"Die reiche Geschichte, die noch reichhaltigere Kultur, die ebenso friedlichen wie freundlichen Menschen, die exotische Natur: Wenige Länder begeistern Zweig so sehr, wie jener riesige Staat in Südamerika, den er immer wieder bereist. Mit großen Scharfsinn sagt er dem Land seine Zukunft voraus." Redaktion Gröls-Verlag (Edition Werke der Weltliteratur)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2013Der Zauber Rio de Janeiros
Brasilien ist das Partnerland der Buchmesse. Stefan Zweig prophezeite den Südamerikanern schon 1941 eine große Karriere
VON DENNIS KREMER
Warum ein Buch lesen, das hoffnungslos veraltete Wirtschaftsdaten enthält? Und das es überdies mit historischen Fakten nicht an allen Stellen so genau nimmt. Die Antwort ist einfach: Weil dieses Buch von einem der großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts verfasst wurde - vom Österreicher Stefan Zweig (1881 bis 1942). Und weil es weitblickend und klar den Aufstieg eines Staates vorgezeichnet hat, der heute ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit rückt: Brasilien.
Das größte Land Südamerikas, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, zählt heute zum Kreis der großen Wirtschaftsnationen: Es richtet 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft aus, 2016 dann die Olympischen Spiele und ist mittlerweile die sechstgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch als Zweig im Jahr 1941 sein Buch abschloss, gab es kaum Hinweise darauf, welch enormen ökonomischen Aufstieg Brasilien Jahrzehnte später erleben würde. Insofern ist der Titel, den der Schriftsteller für sein Werk wählte, hellsichtig zu nennen: "Brasilien. Ein Land der Zukunft." Stärken wie der Rohstoffreichtum, aber auch Schwächen wie die kaum ausgebaute Infrastruktur - vieles von dem, was Brasilien heute noch kennzeichnet, hat Zweig in seinem Werk vorweggenommen. Entstanden ist eine spannende Mischung aus Reiseeindrücken, Landschaftsbeschreibungen und einem konzentrierten Blick auf Wirtschaft, Geschichte und Kultur des Landes. Natürlich ist manches in der Zwischenzeit veraltet. Doch selbst heute, mehr als siebzig Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung, gibt es noch immer kein deutschsprachiges Buch, das besser mit den Wurzeln und Eigenarten Brasiliens bekannt macht als dieses. Zumal Stefan Zweigs Sprachkunst das Ganze zu einem Lesegenuss macht, den kein Geschichtsbuch und schon gar kein Reiseführer bieten kann.
Wie aber kam es dazu, dass sich einer der bekanntesten österreichischen Schriftsteller ("Schachnovelle") ausgerechnet an ein Buch über das so ferne Brasilien heranwagte? Anfang 1936 - Zweig war mit seiner Familie vor dem Schrecken der Nationalsozialisten längst nach London geflohen - erhielt er die Einladung, an einem Kongress der Schriftstellervereinigung Pen teilzunehmen. In Argentinien zwar, aber auch verbunden mit einem Abstecher nach Brasilien. "Meine Erwartungen waren nicht sonderlich groß", schreibt der Österreicher, "irgendeine der südamerikanischen Republiken mit heißem, ungesundem Klima." Dann aber reiste er nach Rio de Janeiro - und zeigte sich fasziniert und tief erschüttert von der Metropole. "Die Schönheit dieser Stadt, dieser Landschaft lässt sich wirklich kaum wiedergeben." Rio ließ ihn nach diesem Besuch nicht mehr los: Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wanderte Zweig gemeinsam mit seiner zweiten Frau nach Brasilien aus.
Zweig studierte nun die Geschichte und Wirtschaft des Landes von Grund auf und zeigte sich davon so begeistert, dass er beiden Themen den größten Umfang in seinem Buch einräumt. Detailliert beschreibt er das wohl wichtigste Ereignis in der Wirtschaftsgeschichte Brasiliens: Im Jahr 1808 floh der gesamte portugiesische Königshof vor den heranrückenden Truppen Frankreichs nach Brasilien. Es war zugleich das erste Mal, dass ein europäischer Herrscher leibhaftig eine seiner Kolonien besuchte (Brasilien gehörte seit dem Jahr 1500 zu Portugal). Die Ankunft des Königs Dom João VI mit 15 000 Personen in seinem Gefolge löste einen Wirtschaftsboom aus: War Brasilien bislang nur entfernte Kolonie gewesen, wurde es mit einem Mal zum Handelszentrum der portugiesischen Krone.
Kenntnisreich beschreibt der Schriftsteller auch das Auf und Ab der wirtschaftlichen Zyklen, die in Brasilien stets an die Entwicklung der Rohstoffpreise gekoppelt waren: Erst ist es das Holz, dann das Gold, dann der Zucker und dann der Kaffee, die Brasilien zu Einnahmen verhelfen. Schon damals stellt Zweig fest, was bis heute gilt: "Brasilien benötigt immer Krisen, um seine Wirtschaft zu energischer Umstellung zu erziehen." Gleichzeitig lässt er sich mitreißen vom enormen Tempo, in dem das Land wächst: "Die Stunde hat hier mehr Minuten als bei uns in Europa." Auch wenn Zweig an manchen Stellen die Dinge sicher zu schön zeichnet, zu sehr ins Schwärmerische verfällt: sein Werk ist ein unverzichtbares Buch für Brasilien-Liebhaber und für alle, die es werden wollen.
Stefan Zweig: Brasilien - Ein Land der Zukunft. Insel, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Brasilien ist das Partnerland der Buchmesse. Stefan Zweig prophezeite den Südamerikanern schon 1941 eine große Karriere
VON DENNIS KREMER
Warum ein Buch lesen, das hoffnungslos veraltete Wirtschaftsdaten enthält? Und das es überdies mit historischen Fakten nicht an allen Stellen so genau nimmt. Die Antwort ist einfach: Weil dieses Buch von einem der großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts verfasst wurde - vom Österreicher Stefan Zweig (1881 bis 1942). Und weil es weitblickend und klar den Aufstieg eines Staates vorgezeichnet hat, der heute ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit rückt: Brasilien.
Das größte Land Südamerikas, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, zählt heute zum Kreis der großen Wirtschaftsnationen: Es richtet 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft aus, 2016 dann die Olympischen Spiele und ist mittlerweile die sechstgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch als Zweig im Jahr 1941 sein Buch abschloss, gab es kaum Hinweise darauf, welch enormen ökonomischen Aufstieg Brasilien Jahrzehnte später erleben würde. Insofern ist der Titel, den der Schriftsteller für sein Werk wählte, hellsichtig zu nennen: "Brasilien. Ein Land der Zukunft." Stärken wie der Rohstoffreichtum, aber auch Schwächen wie die kaum ausgebaute Infrastruktur - vieles von dem, was Brasilien heute noch kennzeichnet, hat Zweig in seinem Werk vorweggenommen. Entstanden ist eine spannende Mischung aus Reiseeindrücken, Landschaftsbeschreibungen und einem konzentrierten Blick auf Wirtschaft, Geschichte und Kultur des Landes. Natürlich ist manches in der Zwischenzeit veraltet. Doch selbst heute, mehr als siebzig Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung, gibt es noch immer kein deutschsprachiges Buch, das besser mit den Wurzeln und Eigenarten Brasiliens bekannt macht als dieses. Zumal Stefan Zweigs Sprachkunst das Ganze zu einem Lesegenuss macht, den kein Geschichtsbuch und schon gar kein Reiseführer bieten kann.
Wie aber kam es dazu, dass sich einer der bekanntesten österreichischen Schriftsteller ("Schachnovelle") ausgerechnet an ein Buch über das so ferne Brasilien heranwagte? Anfang 1936 - Zweig war mit seiner Familie vor dem Schrecken der Nationalsozialisten längst nach London geflohen - erhielt er die Einladung, an einem Kongress der Schriftstellervereinigung Pen teilzunehmen. In Argentinien zwar, aber auch verbunden mit einem Abstecher nach Brasilien. "Meine Erwartungen waren nicht sonderlich groß", schreibt der Österreicher, "irgendeine der südamerikanischen Republiken mit heißem, ungesundem Klima." Dann aber reiste er nach Rio de Janeiro - und zeigte sich fasziniert und tief erschüttert von der Metropole. "Die Schönheit dieser Stadt, dieser Landschaft lässt sich wirklich kaum wiedergeben." Rio ließ ihn nach diesem Besuch nicht mehr los: Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wanderte Zweig gemeinsam mit seiner zweiten Frau nach Brasilien aus.
Zweig studierte nun die Geschichte und Wirtschaft des Landes von Grund auf und zeigte sich davon so begeistert, dass er beiden Themen den größten Umfang in seinem Buch einräumt. Detailliert beschreibt er das wohl wichtigste Ereignis in der Wirtschaftsgeschichte Brasiliens: Im Jahr 1808 floh der gesamte portugiesische Königshof vor den heranrückenden Truppen Frankreichs nach Brasilien. Es war zugleich das erste Mal, dass ein europäischer Herrscher leibhaftig eine seiner Kolonien besuchte (Brasilien gehörte seit dem Jahr 1500 zu Portugal). Die Ankunft des Königs Dom João VI mit 15 000 Personen in seinem Gefolge löste einen Wirtschaftsboom aus: War Brasilien bislang nur entfernte Kolonie gewesen, wurde es mit einem Mal zum Handelszentrum der portugiesischen Krone.
Kenntnisreich beschreibt der Schriftsteller auch das Auf und Ab der wirtschaftlichen Zyklen, die in Brasilien stets an die Entwicklung der Rohstoffpreise gekoppelt waren: Erst ist es das Holz, dann das Gold, dann der Zucker und dann der Kaffee, die Brasilien zu Einnahmen verhelfen. Schon damals stellt Zweig fest, was bis heute gilt: "Brasilien benötigt immer Krisen, um seine Wirtschaft zu energischer Umstellung zu erziehen." Gleichzeitig lässt er sich mitreißen vom enormen Tempo, in dem das Land wächst: "Die Stunde hat hier mehr Minuten als bei uns in Europa." Auch wenn Zweig an manchen Stellen die Dinge sicher zu schön zeichnet, zu sehr ins Schwärmerische verfällt: sein Werk ist ein unverzichtbares Buch für Brasilien-Liebhaber und für alle, die es werden wollen.
Stefan Zweig: Brasilien - Ein Land der Zukunft. Insel, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»eine unvergleichliche Homage an Brasilien und seine Menschen«
»Sein Werk ist ein unverzichtbares Buch für Brasilien-Liebhaber und für alle, die es werden wollen.« Dennis Kremer Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20131006