Hochsaison in der Bretagne: Im malerischen Künstlerdorf Pont Aven wird an einem heißen Julimorgen der hochbetagte Besitzer des berühmtesten Hotels am Platz brutal erstochen aufgefunden. Kommissar Dupin, eingefleischter Pariser und zwangsversetzt ans Ende der Welt, übernimmt den Fall und stößt in der bretonischen Sommeridylle auf ungeahnte Abgründe ...
"Bretonische Verhältnisse ist ungewöhnlich spannend, voller Atmosphäre, mit einem grundsympathischen Ermittler, dessen Ecken und Kanten den Leser sofort für ihn einnehmen." Tilman Spreckelsen, Redakteur der FAZ "Ich habe die Bretagne, wie ich sie kenne und liebe, darin wiedergefunden. Einen nächsten Band würde ich mir sofort kaufen." -- Andreas Eschbach
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2012Der Hotelier atmet nicht mehr
Jetzt hat auch die Bretagne ihren Kommissar: Georges Dupin, erfunden von Jean-Luc Bannalec, löst seinen ersten Fall
Morden lassen, wo andere Urlaub machen: Das ist ein so gut wie todsicheres Erfolgsrezept für Neuerscheinungen auf dem unersättlichen Markt für Kriminalromane. Die Deutschen gelten als Weltmeister im Reisen wie im Krimilesen, und ganz bei sich scheinen sie zu sein, wenn sie diese beiden Spielarten des Eskapismus kombinieren können. Das höchste der Gefühle schenkt die zur Feriengegend passende Mordgeschichte; es ist nur noch zu überbieten durch den wohligen Realitätsverlust, mit dem Enthusiasten dann an attraktiven Schauplätzen „auf den Spuren“ eines fiktiven Ermittlers wandeln, zur Freude des lokalen Fremdenverkehrsgewerbes.
Diese nicht unkomische Dekadenzstufe ist ein neueres Phänomen, die kriminalistisch-touristische Doppelbeglückung des Publikums dagegen keineswegs: Schon Agatha Christie ließ etliche ihrer Whodunits an Sehnsuchtsorten der reiselustigen Briten spielen. Ihre Ermittler freilich, Miss Marple und der in London residierende Belgier Poirot, waren dabei selbst als Touristen unterwegs, während heutige Krimikonsumenten großen Wert auf ortsansässige Detektive legen, die neben ihrer Aufklärungsarbeit die Mentalität des Landes oder der Region glaubhaft verkörpern und den dazugehörigen Lebensstil zelebrieren müssen.
Den Lesern ist es kurioserweise egal, ob diese einheimischen Figuren „echt“ sind oder die Erfindung von am Tatort zweitbeheimateten Ausländern: Der alterslose Commissario Brunetti der Amerikanerin Donna Leon geht als Venezianer durch, der Frankfurter Jan Costin Wagner kann seinen Kommissar Kimmo Joentaa als wahren Finnen verkaufen, und Bruno Courrèges, Polizeichef im Périgord, wird dem Schotten Martin Walker als genuiner Franzose abgenommen.
Verzwickter liegen die Dinge bei einem neuen französischen Ermittler, der Georges Dupin heißt und der Phantasie eines (laut Klappentext) halb bretonischen, halb deutschen Autors entsprungen ist. Dessen Name, Jean-Luc Bannalec, duftet nach Bretagne wie eine Crêperie zur Mittagszeit, aber das besagt nichts, denn Bannalec ist ein Ort in der Nähe von Concarneau und Pont-Aven, den Schauplätzen des Romans „Bretonische Verhältnisse“, und könnte ein hübsches Pseudonym sein. Fest steht, dass es sich hier um ein Debüt handelt und um den Beginn einer Serie – für den aus Paris stammenden Kommissar, der wegen „bestimmter Querelen“ ins Département Finistère, ans „Ende der Welt“, zwangsversetzt worden ist, ebenso wie für seinen Schöpfer, der (so die biographische Notiz) ein deutsch-französisches Doppelleben führt und beabsichtigt, weitere Dupin-Fälle folgen zu lassen.
Die Nachfrage dürfte nicht ausbleiben, denn der Auftakt trifft zielgenau die Bedürfnislage jenes Publikumssegments, das nicht auf die Kälte und Härte der Skandinavien-Krimis eingeschworen ist, das weder die Megalomanie internationaler Syndikate noch den Realismus sozialer Problemzonen goutiert, sondern übersichtliche, ein wenig altmodische Verbrechensaufklärung in stimmungsvoller Umgebung mit einprägsam charakterisiertem Personal.
Monsieur le Commissaire als Zentralfigur überzeugt sofort: Einerseits trägt Georges Dupin Züge bekannter Genre-Kollegen – Eigenbrötlertum, Reizbarkeit, Sensibilität, Vergesslichkeit, Gourmet-Allüren –, andererseits zählt er ironisch jene „Abgründe“ auf, die „mittlerweile für seinen Berufsstand ein Erfordernis, quasi ein Standard zu sein schienen: Drogensucht, zumindest Alkohol, Neurosen oder Depressionen bis hin zu klinischen Graden, eine stattliche eigene kriminelle Vergangenheit, Korruption interessanteren Ausmaßes oder mehrere dramatisch gescheiterte Ehen. Nichts davon hatte er vorzuweisen.“
Dafür fehlen ihm weder der nervtötende Assistent noch die patente Sekretärin, und am Schluss bahnt sich sogar die obligatorische Liebesgeschichte an – als privater Cliffhanger, bei dem Dupins charmantes Alleinstellungsmerkmal, sein Faible für Pinguine, eine Rolle spielt. Sowie eine gewisse Affinität zu Kunst und Kultur, die auch bei der Zielgruppe vorausgesetzt wird: Der zu lösende Fall, die Ermordung eines hochbetagten Hotelbesitzers, hängt zusammen mit der Historie der Künstlerkolonie von Pont-Aven und ihres (später) berühmtesten Protagonisten Paul Gauguin.
Den „Malerblick“ hat sich der Autor ganz zu eigen gemacht: Seine Schilderungen der bretonischen Landschaft haben Farbe und Atmosphäre und evozieren ein eher südliches als nordfranzösisches Lebensgefühl, so wie man es dort verspüren kann, wenn man aus Deutschland oder auch aus Paris anreist. Was aber die Sicht auf französische Lebensart betrifft, so hat bei Jean-Luc Bannalec die rheinländische Mutter stärker durchgeschlagen als der bretonische Vater.
Denn seine Wahrnehmung ist die sentimentalisch-romantische eines Deutschen: Nie würde ein Franzose seinen „petit café“ derart glorifizieren oder einen der landesüblichen Tabac-Presse-Läden so liebevoll beschreiben. Schon deshalb wird aus Dupin kein zweiter Maigret, auch wenn das Vorbild zart durchscheint. Trotzdem könnte der Verfasser sich von Simenons Sprache und Spannungsökonomie ruhig noch einiges abgucken. Immerhin führt der Verlag den Roman als Spitzentitel im Programm: Die Zeiten, in denen Krimis nicht zur „richtigen Literatur“ gezählt wurden, sind wohl endgültig vorbei.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
JEAN-LUC BANNALEC: Bretonische Verhältnisse. Ein Fall für Kommissar Dupin. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 302 Seiten, 14,99 Euro.
Ein Drogen- oder Alkoholproblem
hat dieser Kommissar
nicht. Aber er liebt Pinguine
Die„Häuser in Pont-Aven“
malte Émile
Bernard 1890. Kommissar
Dupin, der in der bretonischen Küstenstadt ermittelt, kennt die Geschichte ihrer Künstlerkolonie, der zeitweilig auch Paul Gauguin angehörte.
Foto: akg-images
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Jetzt hat auch die Bretagne ihren Kommissar: Georges Dupin, erfunden von Jean-Luc Bannalec, löst seinen ersten Fall
Morden lassen, wo andere Urlaub machen: Das ist ein so gut wie todsicheres Erfolgsrezept für Neuerscheinungen auf dem unersättlichen Markt für Kriminalromane. Die Deutschen gelten als Weltmeister im Reisen wie im Krimilesen, und ganz bei sich scheinen sie zu sein, wenn sie diese beiden Spielarten des Eskapismus kombinieren können. Das höchste der Gefühle schenkt die zur Feriengegend passende Mordgeschichte; es ist nur noch zu überbieten durch den wohligen Realitätsverlust, mit dem Enthusiasten dann an attraktiven Schauplätzen „auf den Spuren“ eines fiktiven Ermittlers wandeln, zur Freude des lokalen Fremdenverkehrsgewerbes.
Diese nicht unkomische Dekadenzstufe ist ein neueres Phänomen, die kriminalistisch-touristische Doppelbeglückung des Publikums dagegen keineswegs: Schon Agatha Christie ließ etliche ihrer Whodunits an Sehnsuchtsorten der reiselustigen Briten spielen. Ihre Ermittler freilich, Miss Marple und der in London residierende Belgier Poirot, waren dabei selbst als Touristen unterwegs, während heutige Krimikonsumenten großen Wert auf ortsansässige Detektive legen, die neben ihrer Aufklärungsarbeit die Mentalität des Landes oder der Region glaubhaft verkörpern und den dazugehörigen Lebensstil zelebrieren müssen.
Den Lesern ist es kurioserweise egal, ob diese einheimischen Figuren „echt“ sind oder die Erfindung von am Tatort zweitbeheimateten Ausländern: Der alterslose Commissario Brunetti der Amerikanerin Donna Leon geht als Venezianer durch, der Frankfurter Jan Costin Wagner kann seinen Kommissar Kimmo Joentaa als wahren Finnen verkaufen, und Bruno Courrèges, Polizeichef im Périgord, wird dem Schotten Martin Walker als genuiner Franzose abgenommen.
Verzwickter liegen die Dinge bei einem neuen französischen Ermittler, der Georges Dupin heißt und der Phantasie eines (laut Klappentext) halb bretonischen, halb deutschen Autors entsprungen ist. Dessen Name, Jean-Luc Bannalec, duftet nach Bretagne wie eine Crêperie zur Mittagszeit, aber das besagt nichts, denn Bannalec ist ein Ort in der Nähe von Concarneau und Pont-Aven, den Schauplätzen des Romans „Bretonische Verhältnisse“, und könnte ein hübsches Pseudonym sein. Fest steht, dass es sich hier um ein Debüt handelt und um den Beginn einer Serie – für den aus Paris stammenden Kommissar, der wegen „bestimmter Querelen“ ins Département Finistère, ans „Ende der Welt“, zwangsversetzt worden ist, ebenso wie für seinen Schöpfer, der (so die biographische Notiz) ein deutsch-französisches Doppelleben führt und beabsichtigt, weitere Dupin-Fälle folgen zu lassen.
Die Nachfrage dürfte nicht ausbleiben, denn der Auftakt trifft zielgenau die Bedürfnislage jenes Publikumssegments, das nicht auf die Kälte und Härte der Skandinavien-Krimis eingeschworen ist, das weder die Megalomanie internationaler Syndikate noch den Realismus sozialer Problemzonen goutiert, sondern übersichtliche, ein wenig altmodische Verbrechensaufklärung in stimmungsvoller Umgebung mit einprägsam charakterisiertem Personal.
Monsieur le Commissaire als Zentralfigur überzeugt sofort: Einerseits trägt Georges Dupin Züge bekannter Genre-Kollegen – Eigenbrötlertum, Reizbarkeit, Sensibilität, Vergesslichkeit, Gourmet-Allüren –, andererseits zählt er ironisch jene „Abgründe“ auf, die „mittlerweile für seinen Berufsstand ein Erfordernis, quasi ein Standard zu sein schienen: Drogensucht, zumindest Alkohol, Neurosen oder Depressionen bis hin zu klinischen Graden, eine stattliche eigene kriminelle Vergangenheit, Korruption interessanteren Ausmaßes oder mehrere dramatisch gescheiterte Ehen. Nichts davon hatte er vorzuweisen.“
Dafür fehlen ihm weder der nervtötende Assistent noch die patente Sekretärin, und am Schluss bahnt sich sogar die obligatorische Liebesgeschichte an – als privater Cliffhanger, bei dem Dupins charmantes Alleinstellungsmerkmal, sein Faible für Pinguine, eine Rolle spielt. Sowie eine gewisse Affinität zu Kunst und Kultur, die auch bei der Zielgruppe vorausgesetzt wird: Der zu lösende Fall, die Ermordung eines hochbetagten Hotelbesitzers, hängt zusammen mit der Historie der Künstlerkolonie von Pont-Aven und ihres (später) berühmtesten Protagonisten Paul Gauguin.
Den „Malerblick“ hat sich der Autor ganz zu eigen gemacht: Seine Schilderungen der bretonischen Landschaft haben Farbe und Atmosphäre und evozieren ein eher südliches als nordfranzösisches Lebensgefühl, so wie man es dort verspüren kann, wenn man aus Deutschland oder auch aus Paris anreist. Was aber die Sicht auf französische Lebensart betrifft, so hat bei Jean-Luc Bannalec die rheinländische Mutter stärker durchgeschlagen als der bretonische Vater.
Denn seine Wahrnehmung ist die sentimentalisch-romantische eines Deutschen: Nie würde ein Franzose seinen „petit café“ derart glorifizieren oder einen der landesüblichen Tabac-Presse-Läden so liebevoll beschreiben. Schon deshalb wird aus Dupin kein zweiter Maigret, auch wenn das Vorbild zart durchscheint. Trotzdem könnte der Verfasser sich von Simenons Sprache und Spannungsökonomie ruhig noch einiges abgucken. Immerhin führt der Verlag den Roman als Spitzentitel im Programm: Die Zeiten, in denen Krimis nicht zur „richtigen Literatur“ gezählt wurden, sind wohl endgültig vorbei.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
JEAN-LUC BANNALEC: Bretonische Verhältnisse. Ein Fall für Kommissar Dupin. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 302 Seiten, 14,99 Euro.
Ein Drogen- oder Alkoholproblem
hat dieser Kommissar
nicht. Aber er liebt Pinguine
Die„Häuser in Pont-Aven“
malte Émile
Bernard 1890. Kommissar
Dupin, der in der bretonischen Küstenstadt ermittelt, kennt die Geschichte ihrer Künstlerkolonie, der zeitweilig auch Paul Gauguin angehörte.
Foto: akg-images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2012Das Tuch zum Buch
Das kann ja nur heiter werden: Mehr als spannende Lektüre und ein weiches Strandlaken braucht der Mensch nicht für einen Tag in der Sonne. Aber um ganz abzuschalten und sich auf die Geschichte zu konzentrieren, muss das Umfeld stimmen. Wie soll man mit dem Helden des Liebesromans fiebern, wenn sich auf dem Stoff Star-Wars-Figuren bekriegen? Hier liegt zusammen, was zusammengehört.
Von Jennifer Wiebking
Alltag oder Indonesien?
Das Pendleton-Handtuch erzählt von der traditionellen Ikat-Webtechnik, die ihre Wurzeln in Nordostasien hat und sich anschließend südlich, Richtung Indonesien, orientierte, wo auch Allan Karlssons Lebensgeschichte Station macht. Schon zuvor begegnen sich aber Bestseller und Badetuch flüchtig im Altersheim. Denn dort beginnt der Roman über den hundert Jahre alten Rentner, und auch die Grundfarben des Frottee-Tuches, die eher wie ganz gewöhnlicher Alltag als Exotik anmuten, könnten da zu Hause sein. Na ja, bis man eben die spitzen schwarzen Pfeile auf dem Tuch entdeckt und sich Karlsson zum Angriff rüstet: Über das Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss, die Pantoffeln noch an den Füßen, macht er sich an seinem hundertsten Geburtstag einfach aus dem Staub.
Jonas Jonasson, "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", Carl's Books, 416 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Pendleton, 40 Euro.
Zwei für die Freizeit.
David Nicholls, Autor von "Zwei an einem Tag", ist Engländer. Ob er sich im Urlaub an Deutschen stört, die ihm mit ihren Handtüchern zuvorkommen und Liegestühle reservieren? Es soll ja schon Orte mit Handtuch-Polizisten geben, die ein Auge auf die Tücher geworfen haben, die herrenlos auf der Liege verweilen. Ein Wendehandtuch wie dieses von Joop! vermeidet hingegen die Festnahme, indem es ständig sein Gesicht wechselt, indem es zwei Seiten hat, die so unterschiedlich hell und dunkel sind, dass man glaubt, sie gehörten nicht zusammen. Auch Emma und Dexter aus "Zwei an einem Tag" wissen lange nicht, ob sie füreinander bestimmt sind. Ihre Leben laufen so parallel nebeneinander her wie die Seiten des Wendehandtuchs, die abwechselnd ihr Recht auf pralle Sonne einfordern - ohne dass sich ein Tourist dazwischenlegt.
David Nicholls, "Zwei an einem Tag", Heyne, 544 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Joop!, 48 Euro.
Keine Angst vor Leoparden.
Nervigste Frage der lieben Mitreisenden, die dieses Buch im Urlaub zu Gesicht bekommen: Geht es in der Geschichte um einen Leoparden? Nein. "Leopard" beschreibt den Killer lediglich in seinem unauffälligen Verhalten. Er ist einer, der seine Morde aus dem Hinterhalt heraus plant, der unberechenbar ist und dessen Spur sich besonders schwierig verfolgen lässt. Für ihn lässt sich Harry Hole, Kommissar der Nesbø-Bücher, überreden, von Hongkong nach Oslo zurückzukehren, um dort zu ermitteln. Auf der anderen Seite: Wer furchtlos genug für diesen achten Fall von Hole ist, wer schon "Fledermaus", den ersten Fall, oder "Schneemann", den siebten, bei sich zu Hause im Regal stehen hat, wird sich bestimmt nicht vor einem Handtuch fürchten, das Leoparden in seinem Muster doch noch wörtlich nimmt.
Jo Nesbø, "Leopard", Ullstein, 704 Seiten, 10,99 Euro.
Handtuch: Louis Vuitton, 405 Euro.
Kunst auf Sand.
In den neunziger Jahren erlebte das Handtuch einen Aufstieg: Aus dem einfachen Frotteelappen wurde ein Designerstück. Heute hingegen geht es in die entgegengesetzte Trend-Richtung: Aus dem Kunstwerk wird ein einfaches Handtuch. Julian Schnabel, Yoko Ono, Peter Doig, Barbara Kruger oder Ed Ruscha haben für die Marke Works on Whatever (WOW) bereits Handtücher gestaltet, die gewisse Strandabschnitte wie Kunstgalerien aussehen lassen. Für die Künstler ist das auch eine Möglichkeit, sich mit einem Alltagsprodukt mitzuteilen. Ed Ruscha zum Beispiel deutet mit dem Satz "The study of friction and wear on mating surfaces" die verflochtenen Stränge von Beziehungsmustern auf dem Handtuch an. "Die Liebeshandlung" von Jeffrey Eugenides vertieft sie anschließend.
Jeffrey Eugenides, "Die Liebeshandlung", Rowohlt, 624 Seiten, 24,95 Euro.
Handtuch: Works on Whatever (WOW), 95 Euro.
Freiheit, immer.
Auf dem Tuch ist die Freiheitsstatue abgebildet. Da muss auch Natale, "Der Junge, der Träume schenkte", auf dem Schiff aus Übersee vorbei. Gerade ist er dabei, in die Vereinigten Staaten zu immigrieren, und bekommt bald einen neuen Namen, Christmas, sowie eine neue Heimat verpasst. "Du bist Amerikaner", bleut ihm die Mutter ein, und Christmas wiederholt es, etwa wenn ihn andere Jungs beschimpfen. Überhaupt plaudert er so lange, bis der amerikanische Traum seiner ist, als hätte er den Gedanken an Lady Liberty so im Kopf, wie sie beim Leser im Nacken liegt.
Luca di Fulvio, "Der Junge, der Träume schenkte", Bastei Lübbe, 783 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Möve, 49,90 Euro.
Frottee und andere Stoffe.
In den vierziger Jahren entdecken drei Frauen auf der Suche nach süßem Ruhm süße Psychopharmaka. Anfangs scheinen diese so ungefährlich wie ein Stück Katjes-Yoghurt-Gum. Aus dem Erzählstoff wurden ein Buch und mehrere Filme; Petit Bateau rollt nun für den Sommer auf dem Frottee Punkte und Streifen aus, die an den Rausch von Jennifer, Anne und Neely erinnern. Auch wenn es sich auf diesem Stoff viel besser leben und lesen lässt.
Jacqueline Susann, "Valley of the Dolls", Grove/Atlantic Inc., 442 Seiten, 11,20 Euro (im englischen Original). Auf Deutsch gebraucht bei Amazon-Händlern zu kaufen.
Handtuch: Petit Bateau, 49 Euro.
Strand- und Mordmotive.
Sommer in Frankreich: Vom Handtuch wird viel erwartet. Inmitten der Massen markiert es den Platz, auf dem man nur Schönes erleben möchte. Gut also, wenn das Sonnenschirm-Motiv von Hermès die besten anderthalb Quadratmeter Strand als reserviert kennzeichnet, selbst wenn man sich kurz im Meer abkühlt. Dass sich Schönes auch mit Schauerlichem versteht, zeigt der andere Sommer in Frankreich: Der Kommissar ist neu an der bretonischen Küste und hat es gleich mit dem Mord an dem Besitzer eines legendären Hotels zu tun, in dem Urlauber eigentlich die schönsten Wochen des Jahres verbringen sollen. Dort ist auch das Hermès-Strandtuch vermutlich kein Fremder.
Jean-Luc Bannalec, "Bretonische Verhältnisse", Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Hermès, 410 Euro.
Tragödien in Blau-Weiß.
Das Paar aus Berlin könnte die Zeit mit dem deutschen Tauchlehrer auf Lanzarote auch nutzen, um in dem 14000-Euro-Urlaub wirklich etwas zu lernen. Vor den beiden liegt schließlich nichts als der Atlantik, der dem Mix aus November-Winden und Sonnenstrahlen eine Bühne zum Tanzen bietet und daraus bestimmt Lichtmosaike kreiert, die dem Motiv auf dem Strandhandtuch von Ralph Lauren ähneln. Aber so verworren, wie das Muster des Tuches daherkommt, ist auch die Beziehung des Paares. Auf dem blau-weißen Tuch mag man in den Lesepausen wegdösen, ansonsten erlebt man Tauchgänge in allerlei Tiefen, echte und metaphorische.
Juli Zeh, "Nullzeit", Schöffling & Co., 256 Seiten, 19,95 Euro.
Handtuch: Ralph Lauren Home, 125 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das kann ja nur heiter werden: Mehr als spannende Lektüre und ein weiches Strandlaken braucht der Mensch nicht für einen Tag in der Sonne. Aber um ganz abzuschalten und sich auf die Geschichte zu konzentrieren, muss das Umfeld stimmen. Wie soll man mit dem Helden des Liebesromans fiebern, wenn sich auf dem Stoff Star-Wars-Figuren bekriegen? Hier liegt zusammen, was zusammengehört.
Von Jennifer Wiebking
Alltag oder Indonesien?
Das Pendleton-Handtuch erzählt von der traditionellen Ikat-Webtechnik, die ihre Wurzeln in Nordostasien hat und sich anschließend südlich, Richtung Indonesien, orientierte, wo auch Allan Karlssons Lebensgeschichte Station macht. Schon zuvor begegnen sich aber Bestseller und Badetuch flüchtig im Altersheim. Denn dort beginnt der Roman über den hundert Jahre alten Rentner, und auch die Grundfarben des Frottee-Tuches, die eher wie ganz gewöhnlicher Alltag als Exotik anmuten, könnten da zu Hause sein. Na ja, bis man eben die spitzen schwarzen Pfeile auf dem Tuch entdeckt und sich Karlsson zum Angriff rüstet: Über das Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss, die Pantoffeln noch an den Füßen, macht er sich an seinem hundertsten Geburtstag einfach aus dem Staub.
Jonas Jonasson, "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", Carl's Books, 416 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Pendleton, 40 Euro.
Zwei für die Freizeit.
David Nicholls, Autor von "Zwei an einem Tag", ist Engländer. Ob er sich im Urlaub an Deutschen stört, die ihm mit ihren Handtüchern zuvorkommen und Liegestühle reservieren? Es soll ja schon Orte mit Handtuch-Polizisten geben, die ein Auge auf die Tücher geworfen haben, die herrenlos auf der Liege verweilen. Ein Wendehandtuch wie dieses von Joop! vermeidet hingegen die Festnahme, indem es ständig sein Gesicht wechselt, indem es zwei Seiten hat, die so unterschiedlich hell und dunkel sind, dass man glaubt, sie gehörten nicht zusammen. Auch Emma und Dexter aus "Zwei an einem Tag" wissen lange nicht, ob sie füreinander bestimmt sind. Ihre Leben laufen so parallel nebeneinander her wie die Seiten des Wendehandtuchs, die abwechselnd ihr Recht auf pralle Sonne einfordern - ohne dass sich ein Tourist dazwischenlegt.
David Nicholls, "Zwei an einem Tag", Heyne, 544 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Joop!, 48 Euro.
Keine Angst vor Leoparden.
Nervigste Frage der lieben Mitreisenden, die dieses Buch im Urlaub zu Gesicht bekommen: Geht es in der Geschichte um einen Leoparden? Nein. "Leopard" beschreibt den Killer lediglich in seinem unauffälligen Verhalten. Er ist einer, der seine Morde aus dem Hinterhalt heraus plant, der unberechenbar ist und dessen Spur sich besonders schwierig verfolgen lässt. Für ihn lässt sich Harry Hole, Kommissar der Nesbø-Bücher, überreden, von Hongkong nach Oslo zurückzukehren, um dort zu ermitteln. Auf der anderen Seite: Wer furchtlos genug für diesen achten Fall von Hole ist, wer schon "Fledermaus", den ersten Fall, oder "Schneemann", den siebten, bei sich zu Hause im Regal stehen hat, wird sich bestimmt nicht vor einem Handtuch fürchten, das Leoparden in seinem Muster doch noch wörtlich nimmt.
Jo Nesbø, "Leopard", Ullstein, 704 Seiten, 10,99 Euro.
Handtuch: Louis Vuitton, 405 Euro.
Kunst auf Sand.
In den neunziger Jahren erlebte das Handtuch einen Aufstieg: Aus dem einfachen Frotteelappen wurde ein Designerstück. Heute hingegen geht es in die entgegengesetzte Trend-Richtung: Aus dem Kunstwerk wird ein einfaches Handtuch. Julian Schnabel, Yoko Ono, Peter Doig, Barbara Kruger oder Ed Ruscha haben für die Marke Works on Whatever (WOW) bereits Handtücher gestaltet, die gewisse Strandabschnitte wie Kunstgalerien aussehen lassen. Für die Künstler ist das auch eine Möglichkeit, sich mit einem Alltagsprodukt mitzuteilen. Ed Ruscha zum Beispiel deutet mit dem Satz "The study of friction and wear on mating surfaces" die verflochtenen Stränge von Beziehungsmustern auf dem Handtuch an. "Die Liebeshandlung" von Jeffrey Eugenides vertieft sie anschließend.
Jeffrey Eugenides, "Die Liebeshandlung", Rowohlt, 624 Seiten, 24,95 Euro.
Handtuch: Works on Whatever (WOW), 95 Euro.
Freiheit, immer.
Auf dem Tuch ist die Freiheitsstatue abgebildet. Da muss auch Natale, "Der Junge, der Träume schenkte", auf dem Schiff aus Übersee vorbei. Gerade ist er dabei, in die Vereinigten Staaten zu immigrieren, und bekommt bald einen neuen Namen, Christmas, sowie eine neue Heimat verpasst. "Du bist Amerikaner", bleut ihm die Mutter ein, und Christmas wiederholt es, etwa wenn ihn andere Jungs beschimpfen. Überhaupt plaudert er so lange, bis der amerikanische Traum seiner ist, als hätte er den Gedanken an Lady Liberty so im Kopf, wie sie beim Leser im Nacken liegt.
Luca di Fulvio, "Der Junge, der Träume schenkte", Bastei Lübbe, 783 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Möve, 49,90 Euro.
Frottee und andere Stoffe.
In den vierziger Jahren entdecken drei Frauen auf der Suche nach süßem Ruhm süße Psychopharmaka. Anfangs scheinen diese so ungefährlich wie ein Stück Katjes-Yoghurt-Gum. Aus dem Erzählstoff wurden ein Buch und mehrere Filme; Petit Bateau rollt nun für den Sommer auf dem Frottee Punkte und Streifen aus, die an den Rausch von Jennifer, Anne und Neely erinnern. Auch wenn es sich auf diesem Stoff viel besser leben und lesen lässt.
Jacqueline Susann, "Valley of the Dolls", Grove/Atlantic Inc., 442 Seiten, 11,20 Euro (im englischen Original). Auf Deutsch gebraucht bei Amazon-Händlern zu kaufen.
Handtuch: Petit Bateau, 49 Euro.
Strand- und Mordmotive.
Sommer in Frankreich: Vom Handtuch wird viel erwartet. Inmitten der Massen markiert es den Platz, auf dem man nur Schönes erleben möchte. Gut also, wenn das Sonnenschirm-Motiv von Hermès die besten anderthalb Quadratmeter Strand als reserviert kennzeichnet, selbst wenn man sich kurz im Meer abkühlt. Dass sich Schönes auch mit Schauerlichem versteht, zeigt der andere Sommer in Frankreich: Der Kommissar ist neu an der bretonischen Küste und hat es gleich mit dem Mord an dem Besitzer eines legendären Hotels zu tun, in dem Urlauber eigentlich die schönsten Wochen des Jahres verbringen sollen. Dort ist auch das Hermès-Strandtuch vermutlich kein Fremder.
Jean-Luc Bannalec, "Bretonische Verhältnisse", Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Hermès, 410 Euro.
Tragödien in Blau-Weiß.
Das Paar aus Berlin könnte die Zeit mit dem deutschen Tauchlehrer auf Lanzarote auch nutzen, um in dem 14000-Euro-Urlaub wirklich etwas zu lernen. Vor den beiden liegt schließlich nichts als der Atlantik, der dem Mix aus November-Winden und Sonnenstrahlen eine Bühne zum Tanzen bietet und daraus bestimmt Lichtmosaike kreiert, die dem Motiv auf dem Strandhandtuch von Ralph Lauren ähneln. Aber so verworren, wie das Muster des Tuches daherkommt, ist auch die Beziehung des Paares. Auf dem blau-weißen Tuch mag man in den Lesepausen wegdösen, ansonsten erlebt man Tauchgänge in allerlei Tiefen, echte und metaphorische.
Juli Zeh, "Nullzeit", Schöffling & Co., 256 Seiten, 19,95 Euro.
Handtuch: Ralph Lauren Home, 125 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Richtige Literatur, zumindest von der Aufmachung her, hat Kristina Maidt-Zinke in Händen. Dass der deutsch-bretonische Debütant ein bisschen Maigret nacheifert, verzeiht die Rezensentin ihm gerne. Allerdings könnte Jean-Luc Bannalec für ihren Geschmack noch etwas an der Dramaturgie seiner mit diesem Band startenden Dupin-Romane arbeiten - erst dann wird aus ihm ein guter Maigret-Epigone. Weil die Publikumsranschmeiße für Maidt-Zinke gleichfalls unübersehbar ist, steckt sie die etwas arg übersichtliche Handlung, die sämtliche sozialen Brennpunkte umschifft, sowie den altmodischen, recht tugendhaften Commissaire so weg und freut sich lieber an der stimmungsvollen maritimen Tapete, die der Autor aufhängt, gekonnt sogar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ungewöhnlich spannend, voller Atmosphäre, mit einem grundsympathischen Ermittler, dessen Ecken und Kanten den Leser sofort für ihn einnehmen.« Tilman Spreckelsen FAZ