Evelyn Waugh's beloved masterpiece, with an introduction by Paula Byrne
The most nostalgic and reflective of Evelyn Waugh's novels, Brideshead Revisited looks back to the golden age before the Second World War. It tells the story of Charles Ryder's infatuation with the Marchmains and the rapidly disappearing world of privilege they inhabit. Enchanted first by Sebastian Flyte at Oxford, then by his doomed Catholic family, in particular his remote sister, Julia, Charles comes finally to recognise his spiritual and social distance from them.
'Lush and evocative ... Expresses at once the profundity of change and the indomitable endurance of the human spirit'
The Times
The most nostalgic and reflective of Evelyn Waugh's novels, Brideshead Revisited looks back to the golden age before the Second World War. It tells the story of Charles Ryder's infatuation with the Marchmains and the rapidly disappearing world of privilege they inhabit. Enchanted first by Sebastian Flyte at Oxford, then by his doomed Catholic family, in particular his remote sister, Julia, Charles comes finally to recognise his spiritual and social distance from them.
'Lush and evocative ... Expresses at once the profundity of change and the indomitable endurance of the human spirit'
The Times
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.201326. Glück einfach aufheben
Es ist wichtig, früh im Leben viele Töpfe voller Gold zu deponieren. Man weiß nicht, wann man sie mal brauchen kann. Sebastian hat das früh gewusst: "Ich würde gern überall, wo ich glücklich war, etwas Kostbares vergraben. Dann kann ich später, wenn ich hässlich, alt und trübsinnig bin, zurückkommen, es ausgraben und mich daran erinnern." Vieles hat er hier vergraben, in Brideshead. Das Meiste aber in seinem Kopf. Und Evelyn Waugh hat es so schön, lebensweise und sehnsüchtig aufgeschrieben, und Pociao hat es genial neu übersetzt. Dem Leser geht es heute so: "Am blauen Wasser unter den raschelnden Palmen seines Bewusstseins war er glücklich wie ein Südseeinsulaner."
vw
Evelyn Waugh: "Wiedersehen mit Brideshead". Diogenes, 544 Seiten, 26,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist wichtig, früh im Leben viele Töpfe voller Gold zu deponieren. Man weiß nicht, wann man sie mal brauchen kann. Sebastian hat das früh gewusst: "Ich würde gern überall, wo ich glücklich war, etwas Kostbares vergraben. Dann kann ich später, wenn ich hässlich, alt und trübsinnig bin, zurückkommen, es ausgraben und mich daran erinnern." Vieles hat er hier vergraben, in Brideshead. Das Meiste aber in seinem Kopf. Und Evelyn Waugh hat es so schön, lebensweise und sehnsüchtig aufgeschrieben, und Pociao hat es genial neu übersetzt. Dem Leser geht es heute so: "Am blauen Wasser unter den raschelnden Palmen seines Bewusstseins war er glücklich wie ein Südseeinsulaner."
vw
Evelyn Waugh: "Wiedersehen mit Brideshead". Diogenes, 544 Seiten, 26,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013Imperialer Hangover
„Wiedersehen mit Brideshead“ ist ein moderner Klassiker.
Nun liegt der Roman in einer zeitgemäßen Neuübersetzung vor
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
Na, liebe Erstsemester, noch immer kein WG-Zimmer gefunden? Ihr braucht eine beheizte Unterkunft, um bis nachmittags auszuschlafen, das Geld, damit ihr die Nächte durchfeiern könnt, und den Studienplatz als Alibi für beides? Nun, im Oxford des Jahres 1923 ist das nicht viel anders, nur geht das Komasaufen als Oberklassensport entschieden standesgemäßer vonstatten. Da fließt der Champagner schon zum Frühstück, dazu werden ein paar Kiebitzeier eingeworfen, und zur Spritztour im offenen Cabriolet gehört eine Flasche Château Peyraguey nebst einem Körbchen Erdbeeren – welch Gipfel der Dekadenz!
Für die schwelgerische Beschreibung erlesener Köstlichkeiten entschuldigt sich Evelyn Waugh im Vorwort zu „Wiedersehen mit Brideshead“. Als Grund führt er die Hungerphantasien der Kriegsjahre an, in denen der Roman entstand. Wenn nicht gerade ein edler Tropfen vernichtet wird, lassen sich die jungen Kampftrinker im Buch böse Bemerkungen über weniger enthemmte Mitstudenten auf der Lästerzunge zergehen. Außer sexuell aufgeschlossener Männerfreundschaft pflegt man seinen täglichen Hangover und grundsätzlichen Ennui. Denn man ist faul, stinkreich und elitär – und leider geil. Wehe dem, der hier im spießigen Tweedanzug aufschlägt. Taubengrauer Flanell, dazu weißes Crêpe de Chine und die Charvet-Krawatte müssen schon sein. Damit ist man ganz weit vorn, so wie Lord Sebastian, Sebastian Flyte, Libertin, Obersnob und Stilikone der hübsch wohlstandsverwahrlosten Jeunesse dorée am College.
Als Sebastian durch das offene Fenster in die Erdgeschosswohnung des Ich-Erzählers Charles Ryder kotzt, ist das der Beginn einer wunderbaren, unausgesprochen homoerotischen Freundschaft. Doch lange kann das nicht gut gehen – Sebastian wird wegen seiner alkoholischen Exzesse relegiert und landet nach einer Reihe gescheiterter Entziehungskuren in Marokko, wo sich sein deutscher Lover von ihm aushalten lässt. Später geht dieser Schmierlappen zur SS. In Sebastian, dem Schnöselexemplar einer Infantilgesellschaft, stets begleitet von seinem Teddybären Aloysius, endet die männliche Linie der Marchmains – einer Familie, der das „alte Geld“ ausgeht, ohne dass neues hinzukommt. Charles Ryder wird zum Chronisten dieses Niedergangs, in dem sich der Sturz einer ganzen Gesellschaftsklasse und letztlich des britischen Empires spiegelt.
„Wiedersehen mit Brideshead“ ist einer der großen Verfallsromane der Weltliteratur, ein Abgesang auf die dem Untergang geweihte alte Welt. Als Infanteriehauptmann im Zweiten Weltkrieg kehrt Charles Ryder nach Brideshead, ins verwaiste Landhaus der Marchmains, zurück, seine Kompanie bezieht dort Quartier. Das ruft Erinnerungen an seine Jugend wach, an die Verstoßung aus jenem Paradies, als die Twenties noch röhrten, bevor sie elend verröchelten. Der Roman ist längst ein Klassiker, Höhepunkt und Abschluss des Genres der Herrenhausliteratur. Seinen Erfolg verdankt das Buch auch der elfteiligen, bis dahin teuersten englischen Fernsehserie aus den Achtzigern mit dem jungen Jeremy Irons, einem TV-Movie, bevor es dieses Unwort überhaupt gab.
Als der Roman 1945 erschien, fanden allerdings zunächst viele, das sei durchaus nicht ihre Tasse Tee. Allzu rückschrittlich und untertänig beuge Waugh das Knie vor der abgedankten Adelsgesellschaft, hieß es. Vor allem seine Verklärung des Katholizismus – Waugh war selbst mit 27 konvertiert – irritierte die Kritiker, schließlich ist es dessen Verbotskultur, die den Ich-Erzähler gleich zweimal um die Liebe seines Lebens bringt. Waughs religiöse Wandlung muss man wohl als dandyeske Kapriole und Teil einer persönlichen Traumatherapie verbuchen. Es ging ihm um den Distinktionsgewinn gegenüber einer Massenkultur. Ähnlich wie im heutigen Feuilleton-Katholizismus sprach aus der Sehnsucht nach festen Formen und Ritualen der Protest gegen eine schrecklich unglamouröse, profane Gegenwart.
Evelyn Waugh, der Offizier und Gentleman, war ein reaktionärer Provokateur, der noch die konservativen Tories des Bolschewismus verdächtigte, ein glühender Patriot, selbstmörderischer Frontkämpfer und gusseiserner Familienpatriarch – unsäglich eitel und borniert aus Prinzip. Ein Anti-Modernist, der alles Neue und Ausländische verteufelte. In einem berüchtigten BBC-Interview verteidigte er 1953 die Todesstrafe und erklärte sich bereit, zur Not selbst den Strick in die Hand zu nehmen. Und nach dem Mann auf der Straße gefragt, sagte er: „So jemandem bin ich noch nie begegnet.“
Gleichwohl ist „Wiedersehen mit Brideshead“ keineswegs ein Werk, das einseitig einer vermeintlich heroischeren Epoche huldigt und in efeuumrankter Morbidezza schwelgt. Vielmehr zeigt Waughs ebenso elegisch wie ironisch intonierter Roman die innere Fäulnis des überlebten Klassensystems. Schon dass Charles sich in seinem Beruf als Maler auf die Darstellung englischer Landsitze kapriziert, verdeutlicht, wie sehr die alte Ordnung in die Phase ihrer Musealisierung eingetreten ist. Den Ruhm und Wohlstand, den er aus dieser ästhetischen Sterbebegleitung zieht, empfindet er selbst als parasitär.
In seinem Element ist der große Satiriker Waugh, wenn er die Überfahrt von Charles und seiner amerikanischen Frau auf einem Luxusliner nach England schildert. An Bord beginnt die langjährige Amour fou mit Sebastians Schwester Julia. Auch sie ist ein „Sorgenkind“ und von nicht minder androgynem Reiz als ihr Bruder. „Ihr Geschlecht“, so Charles über die Geschwister, „war der einzige konkrete Unterschied zwischen dem Vertrauten und dem Fremden.“
Von einer Schiffsreise handelt ebenfalls die Erzählung „Kreuzfahrt“, ein hinreißend gehässiges Stück Rollenprosa aus der Sicht eines pseudo-naiven Backfischs, der in aller Unbefangenheit die Frivolitäten an Bord schildert. Die Geschichte findet sich in dem Band „Ausflug ins wirkliche Leben“, einer Art Zugabe zu „Brideshead“. Die Auswahl versammelt Erzählungen Waughs, fünf davon erstmals auf Deutsch, alle in einem schnellen, kolloquialen Ton gehalten und ersichtlich für mondäne Gesellschaftsmagazine geschrieben. Mit sarkastischer Delikatesse kreisen die Texte um das zerbeulte Ego, das Highbrow-Engländer davontragen, wenn sie mit der Realität kollidieren. Und die stiff upper lip sich maliziös zu kräuseln beginnt.
Da wird etwa ein Expeditionsreisender im Dschungel von einem Kolonisten festgehalten, damit er ihm bis ans Ende seines Lebens Dickens-Romane vorliest. Oder eine betagte Lady arrangiert eine Party, zu der niemand eingeladen ist, einzig, um die Gäste, die ungeladen kommen, bloßzustellen. Auch Charles Ryder aus „Brideshead“ hat einen Auftritt, Episoden aus seiner Schulzeit werden hier nachgetragen.
Waughs schmerzlich schönes Hauptwerk aber bleibt dieser Roman, der nach über fünfzig Jahren erstmals in einer neuen, erfrischend spritzigen Sprachgestalt vorliegt. Die Übersetzerin pociao hat ihn in ein Deutsch übertragen, das an die nervös vibrierenden Dialoge einer Screwball-Comedy erinnert. Im Vergleich zerbröseln die Vorgänger wie ranzige Shortbread Fingers. Manche Wortfindung zoomt den Roman sehr nah an die Gegenwart, etwa Ausdrücke wie „angesagt“, „halbgar“ oder „kaputt“ in Bezug auf Sebastian, von dem es einmal heißt, er sei „schwer abgestürzt“ – dieser Sound flutscht britpoppig ins Ohr. Leicht zusammenzucken lässt einen nur der „Medienzar“, schon weil Waugh die zu seiner Zeit neuen Medien, Radio und Fernsehen kategorisch ablehnte. „Zeitungsmagnat“ wie im Original hätte esauch getan. Aber ein großer Roman wie dieser hält das aus. Denn „Wiedersehen mit Brideshead“ ist kein Nippes für anglophile Wachsjacken-Nostalgiker, sondern der betörende Schwanengesang auf eine Epoche. Natürlich – weg war der Roman nie, aber deutsche Leser mussten lange warten auf ein Wiedersehen mit dem „Wiedersehen“.
Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead. Roman. Aus dem Englischen von pociao. Mit einem Nachwort von Daniel Kampa. Diogenes Verlag, Zürich 2013. 544 S., 26,90 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Evelyn Waugh: Ausflug ins wirkliche Leben und andere Meistererzählungen. Aus dem Englischen von Otto Bayer, Elisabeth Schnack, Matthias Fienbork und Hans-Ulrich Möhring. Diogenes Verlag, Zürich 2013. 480 S., 19,90 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Den Roman flankiert ein
schöner Band mit ausgewählten
Erzählungen des Autors
„,Hier essen wir normalerweise, wenn wir allein sind‘, sagte Sebastian. ,Es ist so gemütlich.‘“ Szene aus Julian Jarrolds Verfilmung von „Wiedersehen in Brideshead“ aus dem Jahr 2008.
FOTO: DPA
Evelyn Waugh , (1903– 1966), war so etwas wie ein schreibender Berufs-Brite. Zu seinem Verdruss wurde „Brideshead“ zuerst in den USA ein Bestseller – trotz Waughs Warnhinweis, das Buch sei nicht komisch gemeint. FOTO: GETTY IMAGES
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Wiedersehen mit Brideshead“ ist ein moderner Klassiker.
Nun liegt der Roman in einer zeitgemäßen Neuübersetzung vor
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
Na, liebe Erstsemester, noch immer kein WG-Zimmer gefunden? Ihr braucht eine beheizte Unterkunft, um bis nachmittags auszuschlafen, das Geld, damit ihr die Nächte durchfeiern könnt, und den Studienplatz als Alibi für beides? Nun, im Oxford des Jahres 1923 ist das nicht viel anders, nur geht das Komasaufen als Oberklassensport entschieden standesgemäßer vonstatten. Da fließt der Champagner schon zum Frühstück, dazu werden ein paar Kiebitzeier eingeworfen, und zur Spritztour im offenen Cabriolet gehört eine Flasche Château Peyraguey nebst einem Körbchen Erdbeeren – welch Gipfel der Dekadenz!
Für die schwelgerische Beschreibung erlesener Köstlichkeiten entschuldigt sich Evelyn Waugh im Vorwort zu „Wiedersehen mit Brideshead“. Als Grund führt er die Hungerphantasien der Kriegsjahre an, in denen der Roman entstand. Wenn nicht gerade ein edler Tropfen vernichtet wird, lassen sich die jungen Kampftrinker im Buch böse Bemerkungen über weniger enthemmte Mitstudenten auf der Lästerzunge zergehen. Außer sexuell aufgeschlossener Männerfreundschaft pflegt man seinen täglichen Hangover und grundsätzlichen Ennui. Denn man ist faul, stinkreich und elitär – und leider geil. Wehe dem, der hier im spießigen Tweedanzug aufschlägt. Taubengrauer Flanell, dazu weißes Crêpe de Chine und die Charvet-Krawatte müssen schon sein. Damit ist man ganz weit vorn, so wie Lord Sebastian, Sebastian Flyte, Libertin, Obersnob und Stilikone der hübsch wohlstandsverwahrlosten Jeunesse dorée am College.
Als Sebastian durch das offene Fenster in die Erdgeschosswohnung des Ich-Erzählers Charles Ryder kotzt, ist das der Beginn einer wunderbaren, unausgesprochen homoerotischen Freundschaft. Doch lange kann das nicht gut gehen – Sebastian wird wegen seiner alkoholischen Exzesse relegiert und landet nach einer Reihe gescheiterter Entziehungskuren in Marokko, wo sich sein deutscher Lover von ihm aushalten lässt. Später geht dieser Schmierlappen zur SS. In Sebastian, dem Schnöselexemplar einer Infantilgesellschaft, stets begleitet von seinem Teddybären Aloysius, endet die männliche Linie der Marchmains – einer Familie, der das „alte Geld“ ausgeht, ohne dass neues hinzukommt. Charles Ryder wird zum Chronisten dieses Niedergangs, in dem sich der Sturz einer ganzen Gesellschaftsklasse und letztlich des britischen Empires spiegelt.
„Wiedersehen mit Brideshead“ ist einer der großen Verfallsromane der Weltliteratur, ein Abgesang auf die dem Untergang geweihte alte Welt. Als Infanteriehauptmann im Zweiten Weltkrieg kehrt Charles Ryder nach Brideshead, ins verwaiste Landhaus der Marchmains, zurück, seine Kompanie bezieht dort Quartier. Das ruft Erinnerungen an seine Jugend wach, an die Verstoßung aus jenem Paradies, als die Twenties noch röhrten, bevor sie elend verröchelten. Der Roman ist längst ein Klassiker, Höhepunkt und Abschluss des Genres der Herrenhausliteratur. Seinen Erfolg verdankt das Buch auch der elfteiligen, bis dahin teuersten englischen Fernsehserie aus den Achtzigern mit dem jungen Jeremy Irons, einem TV-Movie, bevor es dieses Unwort überhaupt gab.
Als der Roman 1945 erschien, fanden allerdings zunächst viele, das sei durchaus nicht ihre Tasse Tee. Allzu rückschrittlich und untertänig beuge Waugh das Knie vor der abgedankten Adelsgesellschaft, hieß es. Vor allem seine Verklärung des Katholizismus – Waugh war selbst mit 27 konvertiert – irritierte die Kritiker, schließlich ist es dessen Verbotskultur, die den Ich-Erzähler gleich zweimal um die Liebe seines Lebens bringt. Waughs religiöse Wandlung muss man wohl als dandyeske Kapriole und Teil einer persönlichen Traumatherapie verbuchen. Es ging ihm um den Distinktionsgewinn gegenüber einer Massenkultur. Ähnlich wie im heutigen Feuilleton-Katholizismus sprach aus der Sehnsucht nach festen Formen und Ritualen der Protest gegen eine schrecklich unglamouröse, profane Gegenwart.
Evelyn Waugh, der Offizier und Gentleman, war ein reaktionärer Provokateur, der noch die konservativen Tories des Bolschewismus verdächtigte, ein glühender Patriot, selbstmörderischer Frontkämpfer und gusseiserner Familienpatriarch – unsäglich eitel und borniert aus Prinzip. Ein Anti-Modernist, der alles Neue und Ausländische verteufelte. In einem berüchtigten BBC-Interview verteidigte er 1953 die Todesstrafe und erklärte sich bereit, zur Not selbst den Strick in die Hand zu nehmen. Und nach dem Mann auf der Straße gefragt, sagte er: „So jemandem bin ich noch nie begegnet.“
Gleichwohl ist „Wiedersehen mit Brideshead“ keineswegs ein Werk, das einseitig einer vermeintlich heroischeren Epoche huldigt und in efeuumrankter Morbidezza schwelgt. Vielmehr zeigt Waughs ebenso elegisch wie ironisch intonierter Roman die innere Fäulnis des überlebten Klassensystems. Schon dass Charles sich in seinem Beruf als Maler auf die Darstellung englischer Landsitze kapriziert, verdeutlicht, wie sehr die alte Ordnung in die Phase ihrer Musealisierung eingetreten ist. Den Ruhm und Wohlstand, den er aus dieser ästhetischen Sterbebegleitung zieht, empfindet er selbst als parasitär.
In seinem Element ist der große Satiriker Waugh, wenn er die Überfahrt von Charles und seiner amerikanischen Frau auf einem Luxusliner nach England schildert. An Bord beginnt die langjährige Amour fou mit Sebastians Schwester Julia. Auch sie ist ein „Sorgenkind“ und von nicht minder androgynem Reiz als ihr Bruder. „Ihr Geschlecht“, so Charles über die Geschwister, „war der einzige konkrete Unterschied zwischen dem Vertrauten und dem Fremden.“
Von einer Schiffsreise handelt ebenfalls die Erzählung „Kreuzfahrt“, ein hinreißend gehässiges Stück Rollenprosa aus der Sicht eines pseudo-naiven Backfischs, der in aller Unbefangenheit die Frivolitäten an Bord schildert. Die Geschichte findet sich in dem Band „Ausflug ins wirkliche Leben“, einer Art Zugabe zu „Brideshead“. Die Auswahl versammelt Erzählungen Waughs, fünf davon erstmals auf Deutsch, alle in einem schnellen, kolloquialen Ton gehalten und ersichtlich für mondäne Gesellschaftsmagazine geschrieben. Mit sarkastischer Delikatesse kreisen die Texte um das zerbeulte Ego, das Highbrow-Engländer davontragen, wenn sie mit der Realität kollidieren. Und die stiff upper lip sich maliziös zu kräuseln beginnt.
Da wird etwa ein Expeditionsreisender im Dschungel von einem Kolonisten festgehalten, damit er ihm bis ans Ende seines Lebens Dickens-Romane vorliest. Oder eine betagte Lady arrangiert eine Party, zu der niemand eingeladen ist, einzig, um die Gäste, die ungeladen kommen, bloßzustellen. Auch Charles Ryder aus „Brideshead“ hat einen Auftritt, Episoden aus seiner Schulzeit werden hier nachgetragen.
Waughs schmerzlich schönes Hauptwerk aber bleibt dieser Roman, der nach über fünfzig Jahren erstmals in einer neuen, erfrischend spritzigen Sprachgestalt vorliegt. Die Übersetzerin pociao hat ihn in ein Deutsch übertragen, das an die nervös vibrierenden Dialoge einer Screwball-Comedy erinnert. Im Vergleich zerbröseln die Vorgänger wie ranzige Shortbread Fingers. Manche Wortfindung zoomt den Roman sehr nah an die Gegenwart, etwa Ausdrücke wie „angesagt“, „halbgar“ oder „kaputt“ in Bezug auf Sebastian, von dem es einmal heißt, er sei „schwer abgestürzt“ – dieser Sound flutscht britpoppig ins Ohr. Leicht zusammenzucken lässt einen nur der „Medienzar“, schon weil Waugh die zu seiner Zeit neuen Medien, Radio und Fernsehen kategorisch ablehnte. „Zeitungsmagnat“ wie im Original hätte esauch getan. Aber ein großer Roman wie dieser hält das aus. Denn „Wiedersehen mit Brideshead“ ist kein Nippes für anglophile Wachsjacken-Nostalgiker, sondern der betörende Schwanengesang auf eine Epoche. Natürlich – weg war der Roman nie, aber deutsche Leser mussten lange warten auf ein Wiedersehen mit dem „Wiedersehen“.
Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead. Roman. Aus dem Englischen von pociao. Mit einem Nachwort von Daniel Kampa. Diogenes Verlag, Zürich 2013. 544 S., 26,90 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Evelyn Waugh: Ausflug ins wirkliche Leben und andere Meistererzählungen. Aus dem Englischen von Otto Bayer, Elisabeth Schnack, Matthias Fienbork und Hans-Ulrich Möhring. Diogenes Verlag, Zürich 2013. 480 S., 19,90 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Den Roman flankiert ein
schöner Band mit ausgewählten
Erzählungen des Autors
„,Hier essen wir normalerweise, wenn wir allein sind‘, sagte Sebastian. ,Es ist so gemütlich.‘“ Szene aus Julian Jarrolds Verfilmung von „Wiedersehen in Brideshead“ aus dem Jahr 2008.
FOTO: DPA
Evelyn Waugh , (1903– 1966), war so etwas wie ein schreibender Berufs-Brite. Zu seinem Verdruss wurde „Brideshead“ zuerst in den USA ein Bestseller – trotz Waughs Warnhinweis, das Buch sei nicht komisch gemeint. FOTO: GETTY IMAGES
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de