Der Beitrag des Eulenspiegel Verlages zum Brecht-Jubiläum (125. Geb.) ist eine erweiterte Neuausgabe des Titels "Brechts Lai-tu", der bereits 1987 im Verlag und zwei Jahre zuvor bei Luchterhand erschienen war. Lai-tu, so nannte Brecht seine langjährige Mitarbeiterin und enge Vertraute Ruth Berlau
(1906-1974). Im Sommer 1933 begegnete die dänische Schriftstellerin und Schauspielerin erstmals…mehrDer Beitrag des Eulenspiegel Verlages zum Brecht-Jubiläum (125. Geb.) ist eine erweiterte Neuausgabe des Titels "Brechts Lai-tu", der bereits 1987 im Verlag und zwei Jahre zuvor bei Luchterhand erschienen war. Lai-tu, so nannte Brecht seine langjährige Mitarbeiterin und enge Vertraute Ruth Berlau (1906-1974). Im Sommer 1933 begegnete die dänische Schriftstellerin und Schauspielerin erstmals Brecht, der mit seiner Frau Helene Weigel nach Dänemark geflohen war. Zwei Jahre später war sie seine Geliebte. Von nun an war sie voll integriert in Brechts Stab von Mitarbeiterinnen. Sie organisierte den Alltag, fotografierte die Proben und Aufführungen, schrieb und inszenierte seine Dramen. Als Brecht über Schweden, Finnland und die Sowjetunion in die USA floh und nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, war Ruth Berlau immer dabei. Zurück in Deutschland, gründeten Weigel und Brecht 1948 das „Berliner Ensemble“. Berlau, die sich zu einer bedeutenden Theaterfotografin entwickelt hatte, wurde mit dem Aufbau eines Archivs betraut. Nach Brechts Tod 1956 wurde es still und einsam um sie und 1974 kam sie bei einem Schwelbrand in ihrer Wohnung ums Leben.
Hans (Hans-Joachim) Bunge (1919-1990), der Anfang der 1950er Jahre in Greifswald Germanistik und Theaterwissenschaften studiert hatte, wurde auf Vermittlung von Berlau zunächst Regie- und Dramaturgieassistent am Berliner Ensemble und leitete später das Bertolt-Brecht-Archiv. Dabei konnte er zahlreiche Interviews mit Mitarbeitern des Ensembles (u.a. mit Hanns Eisler, Paul Dessau, Therese Giehse, Helene Weigel und Bertolt Brecht) führen und diese teilweise auf Tonbändern aufzeichnen. Bunge gelang es auch, Berlau ihre Erinnerungen abzuverlangen. Zwischen Mitte September und Mitte Oktober 1959 erzählte sie in sieben Sitzungen ihre Lebensgeschichte in Form eines Interviews. Daneben berichtete sie auch von ihrer Arbeit mit Brecht, den Werken, an denen sie saßen, und der Praxis am Theater.
In der Buchausgabe hatte Bunge dann seine Fragen gestrichen, um eine durchgängige Erzählung zu erreichen. Berlau hatte volles Vertrauen zu ihm und ließ ihm freie Hand bei der Redaktion und Niederschrift. Da Bunge „das gute Recht jedes Memoirenschreibers, seine Geschichte so zu erzählen, wie sie in seiner Erinnerung lebt“, akzeptierte, stellte er auch keine Irrtümer richtig. So hatte Berlau drei Jahre nach Brechts Tod sicher auch manches verschwiegen. Doch in seinem Nachwort betonte Bunge ausdrücklich Berlaus große Wahrheitsliebe: „Dass sie sich selbst nicht schonte, wird man in diesem Buch finden.“
Die Neuausgabe erscheint beträchtlich erweitert durch einen kommentierenden Anhang, der auch weitere Dokumente enthält. So beleuchtet der Herausgeber und Leiter der Arbeitsstelle Bertolt Brecht (ABB) am Karlsruher Institut für Technologie Jan Knopf neben einer Chronik mit den wichtigsten Lebensdaten von Ruth Berlau auch den Fachterminus „Bio-Interview“, der in der Literaturwissenschaft bisher unbekannt ist. In seinem Nachwort "Arbeiten mit Brecht" würdigt er ausdrücklich Berlaus Beitrag beim Aufbau des Bertolt-Brecht-Archivs.