Einer der modernsten koreanischen Lyriker in den deutschen Nachdichtungen von Heinz Ludwig Arnold.Kim Kwang-Kyu gehört zu den meistgelesenen Dichtern Koreas. Sein 1979 erschienener Debütband, der zunächst von der Militärregierung verboten wurde, liegt inzwischen in der 20. Auflage vor. Die Gedichte Kim Kwang-Kyus sind geprägt durch einen an der Moderne geschulten unpathetischen, präzisen Ton und eine oft spielerisch lakonische Sprachbehandlung. Der Autor hat nach seinem Studium der Germanistik in Seoul für längere Zeit in Deutschland gelebt und u._a. Heine, Brecht und Eich ins Koreanische übersetzt. Seine Themen sind unbedingt heutige: die Möglichkeiten des Individuums in einer Welt der Entfremdung und der Naturzerstörung, das Zusammenleben der Generationen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2011Die blinkenden Chiffren des Tages
Der Koreaner Kim Kwang-Kyu stellt dem Planeten letzte Fragen
Der 1941 geborene koreanische Dichter, Kulturmittler und Germanist Kim Kwang-Kyu übersetzte Brecht, Heine und auch Eichs "Botschaften des Regens" ins Koreanische. Seine eigene Lyrik nannte er "Nachrichtenfragmente namens Gedichte". Kims sanfte Protestpoesie enthält Bilder der widerständigen Natur und verrätselte Sinnfragen.
Nach seinem zunächst von der Militärregierung verbotenen Erstlingswerk von 1979 "Der letzte Traum, der uns durchnässt" folgten bis heute acht weitere Gedichtbände. Die vorliegenden Verse entstammen hauptsächlich dem 2003 erschienenen vorletzten, sehr persönlichen Band "Bei der ersten Begegnung".
In Zyklen und Zirkelschlüssen des Alltags sucht Kim nach Resten von Identität, nach Beweisen des Menschseins und Urgründen des Glücks. Als Dichter der "Hangeul-Generation", die nach Jahrzehnten japanischer Kolonialherrschaft in koreanischen Hangeul-Schriftzeichen schrieb, und auch als Stimme der "April-Revolution" - 1960 beteiligte sich Kim an den Studentenprotesten gegen das diktatorische Regime Syngman Rhees - klingen in seiner Dichtung historische Sprachklitterungen und Manipulationen in die Gegenwart nach.
Nur noch selten sind bei Kim die politischen Bezüge so deutlich wie im Antikriegsgedicht "Der Han ist zugefroren". In Balladen wie "Geflüster" steht nunmehr der harten Ideologie ("Das Wort bewegt ein ganzes Regiment") das Flüstern als Sprache der Liebenden und Geräuschpegel der Lyrik gegenüber.
Wie in asiatischen Tuschebildern die Leerräume aufscheinen, sprechen bei Kim die Absencen: "In meine Dunkelheit fallen die unentwegt blinkenden Chiffren des Tages", heißt es in "Augen". "Nachts im Parkhaus", so der Titel eines anderen Gedichts, wenn "auch die Notbeleuchtung erlischt", sieht er darin ein "Skelett aus Beton". In "Ohren" dekliniert er sich, wenn etwa "der Westwind heulend um die Wolkenkratzer braust" durch "Variationen des Schweigens". Als letzte Steigerung der Sprachlosigkeit in der naturfernen Welt "verstummte das Schweigen". Erst im postmodernen Tod der Kommunikation erfährt das Individuum den Kosmos neu: "Nun möchte ich das Schweigen / der geduldigen Felsen Bäume Muscheln hören".
Als Erster führte Kim, der die revolutionäre Attitüde heute auf das Natürlich-Kreatürliche überträgt, den Umweltschutzgedanken in Koreas Literaturlandschaft ein. In Kims Ökolyrik finden sich so poesiefremde Themen wie Wegwerf-Gesellschaft ("Letzte Fragen"), Menschenwürde ("Kummerstadt") und Artenschutz.
Gedichte wie "Grüne Geschwindigkeit", "Pfingstrosenterritorium" oder "Botschaften vom grünen Planeten" entwerfen Visionen einer verselbständigten Natur, die die Evolutionsstufe des Niederträchtig-Menschlichen hinter sich lässt: "Meere und Wolken / Blumen und Bäume / werden uns überleben / deren Augen Nasen Münder Ohren / nichts mehr erkennen." Kim arbeitet mit einer Verschiebung der Horizonte und Verwirrung der Kategorien. So werfen in "Vogelzucht" die Spatzen "hin und wieder von draußen, nein, vom Fenster in den Käfig, nein, in unser Haus einen Blick".
Kims lyrischer Globalisierungskommentar verdichtet Einsamkeit und Verlust, erzählt vom schwindenden kulturellen Gedächtnis und ewigen Zuspätkommen ("Sonderzug in die Heimat"). So schreibt Kim über die "Bilder aus meinem Leben": "Ich bedaure nicht / sie nicht im Computer gespeichert zu haben / Nur ein falscher Klick und sie wären gelöscht ... Sicher sind sie nur in unserer Erinnerung / die allmählich verblasst."
Doch während sich der Dichter in den Widersprüchen der Moderne verstrickt und sich an ihnen in genüsslichem Leiden abarbeitet, bezieht er seine Hoffnung im Anblick der Generationen. Bei Kim geht das Motiv der verspielten Natur Hand in Hand mit der regenerativen Unschuld der Kinder. So heißt es in "Wo einmal das Gefängnis war": "Ihre vom abgebrochenen Leben bitteren Seelen / kehren nun früh im Jahr wieder / als Gräser und Blüten und Bäume ... Noch immer bewachen die Türme und Mauern den Ort / zwischen Kiefern Tannen Wacholder ... Vielleicht sind die Kinder dort / die ... sorglos einem Ball nachlaufen / die Nachkommen der Toten / wiedergeboren / um ihr abgebrochenes Spiel / zu vollenden."
STEFFEN GNAM
Kim Kwang-Kyu: "Botschaften vom grünen Planeten". Gedichte.
Aus dem Koreanischen von C. Heyong, B. Mersmann. Wallstein, Göttingen 2010. 96 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Koreaner Kim Kwang-Kyu stellt dem Planeten letzte Fragen
Der 1941 geborene koreanische Dichter, Kulturmittler und Germanist Kim Kwang-Kyu übersetzte Brecht, Heine und auch Eichs "Botschaften des Regens" ins Koreanische. Seine eigene Lyrik nannte er "Nachrichtenfragmente namens Gedichte". Kims sanfte Protestpoesie enthält Bilder der widerständigen Natur und verrätselte Sinnfragen.
Nach seinem zunächst von der Militärregierung verbotenen Erstlingswerk von 1979 "Der letzte Traum, der uns durchnässt" folgten bis heute acht weitere Gedichtbände. Die vorliegenden Verse entstammen hauptsächlich dem 2003 erschienenen vorletzten, sehr persönlichen Band "Bei der ersten Begegnung".
In Zyklen und Zirkelschlüssen des Alltags sucht Kim nach Resten von Identität, nach Beweisen des Menschseins und Urgründen des Glücks. Als Dichter der "Hangeul-Generation", die nach Jahrzehnten japanischer Kolonialherrschaft in koreanischen Hangeul-Schriftzeichen schrieb, und auch als Stimme der "April-Revolution" - 1960 beteiligte sich Kim an den Studentenprotesten gegen das diktatorische Regime Syngman Rhees - klingen in seiner Dichtung historische Sprachklitterungen und Manipulationen in die Gegenwart nach.
Nur noch selten sind bei Kim die politischen Bezüge so deutlich wie im Antikriegsgedicht "Der Han ist zugefroren". In Balladen wie "Geflüster" steht nunmehr der harten Ideologie ("Das Wort bewegt ein ganzes Regiment") das Flüstern als Sprache der Liebenden und Geräuschpegel der Lyrik gegenüber.
Wie in asiatischen Tuschebildern die Leerräume aufscheinen, sprechen bei Kim die Absencen: "In meine Dunkelheit fallen die unentwegt blinkenden Chiffren des Tages", heißt es in "Augen". "Nachts im Parkhaus", so der Titel eines anderen Gedichts, wenn "auch die Notbeleuchtung erlischt", sieht er darin ein "Skelett aus Beton". In "Ohren" dekliniert er sich, wenn etwa "der Westwind heulend um die Wolkenkratzer braust" durch "Variationen des Schweigens". Als letzte Steigerung der Sprachlosigkeit in der naturfernen Welt "verstummte das Schweigen". Erst im postmodernen Tod der Kommunikation erfährt das Individuum den Kosmos neu: "Nun möchte ich das Schweigen / der geduldigen Felsen Bäume Muscheln hören".
Als Erster führte Kim, der die revolutionäre Attitüde heute auf das Natürlich-Kreatürliche überträgt, den Umweltschutzgedanken in Koreas Literaturlandschaft ein. In Kims Ökolyrik finden sich so poesiefremde Themen wie Wegwerf-Gesellschaft ("Letzte Fragen"), Menschenwürde ("Kummerstadt") und Artenschutz.
Gedichte wie "Grüne Geschwindigkeit", "Pfingstrosenterritorium" oder "Botschaften vom grünen Planeten" entwerfen Visionen einer verselbständigten Natur, die die Evolutionsstufe des Niederträchtig-Menschlichen hinter sich lässt: "Meere und Wolken / Blumen und Bäume / werden uns überleben / deren Augen Nasen Münder Ohren / nichts mehr erkennen." Kim arbeitet mit einer Verschiebung der Horizonte und Verwirrung der Kategorien. So werfen in "Vogelzucht" die Spatzen "hin und wieder von draußen, nein, vom Fenster in den Käfig, nein, in unser Haus einen Blick".
Kims lyrischer Globalisierungskommentar verdichtet Einsamkeit und Verlust, erzählt vom schwindenden kulturellen Gedächtnis und ewigen Zuspätkommen ("Sonderzug in die Heimat"). So schreibt Kim über die "Bilder aus meinem Leben": "Ich bedaure nicht / sie nicht im Computer gespeichert zu haben / Nur ein falscher Klick und sie wären gelöscht ... Sicher sind sie nur in unserer Erinnerung / die allmählich verblasst."
Doch während sich der Dichter in den Widersprüchen der Moderne verstrickt und sich an ihnen in genüsslichem Leiden abarbeitet, bezieht er seine Hoffnung im Anblick der Generationen. Bei Kim geht das Motiv der verspielten Natur Hand in Hand mit der regenerativen Unschuld der Kinder. So heißt es in "Wo einmal das Gefängnis war": "Ihre vom abgebrochenen Leben bitteren Seelen / kehren nun früh im Jahr wieder / als Gräser und Blüten und Bäume ... Noch immer bewachen die Türme und Mauern den Ort / zwischen Kiefern Tannen Wacholder ... Vielleicht sind die Kinder dort / die ... sorglos einem Ball nachlaufen / die Nachkommen der Toten / wiedergeboren / um ihr abgebrochenes Spiel / zu vollenden."
STEFFEN GNAM
Kim Kwang-Kyu: "Botschaften vom grünen Planeten". Gedichte.
Aus dem Koreanischen von C. Heyong, B. Mersmann. Wallstein, Göttingen 2010. 96 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Steffen Gnam stellt uns den koreanischen Dichter und Germanisten Kim Kwang-Kyu als einen sehr engagierten Dichter vor, der von expliziten politischen Bezügen in seinen Gedichten aber schon lange Abstand genommen hat. In seinem jüngsten auf Deutsch erscheinenden Gedichtband wendet sich Kim allerdings Umweltfragen zu, und Rezensent Gnam scheint von diesem poetischen Programm nicht unbedingt überzeugt sein. "Ökolyrik", nennt er dies milde spöttelnd, oder auch "lyrischen Globalisierungskommentar", und meldet Zweifel an, ob Wegwerfmentalität und Artenschutz wirklich dankbare Themen für einen Poeten sind. Zu einem abschließenden Urteil über diesen Band kommt Gnam allerdings nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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