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Der letzte Glücksfall für Deutschland Kanzler Adenauer lästerte öffentlich über Brandts uneheliche Geburt, Helmut Schmidt nannte ihn einen Scheißkerl, Herbert Wehner diktierte in Moskau den Journalisten in den Block, Brandt bade lau. Dieser üblen Treibjagd ist Willy Brandt erlegen. Viel zu früh. Was wir von diesem Hoffnungsträger für heute lernen könnten, zeigt einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen. Ein notwendiges Buch für Menschen, die sich noch eigene Gedanken machen. Gegen Willy Brandt lief Zeit seines Lebens eine Kampagne seiner politischen Gegner - mit üblen Methoden. Er wurde…mehr

Produktbeschreibung
Der letzte Glücksfall für Deutschland
Kanzler Adenauer lästerte öffentlich über Brandts uneheliche Geburt, Helmut Schmidt nannte ihn einen Scheißkerl, Herbert Wehner diktierte in Moskau den Journalisten in den Block, Brandt bade lau. Dieser üblen Treibjagd ist Willy Brandt erlegen. Viel zu früh. Was wir von diesem Hoffnungsträger für heute lernen könnten, zeigt einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen. Ein notwendiges Buch für Menschen, die sich noch eigene Gedanken machen.
Gegen Willy Brandt lief Zeit seines Lebens eine Kampagne seiner politischen Gegner - mit üblen Methoden. Er wurde trotzdem Bundeskanzler. Als sich einige seiner Parteifreunde dieser Hatz anschlossen, war er erledigt. Der Autor Albrecht Müller war 1972 verantwortlich für den Wahlkampf Willy Brandts und dann Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt bei Willy Brandt und Helmut Schmidt. Er hat die Treibjagd auf Brandt hautnah miterlebt.
Für Albrecht Müller ist klar: Trotz seiner nur viereinhalbjährigen Amtszeit als Bundeskanzler, hat Willy Brandt uns viel Gutes hinterlassen. Er war der Hoffnungsträger, dessen politische Botschaften und Methoden uns heute noch fehlen.
Autorenporträt
Albrecht Müller, 1938 in Heidelberg geboren, ist Diplom-Volkswirt, Bestsellerautor und Publizist. Er ist Mitherausgeber der NachDenkSeiten.
Nachdem er eine Lehre zum Industriekaufmann abschloss, folgte das Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Mannheim, Berlin, München und Nottingham. Nach seiner ersten Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität München, war er ab 1968 Redenschreiber des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller. Müller leitete Willy Brandts Wahlkampf 1972 und die Planungsabteilung unter Brandt und Schmidt, verlor seine Stellung als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt nach dem Wahlsieg von Helmut Kohl 1982. Er wurde freiberuflicher politischer und wirtschaftspolitischer Berater. Von 1985 bis 1986 beriet er den niedersächsischen SPD-Spitzenkandidaten Gerhard Schröder in dessen Wahlkampf. Nach der Bundestagswahl 1987, war Müller von 1987 bis 1994 für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestages.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2013

Geliebt, gejagt und unvergessen
Gegen Willy Brandt wurden immer Kampagnen geführt - auch aus Ost-Berlin, das ihn im Jahr 1972 aber rettete

Am 18. Dezember 2013 wäre Willy Brandt hundert Jahre alt geworden. An die in Lübeck geborene und in Unkel am 8. Oktober 1992 verstorbene Jahrhundertgestalt der Sozialdemokratie erinnern Unmengen von Publikationen und Medienbeiträgen. Viel Bekanntes wird wiederholt, hin und wieder auch eine ungewohnte Perspektive eingenommen oder manche neue Quelle gehoben - so wie in den hier vorzustellenden Büchern.

Zunächst hat ein 75 Jahre alter Zeitzeuge das Wort: Albrecht Müller war Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt unter Brandt und Helmut Schmidt. Für die SPD saß er von 1987 bis 1994 im Bundestag. Müller blickt zornig zurück auf die "Treibjagd", der Brandt während der Kanzlerschaft vom 22. Oktober 1969 bis zum 7. Mai 1974 ausgesetzt war: der "offenen" von den Unionsparteien und den "mit ihnen sympathisierenden rechtsnationalen Kräften aus Industrie und Wirtschaft" sowie "wesentlich verdeckter" in der SPD. Als Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im SPD-Parteivorstand erlebte der Brandt-Verehrer Müller im Frühjahr 1972, wie "einzelne Abgeordnete von SPD und FDP mit ihrem Mandat die Fronten gewechselt hatten"; nach dem gescheiterten konstruktiven Misstrauensvotum der Union gegen Brandt wurden Neuwahlen angesetzt. Schon vor dem Wahlsieg vom 19. November kam es zu Verwerfungen in der SPD, ausgelöst durch den Rücktritt des Superministers für Wirtschaft und Finanzen Karl Schiller Anfang Juli.

Zur Nachfolge Schillers fand sich Schmidt bereit, jedoch verknüpfte er die Zusage "mit der Forderung, dass Brandt seine unmittelbaren Mit- und Zuarbeiter, den Chef des Bundeskanzleramtes Horst Ehmke und den Regierungssprecher Conny Ahlers, aus seinem direkten Umfeld entlassen müsse". Brandt habe sich an die Zusage gehalten; im Gegenzug hätten Schmidt und vor allem der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner den Kanzler schlecht- und ihm das Regieren schwergemacht. Deren Brandt-Bild tradiere die Forschung: "Vielleicht tue ich einigen Historikern unrecht. Aber Geschichtsschreibung scheint mir heute vor allem als Wiederkäuen des Medienechos von damals." Daher passten Behauptungen über Brandts "angebliche Depression" und über den "Mythos Linksruck" ins Konzept der Treibjagd auf Brandt. Diese sei auch "eine Treibjagd gegen Offenheit und Liberalität, gegen frischen Wind und das Nachdenken, gegen Kreativität und Aufmüpfigkeit" gewesen, "eine Treibjagd gegen die inhaltlich programmatische Arbeit in den Parteien" - was bis heute nachwirke und "gute Leute" oft von der Politik abschrecke.

Ein weitgehend vergessenes Leben im Schatten Brandts führte die Linkssozialistin Gertrud Meyer - zu Unrecht, wie ihre mitfühlende Biographin Gertrud Lenz meint, weil Meyer im Auslandsstützpunkt Oslo der "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands" (SAP) die "engste Mitstreiterin" Brandts war. Meyer war nur wenige Monate jünger als Herbert Frahm. Mit ihm bekämpfte sie in Lübeck den aufkommenden Nationalsozialismus. Und mit ihm hoffte sie bis zum Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 "auf eine Abwendung der Nazi-Diktatur durch die Arbeiterbewegung". Auf einem illegalen SAP-Parteitag in Dresden im März - eine Woche nach den Reichstagswahlen - beschloss der linke Parteiflügel, in den Untergrund zu gehen und auf der Grundlage der "kommunistischen Prinzipien" den Sturz der Hitler-Diktatur herbeizuführen. Frahm reiste bereits als Willy Brandt nach Dresden; unter diesem Decknamen wirkte er in der Zeit seines Exils (der Antrag auf Namensänderung wurde 1949 offiziell vom Berliner Polizeipräsidenten genehmigt).

Anfang Mai 1933 wurde Meyer in Lübeck verhaftet, im Juni wieder entlassen. Ab Spätsommer war sie bei Brandt in Oslo. Ihr gelang es, eine gut dotierte Stelle "bei zwei der bedeutendsten nach Norwegen emigrierten österreichischen Mediziner und Psychoanalytiker", bei Otto Fenichel und Wilhelm Reich, zu erhalten. Auf Meyers "materielle Hilfe und menschliche Unterstützung" war Brandt angewiesen. Außerdem ging sie eine "Pass-Ehe" mit einem norwegischen Studenten ein; so konnte sie "als Norwegerin mit norwegischem Pass wichtige Aufgaben für die SAP übernehmen".

Die "Pass-Ehe" berührte die "Kameradschaftsehe" von Gertrud und Willy nicht; bis zu Meyers "berufsbedingter Ausreise" mit Reich in die Vereinigten Staaten im Mai 1939 lebten sie zusammen. Meyer war bei Kriegsbeginn in New York. Brandt floh einige Monate später wegen der deutschen Besetzung Norwegens nach Schweden. In seiner Korrespondenz mit Meyer verschwieg Brandt, dass er Weihnachten 1939 Carlota Thorkildsen kennengelernt hatte. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Ninja im Oktober 1940 zog die Norwegerin 1941 zu Brandt nach Stockholm. Im März 1942 brach der briefliche Kontakt zwischen Brandt und Meyer ab. Erst nach Kriegsende nahm Meyer wieder Verbindung mit ihm auf. Zwischenzeitlich hatte sich Brandt "in die 23jährige Norwegerin Rut Bergaust, geborene Hansen, verliebt", doch Meyer hoffte zunächst auf "eine Wiederaufnahme ihrer Partnerbeziehung" zu Brandt. Der heiratete 1948 Rut, während Gertrud einen norwegischen Kapitän ehelichte. Sie beobachtete Brandts Aufstieg und die Kampagnen gegen ihn von Oslo aus. Damals recherchierte der Publizist Hans Frederik zu Brandts Wirken im Exil in Skandinavien: "In der Publikation . . . da war auch ein Mädchen untersuchte Frederik unter dem Pseudonym Claire Mortensen die Rolle der Frauen in Brandts Leben, darunter auch Brandts Beziehung zu Gertrud Meyer. Er warf in diesem Buch Brandt vor, die Frauen, die ihn liebten, auszubeuten und zu benutzen. Es gelang ihm jedoch trotz aller Bemühungen auch vor Ort in Oslo nicht, die Identität Gertrud Meyers zu ermitteln, die er in dieser Publikation ,Gertrud Grewe' nannte."

Die auf Brandt bezogenen Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) schildert gekonnt Daniela Münkel. Der Frontstadtbürgermeister im Westteil Berlins war dem SED-Regime ein Dorn im Auge. Doch gelang es dem MfS nicht, für die Exilzeit "irgendwelche Kontakte Brandts, direkter oder indirekter Art, zur Gestapo nachzuweisen". Während des Bundestagswahlkampfes 1961 schreckte die SED nicht davor zurück, im Westen "die politische Rechte zu munitionieren". Schlüsselfiguren waren der bayerische katholisch-konservative Verleger Hans Kapfinger und der schon erwähnte Frederik, der wahrscheinlich für Stasi und KGB tätig war. Ost-Berlin versorgte Frederik mit Material für die Schmähschrift " . . . da war auch ein Mädchen".

In den folgenden Jahren änderte sich wegen der Entspannungspolitik die Einstellung der SED zu Brandt. Zweimal beeinflusste Ost-Berlin - "einmal gewollt und einmal ungewollt" - Brandts weiteren Werdegang. Am 25. April 1972, als der Antrag auf Abwahl im Bundestag gestellt wurde, war die SED-Führung offensichtlich entschlossen, mittels MfS "die nötigen Stimmen für Brandt zu kaufen oder hatte sie bereits gekauft". Dies wurde laut einer DDR-Aufzeichnung dem Kanzler-Intimus Egon Bahr eröffnet, der jedoch im Rückblick nur "missverständliche oder falsche Darstellungen" in der DDR-Quelle ausmacht. Zwei Tage später scheiterte das Misstrauensvotum. Wegen der Kürze der Zeit habe die Stasi laut Münkel nur Personen angesprochen, "zu denen sie im Vorfeld eine - wie auch immer geartete - Verbindung hatte": Der eine war Julius Steiner (CDU), der andere wohl Leo Wagner (CSU).

Anders als bei dieser "Rettungsaktion" sah es im Frühjahr 1974 aus. Die Aufdeckung des DDR-Spions Guillaume und der Rücktritt Brandts vom Amt des Kanzlers "waren für das MfS so etwas wie ein geheimdienstlicher Super-GAU". Brandt habe "zeitlebens Herbert Wehner im Pakt mit der DDR verdächtigt, eine zentrale Rolle bei seinem Rücktritt gespielt zu haben. Posthum versuchten Brigitte Seebacher und Egon Bahr diese These zu untermauern." Einen Beweis dafür gibt es bis heute nicht, so Münkel. Immerhin war Brandt auch Gegenstand der MfS-Inlandsberichterstattung. Nach dem "Trauma von Erfurt" 1970 mit Jubelrufen auf den Gast aus Bonn kam es der Stasi bei Brandts DDR-Besuchen 1981, 1985 und 1988 darauf an, Begegnungen mit der Bevölkerung zu verhindern. Willy Brandt war nämlich, wie Münkel resümiert, für viele DDR-Bürger "Projektionsfläche für Erwartungen und Wünsche, die politischen Sprengstoff bargen. So wurde die Entspannungspolitik, die den SED-Machthabern die lang ersehnte Anerkennung ihres Staates gebracht hatte, ein destabilisierendes Element, dessen Wirkungen die Stasi langfristig nicht unter Kontrolle brachte."

RAINER BLASIUS

Albrecht Müller: Brandt aktuell. Treibjagd auf einen Hoffnungsträger. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2013. 158 S., 12,99 [Euro].

Gertrud Lenz: Gertrud Meyer. Ein politisches Leben im Schatten Willy Brandts. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2013. 394 S., 39,90 [Euro].

Daniela Münkel: Kampagnen, Spione, geheime Kanäle. Die Stasi und Willy Brandt. Schriftenreihe des Bundesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen, Berlin 2013. 83 S., Schutzgebühr 2,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Franziska Augstein lässt sich die Streitlust des alten Sozialdemokraten Albrecht Müller gern gefallen, der mit dieser Schrift an Willy Brandt erinnert und ihn zu einem Vertreter linker Politik münzt. Müller war zu Brandts Zeiten Pressesprecher der SPD und ihr Wahlkampfmanager und er legt, wie die Rezensentin berichtet, großen Wert darauf, dass Brandt nicht nur erfolgreich in der Außenpolitik agiert habe, sondern auch in der Innenpolitik. Die Rezensentin sieht das ganz ähnlich und findet auch den Seitenhieb auf Historiker ganz gerechtigfertigt, die sich mit dem "Wiederkäuen des Medienechos von damals" begnügten, wie sie Müller zitiert. Augstein lernt von Müller -  und Brandt -, dass weder der paternalistische Obrigkeitsstaat noch eine Politik, die allein die "Oberschicht" bedient, einer Gesellschaft zuträglich ist.

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