Josh, Caro und Speedy trauen ihren Augen nicht: Als sie heimlich den alten Matthis in seinem Haus beobachten, sehen sie, wie dort Feuer aus dem Wasserhahn schießt. Kurz darauf explodiert das ganze Haus. Ein schrecklicher Unfall? Während die Jugendlichen in Norddeutschland noch rätseln, sorgt die Explosion in einem kanadischen Energiekonzern für Aufregung: Im Gebiet um Matthis' Haus haben sie Fracking-Probebohrungen angestellt. Die drei Augenzeugen könnten ein Millionengeschäft zum Platzen bringen. Jemand muss sie schnellstens zum Schweigen bringen ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2014Jagdszenen aus dem tiefen Norden
Fracking und die Folgen: Lukas Erlers Öko-Krimi ertrinkt in Bionade
Ein Haus an einem imaginären Ort in Norddeutschland fliegt in die Luft, als ein rauchender Mann in seiner Küche den Wasserhahn aufdreht. Drei junge Leute haben das Geschehen von außen mit der Kamera zufällig aufgenommen. Zwei von ihnen werden bei der Detonation verletzt und kommen ins Krankenhaus. Die Kamera verschwindet. Ein Killer, der zuvor für 300 000 Dollar ein Mitglied der irischen Mafia erschossen hat, wird auf den Weg geschickt von einem skrupellosen Manager eines kanadischen Öl- und Gaskonzerns, der um Karriere und Vermögen fürchtet.
Weitere Helden sind ein tapferer Farmerjunge und eine tapfere, Langstrecken laufende Rechtsanwältin mit der Spezialität Umweltrecht. Zu erwähnen sind noch ein korrupter Polizist und ein alleskönnender Detektiv in den Nebenrollen. Nach der Lektüre des Buches darf man feststellen: Junge, Junge, das Leben kann ganz schön brisant sein. Sogar in Norddeutschland.
Lukas Erler hat seinem Thriller den Titel "Brennendes Wasser" gegeben. Er greift darin eine besondere Bergbaumethode auf und an, mit der Gas und Öl gefördert wird: Sie heißt Fracking und ist umstritten. Chemikalien und Sand werden dafür mit hohem Wasserdruck in Gestein gepresst. Der Stein wird aufgesprengt und gibt Gas oder Öl frei. In Amerika ist die Methode gang und gäbe, in Deutschland wird sie auch schon seit rund 50 Jahren praktiziert, wenn auch in viel kleinerer Dimension. Und zudem nicht in Schiefergestein.
Furore macht die Fördermethode dank der amerikanischen Fernsehdokumentation "Gasland" des Dokumentarfilmers Josh Fox. Ihm und seinem Sohn Jan widmet der Autor Lukas Erler das Buch. Eine Szene der Filmdokumentation bleibt jedem im Kopf, der sie gesehen hat: Es ist das Bild des brennenden Wasserhahns. In dem Film wird suggeriert, durch Fracking sei das gefährliche Gas Methan aus der Tiefe des Erdreichs ins Grundwasser geströmt, um dann mit dem Trinkwasser zusammen aus dem Wasserhahn zu plätschern. Und dann kommt die Filmszene mit dem hageren schnauzbärtigen Mann. Er entzündet den Wasserstrahl in seiner Küche mit einem Feuerzeug, und über dem Waschbecken brennt eine Wolke. Es gibt ernsthafte Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Szene. Aber es hat Vorfälle gegeben, bei denen durch die Bergbaumethode Trinkwasserquellen verschmutzt wurden.
Lukas Erler ist eindeutig parteiisch zu Gunsten der Fracking-Gegner. Das darf er auch sein, weil es seine Dramaturgie extrem vereinfacht. Und für Spannung hat der Autor ein gutes Gefühl. Er schreibt eingängig, macht die Figuren plastisch, wenn sie auch Figuren bleiben und selten zu richtigen Menschen werden. Jedes Kapitel endet mit einer spannenden Szene, die Fragen aufwirft und im Leser den Wunsch weckt weiterzulesen. Der Autor versteht sein Handwerk.
Allerdings: Ein bisschen muss er drechseln, um das Fracking-Drama nach Deutschland zu verlegen. Auch der glückliche Zufall spielt eine zentrale Rolle in der Story: Die Rechtsanwältin und Umweltaktivistin ist die Schwester der Chefsekretärin, die dem bösen Gaskonzern-Manager dient. Die Chefsekretärin verrät zentrale Geheimnisse. Aber manchmal muss sich ein Schriftsteller eben behelfen, um die Story zu runden. Das tun ja selbst Dokumentarfilmer.
Was an dem Buch allerdings verblüfft, ist die Gnadenlosigkeit, mit der Erler die Guten gut sein lässt und die Bösen böse. Hauptfigur Josh ist nicht nur mutig, warmherzig, gut aussehend und cool (Pferdeschwanz!), er hat auch eine supercoole Freundin Caro mit rotblonder Löwenmähne und ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Mit ihr trinkt er nach dem Austausch von Zärtlichkeiten eisgekühlte Bionade. Das ist jetzt nicht erfunden.
Vater Jonathan ist ein Übersetzer, ein Sprachgenie. Mama Antonia hat italienische Wurzeln, verfügt über große Kochkunst, ein ebenso großes Herz und arbeitet in einer Buchhandlung. Josh hat mäßige Schulleistungen, weil er so viel Zeit mit seiner Caro verbringt. Als er das den Eltern gesteht, grummelt der Vater, bis ihn die Mama an die berühmte Metallica-Ballade "Nothing else matters" erinnert. Ja, nichts ist wichtiger als die Liebe.
Fracking ist ein kompliziertes und zugleich brisantes Thema. Der Autor hat sich herangewagt. Das ist gut. Er hat die Handlung vereinfacht. Das ist zwingend für einen Thriller. Er hat sich komplett auf die Seite der Fracking-Gegner geschlagen. Das ist okay, weil auch Einseitigkeit erhellend und inspirierend sein kann. Und dann hat er alles in Bionade getaucht.
WINAND VON PETERSDORFF
Lukas Erler: "Brennendes Wasser". Arena Verlag, Würzburg 2014. 272 S., geb., 14,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fracking und die Folgen: Lukas Erlers Öko-Krimi ertrinkt in Bionade
Ein Haus an einem imaginären Ort in Norddeutschland fliegt in die Luft, als ein rauchender Mann in seiner Küche den Wasserhahn aufdreht. Drei junge Leute haben das Geschehen von außen mit der Kamera zufällig aufgenommen. Zwei von ihnen werden bei der Detonation verletzt und kommen ins Krankenhaus. Die Kamera verschwindet. Ein Killer, der zuvor für 300 000 Dollar ein Mitglied der irischen Mafia erschossen hat, wird auf den Weg geschickt von einem skrupellosen Manager eines kanadischen Öl- und Gaskonzerns, der um Karriere und Vermögen fürchtet.
Weitere Helden sind ein tapferer Farmerjunge und eine tapfere, Langstrecken laufende Rechtsanwältin mit der Spezialität Umweltrecht. Zu erwähnen sind noch ein korrupter Polizist und ein alleskönnender Detektiv in den Nebenrollen. Nach der Lektüre des Buches darf man feststellen: Junge, Junge, das Leben kann ganz schön brisant sein. Sogar in Norddeutschland.
Lukas Erler hat seinem Thriller den Titel "Brennendes Wasser" gegeben. Er greift darin eine besondere Bergbaumethode auf und an, mit der Gas und Öl gefördert wird: Sie heißt Fracking und ist umstritten. Chemikalien und Sand werden dafür mit hohem Wasserdruck in Gestein gepresst. Der Stein wird aufgesprengt und gibt Gas oder Öl frei. In Amerika ist die Methode gang und gäbe, in Deutschland wird sie auch schon seit rund 50 Jahren praktiziert, wenn auch in viel kleinerer Dimension. Und zudem nicht in Schiefergestein.
Furore macht die Fördermethode dank der amerikanischen Fernsehdokumentation "Gasland" des Dokumentarfilmers Josh Fox. Ihm und seinem Sohn Jan widmet der Autor Lukas Erler das Buch. Eine Szene der Filmdokumentation bleibt jedem im Kopf, der sie gesehen hat: Es ist das Bild des brennenden Wasserhahns. In dem Film wird suggeriert, durch Fracking sei das gefährliche Gas Methan aus der Tiefe des Erdreichs ins Grundwasser geströmt, um dann mit dem Trinkwasser zusammen aus dem Wasserhahn zu plätschern. Und dann kommt die Filmszene mit dem hageren schnauzbärtigen Mann. Er entzündet den Wasserstrahl in seiner Küche mit einem Feuerzeug, und über dem Waschbecken brennt eine Wolke. Es gibt ernsthafte Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Szene. Aber es hat Vorfälle gegeben, bei denen durch die Bergbaumethode Trinkwasserquellen verschmutzt wurden.
Lukas Erler ist eindeutig parteiisch zu Gunsten der Fracking-Gegner. Das darf er auch sein, weil es seine Dramaturgie extrem vereinfacht. Und für Spannung hat der Autor ein gutes Gefühl. Er schreibt eingängig, macht die Figuren plastisch, wenn sie auch Figuren bleiben und selten zu richtigen Menschen werden. Jedes Kapitel endet mit einer spannenden Szene, die Fragen aufwirft und im Leser den Wunsch weckt weiterzulesen. Der Autor versteht sein Handwerk.
Allerdings: Ein bisschen muss er drechseln, um das Fracking-Drama nach Deutschland zu verlegen. Auch der glückliche Zufall spielt eine zentrale Rolle in der Story: Die Rechtsanwältin und Umweltaktivistin ist die Schwester der Chefsekretärin, die dem bösen Gaskonzern-Manager dient. Die Chefsekretärin verrät zentrale Geheimnisse. Aber manchmal muss sich ein Schriftsteller eben behelfen, um die Story zu runden. Das tun ja selbst Dokumentarfilmer.
Was an dem Buch allerdings verblüfft, ist die Gnadenlosigkeit, mit der Erler die Guten gut sein lässt und die Bösen böse. Hauptfigur Josh ist nicht nur mutig, warmherzig, gut aussehend und cool (Pferdeschwanz!), er hat auch eine supercoole Freundin Caro mit rotblonder Löwenmähne und ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Mit ihr trinkt er nach dem Austausch von Zärtlichkeiten eisgekühlte Bionade. Das ist jetzt nicht erfunden.
Vater Jonathan ist ein Übersetzer, ein Sprachgenie. Mama Antonia hat italienische Wurzeln, verfügt über große Kochkunst, ein ebenso großes Herz und arbeitet in einer Buchhandlung. Josh hat mäßige Schulleistungen, weil er so viel Zeit mit seiner Caro verbringt. Als er das den Eltern gesteht, grummelt der Vater, bis ihn die Mama an die berühmte Metallica-Ballade "Nothing else matters" erinnert. Ja, nichts ist wichtiger als die Liebe.
Fracking ist ein kompliziertes und zugleich brisantes Thema. Der Autor hat sich herangewagt. Das ist gut. Er hat die Handlung vereinfacht. Das ist zwingend für einen Thriller. Er hat sich komplett auf die Seite der Fracking-Gegner geschlagen. Das ist okay, weil auch Einseitigkeit erhellend und inspirierend sein kann. Und dann hat er alles in Bionade getaucht.
WINAND VON PETERSDORFF
Lukas Erler: "Brennendes Wasser". Arena Verlag, Würzburg 2014. 272 S., geb., 14,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Winand von Petersdorff findet eigentlich alles gut an diesem Jugendbuch über das brisante Thema Fracking von Lukas Erler. Als mutig bezeichnet er den Autor, der ein solch kompliziertes Thema für junge Leser aufbereitet. Wenn die Handlung dabei etwas vereinfacht wirkt, kann der Rezensent das verkraften, schließlich handelt es sich um einen spannenden Thriller. Und dass der Autor sich ohne Umschweife auf die Seite der Fracking-Gegner schlägt und seine "Lieblingsfiguren" im Buch ausnahmslos positiv, ihre Widersacher jedoch grundsätzlich böse zeichnet, verblüfft Petersdorff anfangs zwar, geht für ihn letztlich aber ebenfalls in Ordnung. Einseitigkeit kann schließlich auch erhellend sein, meint er, und plastisch sind die Figuren allemal.
© Perlentaucher Medien GmbH
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