Meine ersten Erinnerungen an Bertolt Brecht sind mit einem Lesebuch verbunden, das ich Anfang der siebziger Jahre im Foyer der Arbeiterkammer Vöcklabruck erstand. Es handelte sich dabei um ein in Kommunistenkreisen gern gelesenes Buch, das in der Sowjetunion gedruckt worden war und in erster Linie jene Texte enthielt, die Brecht als strammen Dichter des Proletariats auswiesen. Brechts späte Abrechnung mit Josef Stalin oder seine erotischen und pornographischen Gedichte hatten in diesem Sammelband ebensowenig Platz wie seine skeptischen Aufzeichnungen über die Entwicklung in der DDR oder seine Konflikte mit Teilen des kommunistischen Parteiapparats.Ich bin mir ziemlich sicher, daß diesem Buch als Motto Brechts berühmtes Gedicht 'Fragen eines lesenden Arbeiters' vorangestellt war. Da mein Vater als Arbeiter sozusagen Subjekt dieses Gedichts war, las ich ihm einmal in unserer Küche in Timelkam diesen Text vor, in der Hoffnung, ihn für die Anliegen des internationalen Proletariats zugewinnen. Meinen Vater ließ dieses Gedicht allerdings ziemlich kalt und er empfahl mir dringend, mich lieber meinem Studium zu widmen, als ihn mit solchem 'Blödsinn' zu belästigen. Diese Reaktion bestätigte meine Befürchtungen, daß auch er bereits ein ideologisches Opfer der Sozialpartnerschaftspolitik in Österreich geworden war und sich mehr für Garagentore und Balkongeländer als für den Klassenkampf interessierte.Selbstverständlich ließ ich mich von solchen marginalen Rückschlägen nicht davon abhalten, mich weiterhin aktiv im Kommunistischen Studentenverband in Salzburg zu betätigen und mich dem Studium der Werke Brechts zu widmen.
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