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"Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns / Vor uns liegen die Mühen der Ebenen", schreibt Brecht im Februar 1949, eine Wahrnehmung nach den "finsteren Zeiten" des Exils, eine Vorahnung auf das Kommende.

Produktbeschreibung
"Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns / Vor uns liegen die Mühen der Ebenen", schreibt Brecht im Februar 1949, eine Wahrnehmung nach den "finsteren Zeiten" des Exils, eine Vorahnung auf das Kommende.
Autorenporträt
Werner Hecht wurde am 18. Dezember 1926 in Leipzig geboren. Er studierte bei Hans Meyer und ging 1959 als Mitarbeiter für Regie und Dramaturgie an das Berliner Ensemble, das von Helene Weigel geführt wurde. Er war einer ihrer engsten Mitarbeiter und Berater, und begleitete sie bei vielen Gastspielen im In- und Ausland. Nach Weigels Tod leitete er bis 1991 das Brecht-Zentrum der DDR und realisierte zahlreiche Brecht-Veranstaltungen. Zudem war er Herausgeber einer Brecht-Schriftenreihe und des Nachrichtenblatt »notate«. Werner Hecht verstarb am 26. Februar 2017. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beerdigt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2008

Dieser Schwejk war ein ganz Listiger

Wie Brecht sich mit der Staatssicherheit der DDR anlegte: Werner Hechts Biographie über den Dichter, von dem wir doch noch nicht alles wissen.

Manchem Leser mag wohl gelegentlich ein Seufzer entfahren: Schon wieder ein Buch über Thomas Mann, schon wieder ein Buch über Brecht! Was Brecht betrifft, so hat Hans Mayers Leipziger Schüler Werner Hecht, der früh in engen Kontakt mit dem Berliner Ensemble kam, wesentlich zum Anwachsen der Literatur beigetragen: mit dramaturgischen Analysen und Essays, als Mitherausgeber der "Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe" und als Autor einer gerade ergänzten Brecht-Chronik. Seinen neuen Band "Brechts Leben in schwierigen Zeiten" möchte man dennoch nicht missen.

Das Buch weicht von gängigen Biographien und wissenschaftlichen Monographien ab, indem es "Geschichten" erzählt. Genauer: Es ordnet Brechts Leben und künstlerisches Wirken nach zwanzig Sachbereichen, mit denen es - der biographischen Linie nicht sklavisch folgend - Zusammenhänge erschließt, die zu erzählerischer Darstellung einladen. So etwa das jahrelange, von beiden Seiten mit Verbissenheit, aber auch mit viel Witz geführte "Duell" im Kapitel "Das Auto". Brechts Komplizenschaft mit Schriftstellern wie Wedekind, Schwitters, Remarque oder Zuckmayer, die sich alle nicht scheuten, ihre Muse in den Dienst der Wirtschaftsreklame zu stellen. So Brechts Umgang mit dem Vorwurf des "Plagiats", so in dem mit keinem Beifall der affärensüchtigen Boulevardpresse rechnenden Kapitel das "Liebesmodell" oder die lebenslange Wirksamkeit biblischer Sprachmuster in Brechts Dichtung.

Der Auftakt des Buches, "Die Kinder", ist stilistisch sein schwächster Teil. Hier wird mit Betulichkeit erzählt; auch merkt man, dass Hechts Stärke nicht die Gedichtinterpretation ist. Die zentralen Kapitel rechtfertigen den Titel des Buches. Sie erzählen von den "schwierigen Zeiten", in die Brecht schon am Ende der Weimarer Republik gerät und die sich auf andere Weise nach der Flucht und Ausbürgerung durch das Hitlerregime im dänischen, schwedischen, finnischen und kalifornischen Exil fortsetzen. Die eigentlich aufregenden Teile des Buches aber berichten von den enormen Schwierigkeiten, die der Parteilose mit seinen Gesinnungsverwandten hatte: "Die Marxisten", "Die Kunst-Instanz" und "Die Isolierung", überhaupt die Kapitel zu den sieben Jahren, in denen der vor dem Naziregime Geflohene in die Zangen einer anderen ideologischen Unterdrückung geraten ist.

Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der DDR sind viele bislang unbekannte Dokumente zutage gekommen, die Brechts steten Ärger mit den Funktionären der SED und den Kulturbehörden in der DDR belegen. Letzte Funde schließt Hecht mit ein, und so ist die bislang beste Gesamtdarstellung von Brechts unablässigem Kleinkrieg mit den Doktrinären entstanden. Freilich konnte der Autor von sich anbiedernden Liedern wie "Lob der Partei" oder "Lob des Kommunismus" (aus den Stücken "Die Maßnahme" und "Die Mutter" vom Anfang der dreißiger Jahre) sich nicht wundern, nun mit seiner "Querköpfigkeit" bei ihnen Irritationen auszulösen.

Seit 1934 belegt ist Brechts satirischer Begriff "Murxisten" für jene selbsternannten Hüter der "wahren" Lehre, die ihn ständig glaubten maßregeln zu müssen. Vor allem deutsche Emigranten in der Sowjetunion, von Brecht auch "Moskauer Clique" genannt, Kreise um die Scharfmacher und Stalinisten Ulbricht, von Wangenheim und Kurella, suchen ihn zu denunzieren. Die Moskauer Schauprozesse gegen die angeblichen Parteischädlinge ernüchterten ihn vollends, so dass er auf seiner Flucht aus Skandinavien so schnell wie möglich von Moskau nach Wladiwostok weiterhastete, um Zuflucht in Kalifornien zu finden. Und nun der erneute Widerspruch der Verhaltenspraxis eines Autors zwischen zwei Stühlen: Der Kampf der Sowjetunion gegen Hitler bindet ihn wieder an das politische Lager, dem er offensichtlich so unbequem ist.

Dennoch muss Brecht, als er nach seiner Rückkehr aus dem Exil in Ost-Berlin Fuß fasste - er zögerte die Entscheidung lange genug hinaus -, gewusst haben, worauf er sich einließ. Aber die Entschlossenheit, ein Theater zu gründen, das sich europaweit Geltung verschaffen konnte, ließ den Unbequemen mit dem ungeliebten Regime paktieren; für die ideologische Absicherung sorgte seine Frau, Helene Weigel, als Chefin des "Berliner Ensembles". Der tatsächliche Erfolg des listigen Schwejk blieb ein Paradox. Die DDR, deren Behörden ihn immerfort schurigelten, benutzte ihn als Galionsfigur.

Demütigungen gab es viele, die bekanntesten das Verbot der Oper "Das Verhör des Lukullus" und deren erzwungene Umarbeitung zur "Verurteilung des Lukullus", das Gerangel um den "Mutter Courage"-Film, schließlich der Abbruch der Dreharbeiten. Von den weniger spektakulären Entwürdigungen hat man nur nach und nach erfahren. Auf welches Nagelbett von Schikanen Brecht geraten war, ist erst durch Hechts Auswertung neu aufgetauchter Quellen deutlich geworden. Brecht begnügt sich seinerseits mit aphoristischen Nadelstichen, so auf seinen Erzfeind, den Theaterkritiker Fritz Erpenbeck: "Wie soll eine Linde mit jemandem diskutieren, der ihr vorwirft, sie sei keine Eiche." So in einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin: Er wolle nicht "bei Ulbricht lernen, wie man dichtet". In der Ost-Berliner Akademie der Künste ging Brecht offen, zumindest halb öffentlich, zur Sache, verwahrte sich gegen die ständigen Eingriffe der Partei, rechnete mit den Attacken der publizistischen Einpeitscher und mit der Inkompetenz der "Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten" ab.

Das Kapitel "Der Stalinpreis" ist nicht ohne Delikatesse. Den literarischen Staatspreis der Sowjetunion, den man der Akzeptanz im Ausland wegen "Friedenspreis" nannte, sollte im Jahr 1954 Thomas Mann erhalten, der noch in seiner Rede zum zehnten Jahrestag der Bücherverbrennung den "Antikommunismus" zur "Grundtorheit unserer Epoche" erklärt hatte und deshalb im Ostblock sehr geachtet war. Aber im Kalten Krieg wollte der Repräsentant der bürgerlichen Literatur nicht mehr als Kronzeuge für das sozialistische Lager zur Verfügung stehen, wollte wohl auch nicht in den Verdacht geraten, sich von Moskau belohnen zu lassen ("unannehmbar", schrieb er am 16. Dezember 1954 ins Tagebuch). Das geheime Protokoll der Vertrauensperson, die vom Preiskomitee in die Schweiz geschickt wurde, meldet, dass Thomas Mann auf eine mögliche Nominierung negativ antworten werde. Also kam Brecht ins Gespräch. Jahrelang war das Verhältnis zwischen Thomas Mann und Brecht von Rivalität und heftiger Abneigung geprägt gewesen. Nach der Lektüre von "Mutter Courage", die durch die Schauspielerin Therese Giehse vermittelt wurde, hatte sich Thomas Mann zwar ein säuerliches "das Scheusal hat Talent" abgerungen und Brecht mit einem gönnerischen und zweideutigen "ich finde ja auch, seine Novellen sind erstklassig" reagiert, aber es bleibt fraglich, ob Brecht den Preis angenommen hätte, wäre ihm seine "Ersatzkandidatur" bekannt geworden.

Werner Hechts Bericht über die "schwierigen Zeiten" Brechts ist um größtmögliche Neutralität bemüht und bleibt sachlich, hält sich von jeder Huldigungsprosa fern. Aber zumeist ergibt sich die Wertung von der Sache selbst. Und so mischt sich in die Darstellung der zunehmenden "Isolierung" und der letzten Monate eines der bedeutendsten und widersprüchlichsten deutschen Dichter im zwanzigsten Jahrhundert ein Hauch von jener Melancholie, die wir aus Brechts "Buckower Elegien" kennen. Und keines Kommentars bedarf die Anmaßung des damals noch stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit der DDR, Erich Mielke, im Auftrag einer höheren Gerechtigkeit zu sprechen. In einer erst jetzt entdeckten Rede vor Funktionären vom 1. September 1957 bringt Mielke Brecht in Verbindung mit den inzwischen ins Zuchthaus Bautzen eingelieferten "Konterrevolutionären" Walter Janka und Wolfgang Harich: "Ich möchte eines der krassesten Beispiele bringen, Genossen, weil es wichtig ist, dass man als Staatssicherheitsmann, nicht wahr, genau weiß, wie diese Brüder gedacht haben. Und dass der bekannte Schriftsteller und Dramaturg Brecht Strafantrag stellen wollte gegen also einen leitenden Funktionär der Staatssicherheit. Und dann ist der Brecht erlegen einem Herzschlag."

WALTER HINCK.

Werner Hecht: "Brechts Leben in schwierigen Zeiten". Geschichten. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 270 S., geb., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Große Anerkennung zollt Walter Hinck dieser Biografe Bertolt Brechts, die Werner Hecht vorgelegt hat. Es ist ein Buch, auf das er auch trotz der Fülle von Literatur über den großer Dramatiker und Dichter auf keinen Fall verzichten möchte. Zweierlei hebt er besonders hervor. Zum einen die Form dieser Biografie, die Brechts Leben und künstlerisches Wirken in Geschichten erzählt. Zum anderen die Kapitel über Brechts Auseinandersetzungen mit der SED und den Kulturbehörden der DDR. In diesen für ihn "aufregenden" Kapiteln wird seines Erachtens deutlich, dass doch noch nicht alles über den Dichter bekannt war. In diesem Zusammenhang würdigt er das Buch, das neue, seit dem Fall der Berliner Mauer aufgetauchte Quellen auswertet, als "bislang beste Gesamtdarstellung von Brechts unablässigem Kleinkrieg mit den Doktrinären". Mit Lob bedenkt er auch Hechts sachliche, neutrale Darstellung, die ohne jede "Huldigungsprosa" auskommt.

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»Das Buch weicht von gängigen Biographien und wissenschaftlichen Monographien ab, indem es 'Geschichten' erzählt.« Frankfurter Allgemeine Zeitung