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Die AfD im Bundestag - das sind Brandreden und der ständige Versuch, das gesellschaftspolitische Klima anzuheizen. Die Partei nutzt die parlamentarische Bühne sehr bewusst, um über Provokation und Tabubruch ihrer Gefolgschaft zu beweisen, dass sie durch den Einzug in den Bundestag keineswegs zahmer geworden ist. Mit der Verächtlichmachung sogenannter »Kopftuchmädchen«, dem Vergleich von Migranten mit wilden Tieren, der Verachtung für den »Parteienstaat« oder der Ankündigung, politische Gegner hinter Gitter bringen zu wollen - immer wieder sorgt die AfD für Aufregung und verbreitet diese Reden…mehr

Produktbeschreibung
Die AfD im Bundestag - das sind Brandreden und der ständige Versuch, das gesellschaftspolitische Klima anzuheizen. Die Partei nutzt die parlamentarische Bühne sehr bewusst, um über Provokation und Tabubruch ihrer Gefolgschaft zu beweisen, dass sie durch den Einzug in den Bundestag keineswegs zahmer geworden ist. Mit der Verächtlichmachung sogenannter »Kopftuchmädchen«, dem Vergleich von Migranten mit wilden Tieren, der Verachtung für den »Parteienstaat« oder der Ankündigung, politische Gegner hinter Gitter bringen zu wollen - immer wieder sorgt die AfD für Aufregung und verbreitet diese Reden via Social Media an ein Massenpublikum. Hass, Hetze, Klimaleugnung, Corona-Verharmlosung und die Verbreitung von Verschwörungsmythen vom Pult des Parlaments bleiben gesellschaftlich nicht ohne Wirkung. Anders als ihre Selbstverharmlosung in Talkshows und Interviews zeigen die Brandreden im Bundestag das wahre Gesicht der Partei. Sie markieren das gesellschaftspolitische Ziel der fortschreitenden Verschiebung des Landes nach rechtsaußen.
Autorenporträt
Gerd Wiegel, Dr. phil., *1966, ist Referent der Bundestagsfraktion DIE LINKE für Rechtsextremismus/Antifaschismus. Er hat die Reden der AfD in der 19. Wahlperiode über vier Jahre für jede Parlamentswoche dokumentiert. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2022

Verschwörung, Volksgemeinschaft, Volkstod
Der Politologe Gerd Wiegel hat die Reden der AfD-Abgeordneten im Bundestag 2017 bis 2021 analysiert – außer rechter Rhetorik findet er auch Überraschendes
Die kommen nicht in den Bundestag, hieß es vor 2017. Die sind schnell wieder weg, wurde gesagt, als die AfD dann doch dabei war. Aber sie blieb. Nun ist oft zu hören, dass ihr Untergang begonnen habe. Als ob die ersten Misserfolge der Partei zwangsläufig deren Ende bedeuten würden.
Es ist verblüffend, wie stark Wunschdenken oft den politischen Blick prägt, und wie an Wünschen noch festgehalten wird, wenn die sich nicht erfüllen. Da kann zu mehr Realitätssinn verhelfen, wenn einer das Geschehen genau betrachtet. Das hat der linke Politologe Gerd Wiegel in den ersten vier Jahren der AfD im Bundestag gemacht. Als „Referent der Bundestagsfraktion der Linken für Rechtsextremismus/Antifaschismus“ verfolgte er Sitzungswoche um Sitzungswoche deren Auftritte und analysierte ihre Reden. Sein Buch „Brandreden“ enthält die Ergebnisse dieser gewiss freudlosen, aber wertvollen Arbeit – eine so beklemmende wie lehrreiche Lektüre kurz vor dem AfD-Bundesparteitag in Riesa, der wieder einmal als richtungsweisend gilt.
Wiegel ordnet die AfD-Auftritte ein, stets mit einem Verweis auf das Protokoll des Bundestags, wo jeder sie nachlesen kann. Seine linke Perspektive ist dabei immer präsent, oft unnötig deutlich. Dabei dokumentiert sein Buch die Bandbreite der zugleich einigen und disparaten Fraktion: vom völkischen Denken über die Klimapolitik, einem reaktionärem Geschichtsbild bis hin zur gezielten Herabsetzung von Frauen, wie sie der gern rüpelhafte Abgeordnete Stephan Brandner in der 230. Sitzung des Bundestags zeigte, als er sich darin gefiel, die Grüne Britta Haßelmann etwa ein halbes Dutzend mal als „Fräulein“ zu titulieren.
Dies ist ein Kompendium des rechten Grauens. Ein Blick ins Stichwortregister gibt eine Ahnung, was dem Bundestag durch von etwa sechs Millionen Bürgern gewählte Abgeordnete widerfährt, etwa unter den Buchstaben U und V, wo sich Stichworte wie Überfremdung, Umverteilung, Umvolkung, Vergewaltigung, Verschwörung, Volksgemeinschaft, Volkstod finden.
Die AfD-Fraktion ist, anders als zu ihrem Start prophezeit, keineswegs schnell, sondern gar nicht zerfallen. Nur wenige Abgeordnete verließen die Gruppe. Die anderen nutzten die Freiräume, die ihr von der nachlässigen Fraktionsspitze geboten wurden. Die Fraktionschefs Alexander Gauland und Alice Weidel verzichteten auf straffe Führung, um Brüche zu vermeiden.
So erlitt der Bundestag deren ganze Bandbreite, beginnend mit den ersten Sitzungen, nach denen Wiegel der AfD bescheinigt, dass sie als einzige Fraktion fast vollständig im Plenum anwesend war „und qua Präsenz eine gewisse Dominanz demonstriert“, mit „handwerklich relativ guten Reden“. Bald macht er sich Hoffnungen und notiert, dass es blamable Auftritte gebe, „Debatten gegen die AfD klar und deutlich gewonnen werden“ könnten. Als ob es um inhaltlichen Wettkampf ginge. Schnell stellt sich heraus, dass viele Reden sich nicht ans Parlament richten, sondern gehalten werden, um sie in sozialen Netzwerken der Anhängerschaft zu präsentieren.
Wiegel zeigt alle Facetten – etwa, wie sich neben dem völkischen Lager Teile der Fraktion in der Wirtschaftspolitik nahe der Union und der FDP verorten. „Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie wirklich Unternehmenspolitik machen wollen, dann schauen Sie nach rechts von Ihrer Fraktion“, warb im November 2019 der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk für sich: „Da sitzen vernünftige Wirtschaftsfachleute.“ In diesem rechten Nebeneinander haben viele Beobachter nur die mögliche Sprengkraft für den Zusammenhalt der AfD gesehen, nicht aber, dass Anhänger verschiedener rechter Lager bedient werden, manchmal zivil im Auftreten, oft extrem.
In seinem Fazit konstatiert Wiegel für die AfD eine „Stabilisierung mit unklaren Perspektiven“. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 lässt ihn nicht von einem schnellen Ableben der Partei träumen, „die in Ostdeutschland in der Größenordnung einer Volkspartei“ abschnitt. Zugleich sei die scheinbar ungebremste Wachstumsphase der Partei offensichtlich vorbei. Sie habe bei der Bundestagswahl 2021 nicht von den Verlusten der Union nicht profitieren können. Somit hat die radikalisierte AfD eine stabile Basis und schreckt zugleich bürgerlich konservative Wähler ab. Viel hängt nach Wiegels Einschätzung davon ab, ob sich die völkische Rechte und die Nationalkonservativen durch eine neue Führung integrieren lassen. Der Parteitag in Riesa dürfte dazu Zeichen setzen.
JENS SCHNEIDER
Gerd Wiegel:
Brandreden. Die AfD im Bundestag. Papyrossa-
Verlag, Köln 2022.
220 Seiten, 16,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Schneider folgt interessiert Gerd Wiegels Buch "Brandreden. Die AfD im Bundestag". Der linke Politologe analysiert darin mit ständigen Verweisen auf die für jede*n einsehbaren Protokolle, wie die AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag auftritt, erklärt Schneider. Die Ergebnisse dieser Analysen findet der Rezensent beklemmend und lehrreich, allerdings merkt er dem Autor die offensichtliche und durchgehend präsente linke Perspektive an. Man kann mit Blick auf das Fazit des Buchs jedenfalls gespannt sein, ob es der Partei gelingt, durch eine neue Führung auch noch die völkische Rechte und Nationalkonservativen zu integrieren, schließt der Rezensent.

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