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Bemerkenswerte Ereignislosigkeit ist es, die den Alltag von Vresen, einer Kleinstadt mitten in den Weiten der norddeutschen Tiefebene, bestimmt. Jeden Abend trifft sich der Stammtisch im Bossa Nova. Doch einer von ihnen bricht aus der Runde aus...

Produktbeschreibung
Bemerkenswerte Ereignislosigkeit ist es, die den Alltag von Vresen, einer Kleinstadt mitten in den Weiten der norddeutschen Tiefebene, bestimmt. Jeden Abend trifft sich der Stammtisch im Bossa Nova. Doch einer von ihnen bricht aus der Runde aus...
Autorenporträt
Johano Strasser, geb. 1939 in Leeuwarden, Niederlande. Schriftsteller, Publizist, Politologe. Studium der Philosophie in Mainz, Promotion. 1970-75 stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten.1977 Habilitation in Politikwissenschaft. Seit 1982 freier Schriftsteller. Zahlreiche Romane, Lyrikbände, politische Schriften u. a. m. Seit 1995 Generalsekretär des deutschen P.E.N., seit 2002 dessen Präsident.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2008

Kalle nimmt hin

Neue Welle, alter Kahn: Johano Strasser lässt in seinem Roman "Bossa Nova" die Utopie vom einfachen Leben mit der kleinbürgerlichen Tristesse kollidieren.

Aus Vresen kommen Sie?" Romane, die mit einer solchen Frage beginnen und dann tatsächlich von wenig anderem handeln als von Vresen und vom Kleinstadtleben, im Untertitel einen "Provinzroman" zu nennen ist sicherlich klug. Wenn schon Kaff, dann wenigstens programmatisch. Der so dem Verdacht des Provinziellen vorbeugende Autor ist Johano Strasser, den man eher als Präsidenten des deutschen PEN-Zentrums und Verfasser politischer, sich einmischender Schriften kennt denn als Romancier. Zuletzt, im Jahre 2007, schrieb er über sein eigenes ereignisreiches Leben und lieferte linksgeprägte Zeitgeschichte gleich mit: "Als wir noch Götter waren im Mai".

Jetzt lässt der 1939 im niederländischen Leeuwarden geborene "Vordenker" der SPD die kleinen Ereignisse eines Städtchens, das Vresen heißt, aber auch ganz anders heißen könnte, vornehmlich am Stammtisch besprechen. Den Obertitel des Romans gibt der kecke Kneipenname ab: "Bossa Nova". Von wilden Rhythmen geschüttelt sind die Lebensläufe der Protagonisten aber nicht gerade. Unmerklich ist das Allende-Porträt mit Trauerflor verschwunden, das über dem Eingang hing, ist der revolutionäre Optimismus von einst dahin. "Wie unter Glas" sitzen sie da: Kalle und Karl, Alfred, Bernd, Manne, Joschi, älter gewordene Männer, die wehmütig Anekdoten von damals erzählen und das Verstreichen der Zeit an Leib und Geist kläglich spüren.

Ihre Gespräche beginnen mit "Wisst ihr noch?" und enden mit Sätzen wie "Wir müssen wieder". Manch einer will noch ein letztes Mal "ausbrechen". Alfred trennt sich von seinem Hund und lernt Spanisch. Manne will als Entwicklungshelfer nach Südafrika. Kalle reanimiert seine alte Zündapp. Bernd hat Krebs und stirbt. Später, manchmal zu spät, stellen sie fest, dass sie sich nie richtig unterhalten haben. Wenn einer sich Visionen des neuen Lebens hingibt, durchbebt es die anderen kurz. Beiläufig quittiert wird dann das Zurückkehren in die Runde, wenn aus den großen Plänen doch nichts geworden ist.

Die Frauen arrangieren sich lieber mit den Verhältnissen. Sie heißen Rita, Barbara, Elke oder Hella und planen hinter dem Rücken ihrer Männer die Modernisierung eines altmodischen Papierwarenladens. Im neuen "Paper Moon" kann man auch Tee trinken und lesen. Kalle, der Stoiker, wartet hier gern und vernachlässigt, aber doch verständnisvoll auf Elkes Feierabend. Kalle ist auch der Erzähler in diesem Roman. Seit dreißig Jahren ist er mit Elke verheiratet, die Kinder sind erwachsen und aus dem Haus. Nachts hört er "nichts außer Elkes Atem und dem Wind, der durch die Vorgartenbüsche fährt, nichts außer dem Geräusch der Leere". Dann stellt er sich bisweilen vor, jeder in Vresen hätte, ohne es zu wissen, eine Aufgabe "für eine höhere Instanz" zu erfüllen; die Stellung zu halten gegen einen Gegner, den keiner beim Namen zu nennen wagt.

Kalle spricht gerne für alle in jenem solidarischen "Wir", das den allgemeinen Lebenswiderspruch aus Trägheit, Aufbruch und Kontingenz zu ertragen hilft. Man mag in dieser ganz auf den kompetenten Laien abstellenden Erzählhaltung Strassers Ideal des Citoyen wiedererkennen. Kalle, der sich als "Randfigur" versteht, versucht zugleich, über den Rand der Literatur hinauszugelangen: "Unser Leben hat nichts Romanhaftes, nichts Dramatisches. Wir hier müssen sehen, wie wir ohne Regieanweisung durchs Leben kommen." Das letzte Kapitel heißt "Ich", und es ist das gelungenste, vielleicht, weil Kalle hier die angemaßte Kollektivperspektive aufgibt. Er berichtet von einer leisen Panik, die ihn angesichts des Verdachts überfällt, alles könnte nur ein Traum sein. Er klingelt in solchen Fällen bei den Nachbarn und beginnt ein Gespräch. Wieder opponiert damit die Figur gegen die Narration, deren Wirklichkeitssättigung Träumen schließlich nicht unähnlich ist: So erscheint die Provinz, ganz im alten Sinne, allmählich als Refugium, als Ort des Wahren im Falschen der Literatur.

Provinzprosa steht vor dem Problem, Stellung beziehen zu müssen. Entweder betont sie das Leiden an der Ödnis oder mit resignativem Stolz das Glück im Kleinen. Strasser - dagegen lässt sich nichts einwenden - legt ein Plädoyer für das Glück des "normalen" Lebens vor, doch ganz überzeugend wirkt das nicht, weil immer wieder die Gegenperspektive hineinspielt. Die Erzählung aus einem "vergessenen Winkel der Welt" ist grundiert mit Selbstmitleid, von dem sich das Lob der Ereignislosigkeit nur mühsam befreien kann. Distanzierend wirkt außerdem die jeden Informationsaustausch auf der Straße mitschneidende Sprache, in die sich Kalles Reflexionen und Kommentare einschalten wie ein Fußnotenapparat.

Die Betroffenheit des Ich-Erzählers und sein gleichzeitiger Anspruch, berichtend "beiseite" zu stehen, geraten einander oft unelegant in die Quere. Meistens löst er diese Bipolarität, indem er die Ansichten in konjunktivistische Großkonstruktionen aufbricht: "Bernd sagte, dass Barbara richtig aufgelebt sei, seit sie den Laden schmeiße. Ihr tue das richtig gut, die Arbeit, die Veranwortung . . ." Die ständige Sekundärvermittlung verstärkt nicht unbedingt das Interesse an dem ohnehin recht austauschbaren Personal des Romans. Die tägliche Not dieser Helden, sich der eigenen Existenz zu versichern, droht schließlich auf den Text selbst abzufärben und ihn kraftlos werden zu lassen.

ANJA HIRSCH

Johano Strasser: "Bossa Nova". Ein

Provinzroman. Pendo Verlag, München 2008. 171 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein Buch aus der "Tiefebene", urteilt Kristina Maidt-Zinke über Johano Strassers Roman über gepflegte Ereignislosigkeit mit Stammtisch und Zündapp. Damit spielt sie allerdings nicht so sehr auf das provinzielle Setting an, das "hochgradig verwechselbare" Personal, sondern vor allem auf die vertane Chance, dem Ganzen eine höhere Note zu verpassen. Der Wille dazu ist für die Rezensentin allerdings erkennbar. Allein die "Aura des Öden" scheint ihr zu stark, als dass sich der Autor aufschwingen könnte, sprachlich, komödiantisch oder eben metaphysisch - wie "zum Beispiel Eckhard Henscheid".

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