Am Fuße des malerischen Belon, zwischen Klippen, Zauberwäldern und Atlantik, dort, wo die weltweit berühmtesten Austern gezüchtet werden, wird eine Leiche entdeckt. Doch als die Polizei vor Ort eintrifft, ist sie verschwunden. Nur eine alte, verwirrte Filmdiva ist sich sicher, kurz zuvor einen Toten gesehen zu haben. Wenig später wird in den sagenumwobenen Monts d`Arrée, um die sich Legenden von Feen und dem Teufel ranken, ebenfalls eine Leiche gemeldet. Diese ist glücklicherweise noch am Platz, als Dupin mit seinen Kollegen dort ankommt. Doch niemand kennt die Identität des Toten. Als sich herausstellt, dass die Spuren bis in keltische Nachbarländer und zu bretonischen Druiden-Kulten führen und Dupin zu allem Überfluss auch noch einen seiner Inspektoren entbehren muss, der des organisierten Sandraubs beschuldigt wird, ahnt der Kommissar: Dies wird sein aberwitzigster Fall.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2015Xenophons Erben
Krimis in Kürze: Bannalec, Kanaris und Jim Thompson
Nicht alles, was wirklich ist, ist deshalb auch vernünftig. Der Erfolg von Kriminalromanen, wie sie etwa Donna Leon schreibt oder, noch nicht ganz so lange, Jean-Luc Bannalec, hinter dem sich, von diesem undementiert, ein deutscher Verlagsmanager verbergen soll, dieser Erfolg ist nicht weiter überraschend, auch wenn er mit der Qualität der jeweiligen Prosa oder mit dem Raffinement der Plots wenig zu tun hat. Wahrheit und Erfolgsgeheimnis dieser Romane kommen ganz zwanglos zum Vorschein, wenn sie verfilmt werden. Die Fernsehspiele sehen dann im Falle von Leon oder Bannalec so aus, als seien die Bücher schon maßgefertigt für jene Einheitsästhetik, mit der die ARD-Degeto seit Jahren das Publikum unterfordert: betulich, harmlos, mittelmäßig inszeniert, mit vielen touristischen Schauwerten und einer Geschichte, die nie Spannung aufkommen lässt.
Auch Bannalecs neues Buch "Bretonischer Stolz" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 384 S., br., 14,99 [Euro]) ist schon Halbfertigprodukt für die Prime. Weil seine Romane insgesamt noch ein wenig kulinarischer ausfallen als Leons venezianische Krimi-Simulationen, geht es diesmal um Austern und Austernzüchter, es kommen hinzu reichlich bretonisches Brauchtum und Veränderungen im Privatleben des Kommissars Georges Dupin, der aus Paris nach Concarneau versetzt wurde und dort mittlerweile sein fünfjähriges Dienstjubiläum feiert. Trotz zweier Leichen, eine davon verschwindet sofort wieder, hält sich die Neugier in Grenzen, wer's denn nun war. Die Ermittlung schleppt sich voran. Im Gestus eines ambitionierten Sonntagsmalers beschreibt Bannalec rauhe Naturschönheiten, lässt Dupin die erste Auster seines Lebens essen, und für die Morde findet sich dann auch noch eine Lösung. Beim Lesen von Bannalec komme man "sofort in allerschönste Ferienstimmung", hat die neue "Literarische-Quartett"-Fachkraft Christine Westermann gesagt. Da ist was dran. In Lesestimmung kommt man bei dieser gediegenen Reiseführerprosa eher nicht.
Aber dafür kann man bereits Reisen auf Dupins Spuren buchen. Auch in anderen Regionen haben sich längst fremdenverkehrsamttaugliche Helden etabliert. Der Brite Martin Walker etwa lässt seinen Bruno im malerischen Périgord ermitteln, im Trüffel-Land, und wenn auch Athen nicht ganz so pittoresk sein mag zurzeit, so ist doch Petros Markaris, Erfinder von Kommissar Kostas Charitos, für das deutsche Feuilleton zur Auskunftsperson fürs griechische Wesen geworden.
Um aus Attika zu berichten, ohne diesen leicht penetranten Folkloreeinschlag, muss man nun nicht Grieche sein. Leo Kanaris gibt eine griechisch-irische Abstammung an, heißt aber in Wahrheit Alex Martin, was ihn bei uns nun nicht bekannter macht. "Inseltod" (Aufbau Verlag, 288 S., br., 9,99 [Euro]) ist der erste Kriminalroman des britischen Schriftstellers und Publizisten. Der Titel ist semantisch etwas schief, das Original deutlich reizvoller: "Codename Xenophon". Der Plot stößt uns und den Privatdetektiv George Zafiris mitten hinein in die Schuldenkrise, die auch Ägina, die schöne Insel im Saronischen Golf, natürlich nicht verschont hat. Ein Professor für Altertumskunde wurde dort erschossen, der über die dunklen Seite der alten Griechen forschte. Zafiris wird aus Athen gerufen, nachdem er gerade noch für einen Minister dessen Ehefrau überwacht hat, derweil ein Freund und Kollege den Mann im Auftrag der Gattin observiert hat. Sehr griechisch: ein Chiasmus.
Kanaris gelingt es ziemlich geschickt, im Gang der Ermittlungen bürokratische Auswüchse bei der Polizei, Nepotismus, Korruption und die Verlotterung der politischen Kaste als ganz alltägliche Phänomene sichtbar werden zu lassen, ohne dabei allzu krude werden zu müssen. Als Mann um die fünfzig weiß Zafiris, dass das ganze Elend ja schon zu Zeiten von Papandreou anfing. Das Krude übernehmen lieber georgische Schläger, die nicht nur Zafiris' Wohnung in der Aristoteles-Straße aufmischen. Der Detektiv kommt natürlich davon, er soll ja noch weitere Romane bevölkern, auch nach einem "Grexit", und dieser skeptische Patriot hat auch das Potential, weil er ohne Marlowe-Manierismen und andere leicht muffige Requisiten aus dem Fundus auftritt.
Und zum Schluss keine Pauschalreise, sondern eine historische Abenteuerfahrt. Man staunt über die Ignoranz, die dahintersteckt, dass es noch im Jahr 2015 zur deutschen Erstausgabe eines Romans von Jim Thompson (1906-1977) kommen kann. "Südlich vom Himmel" (Heyne Hardcore, 304 S., br., 9,99 [Euro]) erzählt eine Geschichte aus dem Texas der zwanziger Jahre, erschien 1967, sein junger Held Tommy Burwell arbeitet für eine Ölgesellschaft in der Wüste und gerät, wegen einer Frau, in eine dieser Sachen, auf die man sich nicht einlassen sollte. Und er will wieder raus. Ganz einfach. Der Ton ist rauh wie die Arbeit, auch wenn Tommy ab und zu Gedichte schreibt, und zugleich kristallin und klar. Da sitzt jeder Satz wie die Handgriffe bei den Sprengarbeiten, auch dank Peter Torbergs Übersetzung. Ein großes Vergnügen!
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Bannalec, Kanaris und Jim Thompson
Nicht alles, was wirklich ist, ist deshalb auch vernünftig. Der Erfolg von Kriminalromanen, wie sie etwa Donna Leon schreibt oder, noch nicht ganz so lange, Jean-Luc Bannalec, hinter dem sich, von diesem undementiert, ein deutscher Verlagsmanager verbergen soll, dieser Erfolg ist nicht weiter überraschend, auch wenn er mit der Qualität der jeweiligen Prosa oder mit dem Raffinement der Plots wenig zu tun hat. Wahrheit und Erfolgsgeheimnis dieser Romane kommen ganz zwanglos zum Vorschein, wenn sie verfilmt werden. Die Fernsehspiele sehen dann im Falle von Leon oder Bannalec so aus, als seien die Bücher schon maßgefertigt für jene Einheitsästhetik, mit der die ARD-Degeto seit Jahren das Publikum unterfordert: betulich, harmlos, mittelmäßig inszeniert, mit vielen touristischen Schauwerten und einer Geschichte, die nie Spannung aufkommen lässt.
Auch Bannalecs neues Buch "Bretonischer Stolz" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 384 S., br., 14,99 [Euro]) ist schon Halbfertigprodukt für die Prime. Weil seine Romane insgesamt noch ein wenig kulinarischer ausfallen als Leons venezianische Krimi-Simulationen, geht es diesmal um Austern und Austernzüchter, es kommen hinzu reichlich bretonisches Brauchtum und Veränderungen im Privatleben des Kommissars Georges Dupin, der aus Paris nach Concarneau versetzt wurde und dort mittlerweile sein fünfjähriges Dienstjubiläum feiert. Trotz zweier Leichen, eine davon verschwindet sofort wieder, hält sich die Neugier in Grenzen, wer's denn nun war. Die Ermittlung schleppt sich voran. Im Gestus eines ambitionierten Sonntagsmalers beschreibt Bannalec rauhe Naturschönheiten, lässt Dupin die erste Auster seines Lebens essen, und für die Morde findet sich dann auch noch eine Lösung. Beim Lesen von Bannalec komme man "sofort in allerschönste Ferienstimmung", hat die neue "Literarische-Quartett"-Fachkraft Christine Westermann gesagt. Da ist was dran. In Lesestimmung kommt man bei dieser gediegenen Reiseführerprosa eher nicht.
Aber dafür kann man bereits Reisen auf Dupins Spuren buchen. Auch in anderen Regionen haben sich längst fremdenverkehrsamttaugliche Helden etabliert. Der Brite Martin Walker etwa lässt seinen Bruno im malerischen Périgord ermitteln, im Trüffel-Land, und wenn auch Athen nicht ganz so pittoresk sein mag zurzeit, so ist doch Petros Markaris, Erfinder von Kommissar Kostas Charitos, für das deutsche Feuilleton zur Auskunftsperson fürs griechische Wesen geworden.
Um aus Attika zu berichten, ohne diesen leicht penetranten Folkloreeinschlag, muss man nun nicht Grieche sein. Leo Kanaris gibt eine griechisch-irische Abstammung an, heißt aber in Wahrheit Alex Martin, was ihn bei uns nun nicht bekannter macht. "Inseltod" (Aufbau Verlag, 288 S., br., 9,99 [Euro]) ist der erste Kriminalroman des britischen Schriftstellers und Publizisten. Der Titel ist semantisch etwas schief, das Original deutlich reizvoller: "Codename Xenophon". Der Plot stößt uns und den Privatdetektiv George Zafiris mitten hinein in die Schuldenkrise, die auch Ägina, die schöne Insel im Saronischen Golf, natürlich nicht verschont hat. Ein Professor für Altertumskunde wurde dort erschossen, der über die dunklen Seite der alten Griechen forschte. Zafiris wird aus Athen gerufen, nachdem er gerade noch für einen Minister dessen Ehefrau überwacht hat, derweil ein Freund und Kollege den Mann im Auftrag der Gattin observiert hat. Sehr griechisch: ein Chiasmus.
Kanaris gelingt es ziemlich geschickt, im Gang der Ermittlungen bürokratische Auswüchse bei der Polizei, Nepotismus, Korruption und die Verlotterung der politischen Kaste als ganz alltägliche Phänomene sichtbar werden zu lassen, ohne dabei allzu krude werden zu müssen. Als Mann um die fünfzig weiß Zafiris, dass das ganze Elend ja schon zu Zeiten von Papandreou anfing. Das Krude übernehmen lieber georgische Schläger, die nicht nur Zafiris' Wohnung in der Aristoteles-Straße aufmischen. Der Detektiv kommt natürlich davon, er soll ja noch weitere Romane bevölkern, auch nach einem "Grexit", und dieser skeptische Patriot hat auch das Potential, weil er ohne Marlowe-Manierismen und andere leicht muffige Requisiten aus dem Fundus auftritt.
Und zum Schluss keine Pauschalreise, sondern eine historische Abenteuerfahrt. Man staunt über die Ignoranz, die dahintersteckt, dass es noch im Jahr 2015 zur deutschen Erstausgabe eines Romans von Jim Thompson (1906-1977) kommen kann. "Südlich vom Himmel" (Heyne Hardcore, 304 S., br., 9,99 [Euro]) erzählt eine Geschichte aus dem Texas der zwanziger Jahre, erschien 1967, sein junger Held Tommy Burwell arbeitet für eine Ölgesellschaft in der Wüste und gerät, wegen einer Frau, in eine dieser Sachen, auf die man sich nicht einlassen sollte. Und er will wieder raus. Ganz einfach. Der Ton ist rauh wie die Arbeit, auch wenn Tommy ab und zu Gedichte schreibt, und zugleich kristallin und klar. Da sitzt jeder Satz wie die Handgriffe bei den Sprengarbeiten, auch dank Peter Torbergs Übersetzung. Ein großes Vergnügen!
PETER KÖRTE
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»lesenswert, unterhaltsam und sehr kultiviert à la française« bn Bibliotheksnachrichten 20151215