Produktdetails
- rororo Taschenbücher
- Verlag: Rowohlt TB.
- Seitenzahl: 253
- Abmessung: 190mm
- Gewicht: 168g
- ISBN-13: 9783499230455
- ISBN-10: 3499230453
- Artikelnr.: 09566553
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2001Freiheit und/oder Gleichheit
Rudolf Hickel ruft nach einer anderen Wirtschaftspolitik
Rudolf Hickel/Frank Strickstrock (Herausgeber): Brauchen wir eine andere Wirtschaft? Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2001, 254 Seiten, 17,41 DM.
Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel ist ein keynesianisches Fossil. Er hat ein gar simples Feindbild, den sogenannten Neoliberalismus, und er betreibt Ökonomie gern im Kopfstand. So auch in diesem Buch. Der Leser sei gewarnt: Dieser Kopfstand ist bisweilen schwindelerregend. Die Lektüre ist nur angeraten, wenn man eine gewisse Lust dabei empfindet, nach dem Konstruktionsprinzip verquerer Logik zu forschen. Ein wenig billige Ideologie muß man dabei allerdings aushalten.
Zunächst macht Hickel seinem generellen Unbehagen Luft. Er konstatiert fatale Folgen der Unterordnung der Politik unter das Diktat der globalisierten Wirtschaft: "im Trend abnehmendes Wirtschaftswachstum, wachsende Sockelarbeitslosigkeit, soziale Spaltung zwischen Arm und Reich, ökologische Lasten und vieles mehr". Es folgt der Ruf nach einem neuen Primat der Politik über die Wirtschaft, mit klaren Schwerpunkten: Kampf gegen Arbeitslosigkeit, ökologisch ausgerichtete Stärkung des Wachstums, soziale Gerechtigkeit, ökologischer Umbau, Fortführung der sozial-ökonomischen Transformation Ostdeutschlands, Stärkung der EU, Mindeststandards. So vage klingt das alles noch erträglich; im Detail sträuben sich dem Leser die Haare, etwa wenn Hickel unbeirrt dem Umlageverfahren zur Altersvorsorge das Wort redet.
Der Ansatz ist betont konstruktivistisch: "Es gibt genügend Möglichkeiten, auf die Zukunft unseres Wirtschaftens gestaltend und umgestaltend Einfluß zu nehmen." Gregor Gysi sieht das ähnlich. In gewohnt vergnüglicher Perfidie führt er einen ideologischen Dreisatz vor: "Der Neoliberalismus trennt Freiheit und Gleichheit, wie es unter umgekehrten Vorzeichen auch der Marxismus-Leninismus getan hat. Ersterer behauptet, daß Freiheit nur um den Preis des Verzichts auf soziale Gleichheit zu haben sei, letzterer, daß mehr soziale Gleichheit nur bei starker Reduktion von individuellen Freiheitsrechten möglich sei. Demgegenüber hat die demokratische Linke immer den untrennbaren Zusammenhang von Freiheit und Gleichheit betont."
Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Präsident der Bundestags-Enquetekommission "Globalisierung", gibt sich in diesem Zusammenhang so auf- wie abgeklärt: "Leistungsprinzip, Freiheit vom Staatsleviathan, Freiheit der Entfaltung des einzelnen, das sind alles Ideale. Die Wirklichkeit ist anders." Ohne normative Rahmensetzungen könne man nicht leben. Die einzige Frage sei: "Wieviel Freiheit kann man dabei sichern und zusätzlich schaffen?" Freiheit als bloßes Sekundärziel - das wäre bitter.
Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Premierminister, dient mit seinem Plädoyer "Europa braucht soziale Regeln" wohl nur als regierungsamtliches Schmuckstück der Herausgeber, der Schweizer Publizist Jean Ziegler als widerborstiger Exot. Was der Ruf des Ökonomen Wilhelm Hankel nach einer rechtlichen Gleichstellung von Arbeit und Kapital soll, ist unklar. Hilfreich ist allein der Beitrag von Lothar Späth. Mehr als 40 Prozent der Mittelständler fühlten sich vom globalen Wettbewerb unter Druck gesetzt, berichtet er, während 40 Prozent Chancen witterten. Die Schlußfolgerung: "Hier besteht Aufklärungsbedarf!" Man weiß, daß er das aufmunternd meint. Den Staat sähe Späth gern auf dem Rückzug: "Eine überbordende Bürokratie, starres Verwaltungshandeln und eine Vielzahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften lähmen oft jeden unternehmerischen Tatendrang." Recht hat er.
KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rudolf Hickel ruft nach einer anderen Wirtschaftspolitik
Rudolf Hickel/Frank Strickstrock (Herausgeber): Brauchen wir eine andere Wirtschaft? Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2001, 254 Seiten, 17,41 DM.
Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel ist ein keynesianisches Fossil. Er hat ein gar simples Feindbild, den sogenannten Neoliberalismus, und er betreibt Ökonomie gern im Kopfstand. So auch in diesem Buch. Der Leser sei gewarnt: Dieser Kopfstand ist bisweilen schwindelerregend. Die Lektüre ist nur angeraten, wenn man eine gewisse Lust dabei empfindet, nach dem Konstruktionsprinzip verquerer Logik zu forschen. Ein wenig billige Ideologie muß man dabei allerdings aushalten.
Zunächst macht Hickel seinem generellen Unbehagen Luft. Er konstatiert fatale Folgen der Unterordnung der Politik unter das Diktat der globalisierten Wirtschaft: "im Trend abnehmendes Wirtschaftswachstum, wachsende Sockelarbeitslosigkeit, soziale Spaltung zwischen Arm und Reich, ökologische Lasten und vieles mehr". Es folgt der Ruf nach einem neuen Primat der Politik über die Wirtschaft, mit klaren Schwerpunkten: Kampf gegen Arbeitslosigkeit, ökologisch ausgerichtete Stärkung des Wachstums, soziale Gerechtigkeit, ökologischer Umbau, Fortführung der sozial-ökonomischen Transformation Ostdeutschlands, Stärkung der EU, Mindeststandards. So vage klingt das alles noch erträglich; im Detail sträuben sich dem Leser die Haare, etwa wenn Hickel unbeirrt dem Umlageverfahren zur Altersvorsorge das Wort redet.
Der Ansatz ist betont konstruktivistisch: "Es gibt genügend Möglichkeiten, auf die Zukunft unseres Wirtschaftens gestaltend und umgestaltend Einfluß zu nehmen." Gregor Gysi sieht das ähnlich. In gewohnt vergnüglicher Perfidie führt er einen ideologischen Dreisatz vor: "Der Neoliberalismus trennt Freiheit und Gleichheit, wie es unter umgekehrten Vorzeichen auch der Marxismus-Leninismus getan hat. Ersterer behauptet, daß Freiheit nur um den Preis des Verzichts auf soziale Gleichheit zu haben sei, letzterer, daß mehr soziale Gleichheit nur bei starker Reduktion von individuellen Freiheitsrechten möglich sei. Demgegenüber hat die demokratische Linke immer den untrennbaren Zusammenhang von Freiheit und Gleichheit betont."
Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Präsident der Bundestags-Enquetekommission "Globalisierung", gibt sich in diesem Zusammenhang so auf- wie abgeklärt: "Leistungsprinzip, Freiheit vom Staatsleviathan, Freiheit der Entfaltung des einzelnen, das sind alles Ideale. Die Wirklichkeit ist anders." Ohne normative Rahmensetzungen könne man nicht leben. Die einzige Frage sei: "Wieviel Freiheit kann man dabei sichern und zusätzlich schaffen?" Freiheit als bloßes Sekundärziel - das wäre bitter.
Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Premierminister, dient mit seinem Plädoyer "Europa braucht soziale Regeln" wohl nur als regierungsamtliches Schmuckstück der Herausgeber, der Schweizer Publizist Jean Ziegler als widerborstiger Exot. Was der Ruf des Ökonomen Wilhelm Hankel nach einer rechtlichen Gleichstellung von Arbeit und Kapital soll, ist unklar. Hilfreich ist allein der Beitrag von Lothar Späth. Mehr als 40 Prozent der Mittelständler fühlten sich vom globalen Wettbewerb unter Druck gesetzt, berichtet er, während 40 Prozent Chancen witterten. Die Schlußfolgerung: "Hier besteht Aufklärungsbedarf!" Man weiß, daß er das aufmunternd meint. Den Staat sähe Späth gern auf dem Rückzug: "Eine überbordende Bürokratie, starres Verwaltungshandeln und eine Vielzahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften lähmen oft jeden unternehmerischen Tatendrang." Recht hat er.
KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Karen Horn ergreift Partei. Und zwar für Lothar Späth, dessen Beitrag die Rezensentin für den einzig sinnvollen in dem Sammelband des Bremer Ökonomen Rudolf Hickel hält. Späth fordert darin mehr Freiheit für die Wirtschaft, gerade mehr Loslösung von der Bürokratie des Staates sei notwenig, um dem Mittelstand das Überleben zu sichern. Dem stimmt Horn voll zu. Sämtliche anderen Beiträge, die Kritik an der neoliberalen Globalisierung üben, erscheinen Horn schlicht weltfremd. Der Schweizer Publizist, Soziologie-Professor und UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, sei ein "widerborstiger Exot", Ernst-Ulrich von Weizsäckers Engagement für mehr Regulierung vor Freiheit sei "bitter", der luxenburgische Premier Jean-Claude Juncker mit seinem Plädoyer für soziale Regeln in der EU sei lediglich ein "regierungsamtliches Schmuckstück", Rudolf Hickel schließlich ein "keynesianisches Fossil". Warum das vielleicht zutreffen könnte - diese Ausführungen bleibt uns die Rezensentin schuldig. Argumente sind in ihrer polemischen Kritik sichtlich nicht gefragt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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