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Erschreckend hellsichtig
Wie eine Bombe schlägt bei der Tagung des Kulturbunds ARTEMIS auf dem Hotel-Schiff Brabant die Nachricht ein, in Rom ein Euro-Disney II zu errichten. Diese Schändung einer heiligen Stätte Europas kann nicht kampflos hingenommen. Die fünfzigköpfige Elite macht sich auf den Weg zum Pentagon, um dort ein Exempel ihres Protests zu statuieren.
»Mit Witz, Ironie und tieferer Bedeutung inszeniert Hans Pleschinski ein turbulentes Drama um das vielfach gespaltene europäische Seelenleben. Die Schiffsplanken verwandeln sich zur Weltbühne, umtost von Stürmen und erschüttert
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Produktbeschreibung
Erschreckend hellsichtig

Wie eine Bombe schlägt bei der Tagung des Kulturbunds ARTEMIS auf dem Hotel-Schiff Brabant die Nachricht ein, in Rom ein Euro-Disney II zu errichten. Diese Schändung einer heiligen Stätte Europas kann nicht kampflos hingenommen. Die fünfzigköpfige Elite macht sich auf den Weg zum Pentagon, um dort ein Exempel ihres Protests zu statuieren.

»Mit Witz, Ironie und tieferer Bedeutung inszeniert Hans Pleschinski ein turbulentes Drama um das vielfach gespaltene europäische Seelenleben. Die Schiffsplanken verwandeln sich zur Weltbühne, umtost von Stürmen und erschüttert von fundamentalen Fragen.« Der Spiegel

Ein utopisch-realistischer Kulturkrimi für alle, »die die Anspielungen und Seitenhiebe auf die Kulturschickeria von heute verstehen« (Focus); jetzt erstmals im Taschenbuch in einer vom Autor revidierten Neuausgabe.
Autorenporträt
Hans Pleschinski, geboren 1956 in Celle, studierte Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaften. Er lebt als freier Autor, Publizist und Theaterwissenschaftler in München. Sowohl für seine literarischen Werke als auch für die von ihm herausgegebenen und übersetzten historischen Bände erhielt er zahlreiche Preise. 2012 wurde er zum Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und zum Chevalier dans l'ordre des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 wurden ihm der Literaturpreis der Stadt München und der Niederrheinische Literaturpreis verliehen, 2020 der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.1995

Dampfnudel auf hoher See
Hans Pleschinski nimmt Kurs auf Amerika

In einer abgetakelten, als Hotel hergerichteten Fregatte machen sich die etwa fünfzig Mitglieder des "Europavereins Artemis", in dem sämtliche Nationen der Alten Welt vertreten sind, auf den Weg nach Washington, um den Kulturimperialismus und andere Sünden der Neuen Welt an Ort und Stelle zu bekämpfen. Auslöser des Abenteuers ist die Empörung der Artemis-Mitglieder über einen geplanten Disney-Park in der Nähe Roms. Die "Brabant", ein 1869 vom Stapel gelaufener Kongo-Fahrer der belgischen Flotte, ist nicht besonders seetüchtig. Trotzdem gelingt es den Verteidigern des Abendlandes, nach acht Wochen ihr Ziel zu erreichen. Sie fahren den Potomac hinauf und beschießen das Pentagon aus einer uralten Kanone.

Der Ansatz ist witzig und der Rahmen reizvoll. Vermutlich enthalten der Titel des Romans und der Name des Schiffs eine Anspielung auf Sebastian Brant, den Verfasser des ersten deutschen Bestsellers, der Verssatire "Das Narrenschiff" von 1494. In unserem modernen Narrenschiff sprühen die satirischen Funken nur selten. Glanz und Größe Europas werden beschworen, aber so fragmentarisch-ironisch, daß sich keine Zusammenhänge ergeben. Der historisch wie literarisch beschlagene, sogar gelehrte Autor segelt zwar mühelos in kulturgeschichtlichen Gewässern, doch die Schätze, die er aus ihnen zieht, fesseln nicht. Opern, Schlösser, Bücher und Heldentaten der Vergangenheit stehen wie Nippessachen im Raum - man fürchtet nur, sie umzustoßen. Der Leser findet kaum je einen Punkt, an dem er einhaken könnte.

1986 veröffentlichte Hans Pleschinski einen kurzen biographischen Roman ("Der Holzvulkan. Bericht einer Biographie") über den barocken Dichter Anton Ulrich von Braunschweig. Anton Ulrichs Romane erstrecken sich über mehrere tausend wiederkäuende Seiten und verwirren die Leser durch die Fülle von schlecht zu unterscheidenden Charakteren. Damals nahm Pleschinskis Erzähler diese Eigenschaften zur Kenntnis, aber nicht zum Vorbild. In dem vorliegenden Werk hingegen sind die irritierenden Aspekte des barocken höfischen Romans deutlich zu spüren. Eine Versammlung von zu vielen Menschen, die man von einem Kapitel zum anderen verwechselt, jagt auf zu vielen Seiten hinter einem gemeinsamen Ziel her, das sich erzählerisch nicht gut verarbeiten läßt: die Auseinandersetzung mit Amerika.

Der Autor unterrichtet den Leser mit fanatischer Genauigkeit über Alter der Damen und Herren, oft mehrmals auf derselben Seite. Es mutet wie ein nervöser Tick an, den ein Lektor dem Verfasser hätte ausreden sollen, wenn uns unerbittlich die achtundfünfzigjährige Webmeisterin aus Wilna, der dreiundachtzigjährige Athener Professor, der einundsechzigjährige Pfandleiher aus Utrecht vorgestellt wird. Man kann nicht umhin, den statistisch so entblößten Gestalten etwas mehr Datenschutz zu wünschen. Gelegentlich wird wirkliche Literatur zitiert, Prosa von Montaigne, Verse von Ingeborg Bachmann, und im Vergleich fällt Pleschinskis Sprache stark ab. Sein keineswegs sorgfältig geschriebenes Buch strotzt von stilistischen Wiederholungen.

Das Projekt dieses Romans ist so ehrgeizig wie das des "Zauberbergs". Hier wie dort eine internationale Gesellschaft, die das geistige Europa in der Krise, in nuce, im abgeschützten Raum, hier Schiff, dort Sanatorium, darstellt. Anders als der "Zauberberg", der ja als Novelle geplant war und sich zum Roman ausweitete, hätte diese Dampfnudel von einem Buch mit einem größeren Aufwand an straffer Konstruktion sich als Novelle vielleicht behaupten können. RUTH KLÜGER

Hans Pleschinski: "Brabant". Roman zur See. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 1995. 555 S., geb., 49,80 DM.

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