen für Einflüsse jeder Art von Lehrern und Helden. Ein ungewöhnliches Bewusstsein der eigenen Schwächen („Was meine Stimme angeht – nichts Besonderes“). Eine Picasso-gleiche Gewissheit, dass jede Form von Kunst einem „ungestümen Gang-Gefühl“ der Herkunft entspringt. Und Angst vor dem Scheitern. Erfolg, das hat er begriffen, ist oft genug der Feind der Authentizität, die er doch anstrebt. Tag und Nacht muss er auf der Hut sein, oder zumindest von 1967 bis heute. „Wenn du hell, kräftig und auch noch lang brennen willst“, schreibt der Boss, „brauchst du mehr als deine ursprünglichen Instinkte. Du wirst ein Handwerk und eine schöpferische Intelligenz entwickeln müssen, die dich auch dann trägt, wenn die Situation einmal prekär wird.“ Und wem das zu sehr nach braver Schreibschule klingt, sollte das lesen: „Von Anfang an wusste ich, dass ich mehr als ein Solokünstler sein wollte und weniger als eine Band, in der jeder gleiche Rechte hätte. Ich hab’s probiert, und es taugt mir nicht. Mit wenigen Ausnahmen ist Demokratie in Rockbands eine tickende Zeitbombe… Wenn ich auch sonst meistens gemäßigt bin, hier war ich Extremist.“
So viel zur brüderlichen Band im strahlenden Rock ’n’ Roll-Haus auf dem Berge. „Wir werden alle älter“, ergänzt Springsteen danach noch, „und wir wissen, ‚it’s only rock’ n’ roll‘ … aber das stimmt nicht.“
Damit meine Glaubwürdigkeit nicht ganz den Bach runtergeht, ist hier der Hinweis fällig, dass alles, was ich hier entwickle, den Springsteen-Getreuen längst bekannt ist und von ihnen wie ein Katechismus memoriert wird. Bei einem Konzert neulich im Barclays Center, dem ich, meine Frau, der Gouverneur Chris Christie, Steve Earle und 18 000 Fremde beiwohnten, holte der Boss ein zehnjähriges Mädchen auf die Bühne und hörte sich bewundernd an, wie es, allem Anschein nach spontan, alle Zeilen von „Blinded by the Light“ sang – 547 schwindelerregende Worte. Was heißt, dass der größte Teil der Insider-Informationen in „Born to Run“ dem wachsamen und besitzergreifenden Adlerauge des „Springsteen-Fans“ schon vorher nicht entgangen ist. Andererseits ist es auch möglich, dass Sie – weil Sie die letzten vier Jahrzehnte in irgendeinem Lazarett einer Geheimoperation gefangen gehalten wurden – noch nie von Bruce Springsteen gehört haben und deshalb auch dieses Buch nicht anfassen werden.
Womit keineswegs gemeint ist, dass Springsteen das Buch nicht hätte schreiben sollen – und sei es als Liebesbrief an seine Heerscharen; oder dass sein Verlag damit keine Gelddruckmaschine an der Hand hätte. Alle Springsteen-Fans werden dieses Buch lesen. Trotzdem wird man sagen können, dass sich „Born to Run“ vor allem an uns, die Kundschaft in der Mitte, richten dürfte, an jene, für die „Independence Day“, „Wild Billy’s Circus Story“, „Bobby Jean“, „Nebraska“, „Streets of Philadelphia“, „Hungry Heart“ und „Born in the U.S.A.“ ein Leben lang die emotionale Hintergrundmusik bildete – für einige auch die im Vordergrund –, die aber nicht ihr ganzes Leben Bruce gewidmet haben. Dennoch ist es nützlich zu erfahren, dass der Boss keine Noten lesen kann, dass „Born in the U.S.A.“ und „Nebraska“ zur gleichen Zeit aufgenommen wurden, dass Springsteen eine Tochter hat, die eine preisgekrönte Reiterin ist, dass er viele Jahre in Therapie hinter sich hat, dass er denen vergeben kann, die ihn betrogen haben, dass er der Überzeugung ist, dass seine Karriere ein „Dienst“ ist, und dass er über einen geschmeidigen Sinn für Humor verfügt, mit dem er sich über sich selber lustig machen kann (jedenfalls wenn es seine Laune erlaubt).
Es hilft, dass Springsteen schreiben kann – nicht nur Songtexte, die einem ein Leben lang bleiben, sondern gute, solide Prosa. Niemand wird davon überrascht sein, dass jemand, der „Spanish Johnny drove in from the underworld last night/With bruised arms and broken rhythm and an beat-up old Buick…“ (Spanish Johnny tauchte letzte Nacht auf aus der Unterwelt in einem verbeulten alten Buick, die Arme zerschürft) geschrieben hat, einen vollständigen und glaubwürdigen amerikanischen Satz formulieren kann. Und so ist es auch. Sicher gibt es ein paar geschwätzige Stellen, ein Ideechen zu viel Therapie-Rhabarber über das „Gelände in meinem Kopf“. Ein bisschen mehr Rock ’n’ Roll-Lingo als nötig – obwohl die Bruce-Enthusiasten in Sea-Clift anderer Meinung sein werden. Klar. Doch hört sich für mich in „Born to Run“ nichts unehrlich oder pointengeil an. Wenn Springsteen auf Beifall aus ist, dann dafür, dass er es erzählt, wie es ist und wie es war.
Und wie bei einem Springsteen-Konzert gelingt auch bei „Born to Run“ die Sensation, dass im Moment, in dem die Lichter ausgehen, alle wichtigen Fragen geklärt sind. Er erzählt in leicht verdaulichen kurzen Kapiteln mithilfe eines jovialen Jersey-Dialekts, deutlich, wenn es gilt, harte Geschichten zu erzählen, aber auch biegsam genug für Situationen, die mehr Wortgewandtheit erfordern – um sich dann wieder angenehm auf Syntax und Rhythmus eines Bruce-Springsteen-Songs zu beschränken: „Wir kamen alle irgendwie zurecht“, schreibt er, als seine Eltern 1969 plötzlich von Freehold nach Kalifornien umzogen und ihn zurückließen. „Meine Schwester verschwand in ‚Cowtown‘ – die Weltsenke in South Jersey – und ich tat so, als machte es mir nichts aus. Du warst von einem Tag auf den anderen auf dich allein gestellt. Damit war der Fall klar. Außerdem freute ich mich für sie, für meinen Vater. Raus mit dir, Paps! Raus aus dem verdammten Scheißloch.“
Die Kapitel über die Familie sagen mir in „Born to Run“ am meisten, die Kapitel, die Springsteens Anspruch bestätigen, dass das Publikum sich selbst sieht, wenn es ihn anschaut. Nichts kann das Geheimnis lüften, wie man es von Freehold, wo jemand 1964 auf einer Kent-Gitarre für 69 Dollar herumklampft, mit einer Telecaster vor ein Massenpublikum im Meadowlands-Stadion schafft. Doch so ein Leben kann auch ein Quell sein, das in der Kunst das Werkzeug findet, das die widersprüchlichen Kräfte miteinander versöhnt.
Springsteens teils schottisch-irische, teil italienische Familie bildete den Dampfkessel dieser brodelnden Kräfte. Ein stumm vor sich hin brütender, erfolgloser, feindseliger, menschenverachtender Vater („Er liebte mich, konnte mich aber nicht ausstehen“), eine außergewöhnlich liebevolle Mutter, die sich aber trotz allem ihrem Mann verpflichtet fühlte. Plus eine engmaschige, weitreichende, gelegentlich unberechenbare, aber zärtliche Familie aus Einwanderer-Nachfahren
– Großeltern, Tanten, Onkel, Schwestern – einige, wie Springsteen sagt, mit regelrechter Geisteskrankheit geschlagen, mit „schwarzer Melancholie“, die auch sein Erbe wird.
Natürlich können Sie jetzt mit Recht sagen, dass nichts davon ungewöhnlich ist, sondern vielen anderen Biografien ähnelt. Meiner. Ihrer. American Gothic, Jahrhundertmitte. Ein „Müllhaufen von Heimat, den ich liebte“. Doch hier zeigt sich endlich ein Hinweis auf die Magie des Springsteen-Mysteriums: das kraftvolle Sich-der-jämmerlichen-Situation-gewachsen-Zeigen.
„Wir eifern denen nach“, schreibt er an einer bemerkenswerten Stelle, „deren Liebe wir wollten und nicht haben konnten. Das ist gefährlich, aber es gibt einem das Gefühl größerer Nähe, die Illusion einer Intimität, die wir niemals spüren konnten. Wir beanspruchen damit, was uns von Rechts wegen zustand, was uns aber vorenthalten wurde. Als in meinen Zwanzigern mein Song und meine Geschichte langsam Gestalt annahmen, suchte ich nach der Stimme, die ich mit der meinen vermischen könnte, um davon zu erzählen. Es ist der Moment, in dem man durch Kreativität und Willenskraft die widerstreitenden Stimmen der Kindheit zurückholen, umarbeiten und neu gebären kann, sie in etwas Lebendiges umformen kann, das voller Kraft ist und dem Licht zustrebt. Ich repariere, das ist Teil meines Jobs. Und deshalb zog ich mir, der ich mich in meinem ganzen Leben nie meine Hände mit echter Arbeit schmutzig gemacht habe, die Kleider eines Fabrikarbeiters an, die Kleider meines Vaters, und ging zur Arbeit.“
Seamus Heaney meinte einmal in einem Gedicht, dass das Ziel der Kunst Frieden sei. Ich fürchte, das ist ohne Springsteen nicht das letzte Wort. Kunst, das wird Heaney zugeben müssen, ist manchmal auch ein unfassbar lauter und völlig legitimer, ein himmelhoch aufsteigender Lärm, ein Klang, der nie aufhören sollte.
Aus dem Englischen von Willi Winkler
„Demokratie“, schreibt er,
„ist in Rockbands eine
tickende Zeitbombe.“
Es hilft, dass Springsteen
schreiben kann –
gute, solide Prosa
Bruce Springsteen 1973: „Nichts beschäftigt ihn mehr als die ,Authentizität‘ seiner selbst und seiner Musik.“
Foto: Art Maillet/SONY BMG/Getty Images; Text: © 2016 New York Times
Richard Ford, 72, ist einer der wenigen Schriftsteller, denen immer wieder Romane gelingen, die Amerika auf den Punkt bringen. Für „Unabhängigkeitstag“ bekam er den Pulitzerpreis sowie den Pen/Faulkner Award verliehen. Foto: AP
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"Ein Buch, das so fesselnd und episch ist wie ein Konzert von Springsteen." Thomas Hüetlin in Der Spiegel