»Er hat sich einen Plastiksack über den Kopf gezogen, sagte der Feuerwehrhauptmann. Rosa wollte ihn nicht sehen, und der Feuerwehrhauptmann sagte auch, es sei besser so. Ein schöner Anblick sei es nicht. Rosa blieb draußen stehen, vor der aufgebrochenen Tür. Ob es ein Unfall gewesen sei, fragte sie.
Sie können besser damit leben, wenn es ein Unfall gewesen wäre.« |7
Mit einem Knall steigt der…mehr»Er hat sich einen Plastiksack über den Kopf gezogen, sagte der Feuerwehrhauptmann. Rosa wollte ihn nicht sehen, und der Feuerwehrhauptmann sagte auch, es sei besser so. Ein schöner Anblick sei es nicht. Rosa blieb draußen stehen, vor der aufgebrochenen Tür. Ob es ein Unfall gewesen sei, fragte sie. Sie können besser damit leben, wenn es ein Unfall gewesen wäre.« |7
Mit einem Knall steigt der leise und melancholische Töne anschlagende Roman »Brief vom Vater« ein. Der Sohn der Protagonistin Rosa hat sich wahrscheinlich das Leben genommen, in der Hand einen Brief seines Vaters, der sich ebenfalls das Leben nahm. Dabei hatte Rosa immer gehofft auf das gute Leben. Sie hat sich bewegt innerhalb der Möglichkeiten, die ihre Kleinstadt einer Friseurin bietet und nun ist es so gekommen. Sie lebt allein in dem Haus, das heruntergekommen ist, wie ihr Leben, in einer Kleinstadt, die verwaist, wie sie.
Lakonisch-nüchtern setzt die Figur Rosa an, ihre Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, nach der im Ort, abgesehen von, "hast du schon gehört, die alte..." niemand genau fragt. Ihr erster Mann Sigi, attraktiver Schützenkönig, weckte alle Hoffnungen auf ein gutes aufregendes Leben und den Aufstieg. Doch ist er stumpf, um den gemeinsamen Sohn kümmert er sich weniger, als um den Fussball, im Fernsehen, während sie alle Arbeit macht. Im Friseursalon wird Rosa umworben von Männern von Welt. Und als der von seiner Frau verlassene Drogerist Klaus um sie wirbt, lässt sie sich ein. Endlich ist sie wer, darf Teil der Eliten der Kleinstadt sein, auch wenn ein Preis zu zahlen ist. Weit entfernt die anderen Frauen, besitzergreifend und einengend der Mann und seine Freunde begrapschen die im Vergleich viel jüngere Frau, als wäre sie Ware. Und ihr Sohn Severin muss nehmen, was ihm gelassen wird, geduldet von Klaus, von Klaus Kindern drangsaliert und vom Vater übersehen, vom Vater immer übersehen, der seiner neuen Familie und seinem neuen Sohn alle Liebe zu schenken scheint.
Kögl schafft es, dieser tragischen Konstellation Lockerheit, Witz und einen liebevollen Blick hinzuzufügen, wie es der österreichischen
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... Erzähltradition innewohnen zu scheint. Die Sprache wirkt einfach, der Blick ist direkt und nüchtern. Die Fäden der Themen sind locker gespannt, so dass sich in eigenen Gedanken der ganze Raum der Geschichte und ihrer gesellschaftlichen Bezüge entfaltet.
Der Wandel der steierischen Kleinstadt dient als Spiegel des Werdegangs der Figur Rosa und die Figur Rosa dient als Spiegel für den Wandel der Kleinstadt. Lebhaft und hoffnungsvoll im Beginn, hat alles seinen Platz, es gibt unten und oben. Eine attraktive Frau von unten scheint diese Grenzen überwinden zu können, doch sie wird sich stoßen und Anstoß nehmen. Sie kann sich unterordnen oder gleich Schaden nehmen und auch in der Unterordnung wird der Schaden sie einholen. Die Grenzen und der Kern des Oben verändert sich, manche Eliten kommen mit dem Wandel mit, andere bleiben auf der Strecke, wie Klaus, dessen Drogerie in der Innenstadt der Konkurrenz des Einkaufszentrums nicht standhalten kann. Und schließlich ist es vorbei, der anspruchslose Siggi doppelt verlassen und tot, der Drogerist Klaus gefallen und tot, der Sohn Serverin, der seinen Platz nie fand, tot und Rosa bleibt, überlebend. Sie erscheint nicht mehr hoffnungsvoll, nicht mehr attraktiv, sondern leer, wie das heutige Zentrum vieler sterbender Innenstädte. Sehr lesenswert und mit Sicherheit nicht mein letzter Roman der Autorin.