Ungewöhnliche, nicht ganz stimmige Kombination aus abgründigem Krimi und an Liebesgeschichten reichem Cozy Crime
Auf Ainos Spaziergang mit ihrem Hund Kramer am Morgen führt sie ihr Weg zur Königspforte an die Südspitze der Insel Suomenlinna. Dort macht Aino eine schreckliche Entdeckung, als sie
die vom Täter zur Schau gestellte Leiche eines ihr unbekannten Toten findet. Kriminalkommissar Jan…mehrUngewöhnliche, nicht ganz stimmige Kombination aus abgründigem Krimi und an Liebesgeschichten reichem Cozy Crime
Auf Ainos Spaziergang mit ihrem Hund Kramer am Morgen führt sie ihr Weg zur Königspforte an die Südspitze der Insel Suomenlinna. Dort macht Aino eine schreckliche Entdeckung, als sie die vom Täter zur Schau gestellte Leiche eines ihr unbekannten Toten findet. Kriminalkommissar Jan Leino vom zentralen Kriminalamt KRP nimmt die Ermittlungen in diesem grausamen Mord auf.
Zeitgleich zieht sich Saana Havas, die ihren Job verloren hat, für den Sommer in ihr Kindheitsparadies Hartola zurück. Während des Besuchs bei ihrer Tante Inkeri wird sie auf einen alten Fall aufmerksam. Vor dreißig Jahren starb die erst fünfzehn Jahre alte Helena Toivio. Weil der Fall bis heute ungeklärt ist, macht die nach True-Crime-Podcasts süchtige Saana diesen zu ihrem Projekt.
Brandmal wird von Elina Backman abwechslungsreich aus verschiedenen Perspektiven auf zwei Zeitebenen erzählt. Diese umfassen in der Gegenwart, womit Helsinki und Hartola im Jahr 2019 gemeint sind, neben der Sichtweise der Ermittler, zu denen Jan Leino vom KRP und Hobby-Detektivin Saana Havas zählen, auch die von Zeugen wie Aino Nieminen, die die Leiche am Strand findet. Ergänzt wird dies von der abgründigen Tätersicht, an der ich durch einen geschickten Schachzug der Autorin ganz nah dran gewesen bin, indem diese im Gegensatz zu den anderen Kapiteln nicht aus der dritten Person geschildert, sondern in der Ich-Form wiedergegeben wird. Zudem sind diese Kapitel nicht wie sonst mit Zeit- und Ortsangabe versehen, sondern nur mit "Ich" überschrieben. Die Vergangenheit, die im Jahr 1989 angesiedelt ist, nimmt im Vergleich zu den im Jahr 2019 spielenden Teilen zwar weniger Raum ein, umfasst aber ebenfalls unterschiedliche Sichtweisen. Diese beschreiben die Gedankengänge von Opfer Helena, aber auch die Sicht von Zeugen beispielsweise vom leidenschaftlichen Angler Harri Valkama, der eines Tages eine Tote aus dem Fluss fischt.
Brandmal lässt sich Zeit damit seine Figuren vorzustellen. Dabei konzentriert sich der Krimi nicht nur auf die Ermittlungen in den Mordfällen, sondern widmet sich auch dem Drama in deren Leben. Saana ringt mit der Leere in ihrem Alltag, als sie arbeitslos geworden ist, nachdem sie die Jahre zuvor stets zu viel gearbeitet hat. Glaubwürdig schildert die Autorin das Loch, in das Saana ohne ihren Job fällt, als sie nichts mit sich anzufangen weiß, außer sich in ihrem Bett zu verkriechen, Pizza zu essen und ihrer Leidenschaft für Krimis zu frönen. Das schöne Hartola, ihre Tante Inkeri und das Rätsel um den Tod von Helena holen Saana aber wieder ins Leben zurück. Die schwerste Last jedoch hat Jan zu tragen, seit seine Mutter ins Terhokoti-Hospiz verlegt wurde. Da ist seine Welt zusammengebrochen. Er kann kaum noch schlafen, nur die Arbeit lenkt ihn ab.
So stark das Brandmal als ruhig erzählter Krimi beginnt, dessen Intensität durch die Dramen im Leben der verschiedenen Figuren erzeugt wird, habe ich dessen Entwicklung als wenig überzeugend empfunden. Denn in seinem weiteren Verlauf rücken unterschiedliche Liebesgeschichten (u.a. von Saana) immer mehr in dessen Fokus und lassen diesen Krimi dabei seine durch dessen düstere Intensität gewonnene Spannung verlieren. Auch harmonieren die gegensätzlichen Teile dieses Krimis, der sich nicht entscheiden kann, ob er düsterer skandinavischer Thriller oder an Lokalkolorit aus der finnischen Provinz reicher Cozy Crime sein möchte, nicht gut miteinander. Stärker wäre dieser Auftakt der Saana Havas-Reihe ausgefallen, wenn Elina Backman auf die Cozy Crime-Elemente verzichtet, die Liebesgeschichten auf ein absolutes Minimum reduziert und stattdessen die eigentliche Handlung ihres abgründigen Krimis konsequent zu Ende erzählt hätte.
Die Auflösung des Brandmals isr zwar überraschend für mich gewesen, da ich einen der beiden letztlich enthüllten Täter erst kurz vor Schluss habe kommen sehen. Doch auch an dieser Stelle wäre weniger mehr gewesen. Denn die ersten Verdächtigen, die die Autorin einführt, bis sich diese dann als falsche Fährten entpuppen, sind für mich schlüssiger als der eigentliche Mörder gewesen. Um diesem Krimi aber noch die ein oder andere unerwartete Wendung zu geben, mussten nach und nach weitere Verdächtige aus dem Hut gezaubert werden. Zum Ende hin ist mir das insgesamt too much gewesen, wer denn da alles zufällig am letzten Abend von Helenas Leben in den entscheidenden Momenten vorbeigekommen ist und so die ganze Zeit um ihr Schicksal wusste. Ab einem gewissen Punkt habe ich das als unglaubwürdig empfunden. Ebenso wie den actiongeladenen Showdown, der spannend ausgefallen ist, aber auch nur dadurch ermöglicht wurde, dass sich die daran beteiligten Figuren konträr zu ihrer bisherigen Charakterisierung verhalten haben. Insgesamt hat das bei mir den Eindruck hinterlassen, dass die Autorin in ihrem ambitionierten Krimi Debüt zu viel auf einmal gewollt hat.