Die Bände 11 und 12 enthalten eine für Schillers Lebens- und Werkgeschichte repräsentative Auswahl von 890 Briefen, die an 105 verschiedene Adressaten gerichtet sind, die meisten an Goethe und Körner, viele an Cotta, etliche an Schillers Eltern und Geschwister, an seine Frau Charlotte, an seine Schwägerin Caroline von Beulwitz (Wolzogen), an Wilhelm von Hum-boldt und Göschen. Die Briefe geben einen Einblick in das Privatleben des Dichters und las-sen den Leser teilnehmen am Entstehungsprozeß seiner Hauptwerke und an den Mühen seiner Tätigkeiten als Zeitschriften- und Almanach-Herausgeber; sie zeigen Schiller als Schuldner, als Geschäftsmann, als Liebhaber, als Familienvater, als genauen Beobachter und Kritiker der Zeit- und Weltverhältnisse; vor allem: als scharfsinnigen Erörterer poetischer und poetologischer Probleme.
Alle Briefe werden in der Originalschreibweise dargeboten. Grundlage der Textwiedergabe war, wo immer sie vorhanden war, d. h. in den allermeisten Fällen, die Handschrift, andern-falls der am zuverlässigsten erscheinende Textzeuge. Zwanzig Briefe können zum erstenmal in der überlieferungsgeschichte nach der Handschrift gedruckt werden. Für 165 Briefe, näm-lich diejenigen von 1772 bis zu Schillers Abreise von Mannheim nach Leipzig im März 1785 und von seiner Rückkehr aus Schwaben (Mai 1794) bis zu seiner Auseinandersetzung mit Fichte (Juni 1795), wird erstmals ein intensiver und zuverlässiger Kommentar geboten, der die entsprechenden alten Bände der Nationalausgabe (Bde. 23 und 27 von 1956 und 1958) in vieler Hinsicht ergänzt.
Alle Briefe werden in der Originalschreibweise dargeboten. Grundlage der Textwiedergabe war, wo immer sie vorhanden war, d. h. in den allermeisten Fällen, die Handschrift, andern-falls der am zuverlässigsten erscheinende Textzeuge. Zwanzig Briefe können zum erstenmal in der überlieferungsgeschichte nach der Handschrift gedruckt werden. Für 165 Briefe, näm-lich diejenigen von 1772 bis zu Schillers Abreise von Mannheim nach Leipzig im März 1785 und von seiner Rückkehr aus Schwaben (Mai 1794) bis zu seiner Auseinandersetzung mit Fichte (Juni 1795), wird erstmals ein intensiver und zuverlässiger Kommentar geboten, der die entsprechenden alten Bände der Nationalausgabe (Bde. 23 und 27 von 1956 und 1958) in vieler Hinsicht ergänzt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2003Die Völker bleiben nachgeordnet
Schule der Realität: Friedrich Schillers erzählende Schriften
Nur wenige Jahre benötigte Schiller für eine Enttäuschung, die sonst Jahrhunderte auf sich warten ließ. 1789 noch feierte seine Jenaer Antrittsvorlesung die Universalgeschichte und ihre befeuernde Schwungkraft. Licht werde sie im Verstande und Begeisterung in den Herzen entzünden. Partizipation an der Fortschrittsgeschichte heißt deshalb die Losung für die "philosophischen Köpfe". Schon zuvor hat die "Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung" die Probe auf solchen Enthusiasmus geliefert. Wohl rollt die Weltgeschichte der Zufall, doch "der erleuchtete unternehmende Geist" ergreift den "großen politischen Augenblick" und erzieht "die Geburt des Zufalls zum Plan der Weisheit" - ein herzerfrischendes Schauspiel, dazu angetan, "in der Brust meines Lesers ein fröhliches Gefühl seiner selbst zu erwecken".
Die französischen Ereignisse sorgten schon bald für den Umschwung. Die letzte theoretische Stellungnahme Schillers zur Weltgeschichte faßt sie noch immer als erhabenes Objekt, jetzt aber in einer schroffen Wendung, die alle Hoffnungen aus dem Gebiet der Geschichte entfernt und sie allein in die Widerstandskraft des Subjekts verlegt. "Wie ganz anders", erklärt die Schrift "Über das Erhabene", "wenn man darauf resignirt, sie zu erklären, und diese ihre Unbegreiflichkeit selbst zum Standpunct der Beurtheilung macht" - nur so ist die Weltgeschichte noch (und erst recht) ein "erhabenes Object". Schiller kündigt den enthusiastischen Pakt mit der Weltgeschichte auf. Wer mit ihr Verträge schließen will - Wallensteins astrologisches Kalkül ist ein solcher Versuch -, erliegt einer Illusion. Das Ende der Illusion ist freilich das Einfallstor für die Kunst. Es hat Konsequenz, daß der resignierte Historiker wieder zum Künstler wird. Für die unbegreifliche und deshalb erhabene Geschichte ist nicht mehr die Historiographie, sondern die Tragödie zuständig.
Nicht von ungefähr äußerte sich Hegel entsetzt über das trostlose Ende des "Wallenstein". Wie nichts sonst ist der Satz von der "Unbegreiflichkeit" der Historie dazu geeignet, den Historiker Schiller und seine herausfordernden Lektionen im postideologischen Zeitalter zu vivifizieren. Eine Schlüsselrolle spielt er jetzt auch in der zweibändigen Ausgabe von Schillers "Historischen Schriften und Erzählungen", die der Kölner Historiker Otto Dann gerade abgeschlossen hat. Ein umfangreicher Auszug aus der Abhandlung "Über das Erhabene" bildet das letzte Dokument, das Dann Schillers historischen Arbeiten beigibt. Daß es als Kommentar zu den "Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville" nicht recht passen will, stört seinen symptomatischen Wert nicht.
Die letzte historiographische Schrift Schillers, die knappe Vieilleville-Einleitung von 1797, feiert nicht eine "mächtige Natur", sondern Klugheit, Parteilosigkeit und Maß, gar das "schöne Bild des alten französischen Adels und Rittertums", das hier wieder auflebe. Auch das ist freilich eine Revision und symptomatisch für Schillers Neueinschätzung des historischen Subjekts, die Danns Kommentar mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Seit 1790, so sein Befund, büßen nicht nur die universalgeschichtliche Perspektive, sondern auch die "republikanischen Überzeugungen" ihre Plausibilität ein. Der Enthusiasmus verliert seine Zielpunkte. Nicht länger Revolutionen und Aufstände, also auch nicht Völker und Nationen fixieren das Interesse, vor den Blick kommen vielmehr die einzelnen Akteure. Fürsten und Heerführer "sind die Subjekte der Geschichte, die Völker bleiben ihnen grundsätzlich nachgeordnet", sagt Dann mit Blick auf die "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges". Die "Personalisierung" der Geschichte verabschiedet den universalen Optimismus. Wo die Absurdität der Kriege und Schlachten herrscht, fällt ein Bruchteil der alten Begeisterung allenfalls noch für unbeugsame Charaktere ab. So für den jungen Herzog von Parma in der "Merkwürdigen Belagerung von Antwerpen" von 1795, der die endlos-vertrackten Manöver einer Belagerung dazu nutzt, ausgerechnet dem Belagerer im Dienste der spanischen Krone die Faszination zuzusprechen, die den belagerten Bürgern gänzlich abgeht. "Bonapartistisch" nennt Dann dies "merkwürdige", nämlich absurde Stück Geschichte. Die bonapartistische Pointe ist zweifellos treffender als das Etikett des Erhabenen.
Mit Verve tritt Dann gegen die Marginalisierung des Historikers Schiller an. Das verleiht seinen Kommentaren eine oft knisternde Spannung. Die einen verbannten, nach anfänglicher Begeisterung, Schillers historiographisch-rhetorische Zwittergeschöpfe in die Vorhöfe der ordentlichen Geschichtsschreibung, die anderen, womöglich noch schlimmer, betrachteten sie als Brotarbeiten und mithin "Zufälligkeiten", die den Dichter mit dem Lockwort vom "deutschen Plutarch" auf poesieferne Abwege lenkten und in Fragmente verstrickten. Derlei Kleinmut beginnt schon, wenn man den Historiker Schiller auf das Intervall von 1787 bis 1792 einschränken will. Dann hält dagegen: tatsächlich hat ihn die Historie nicht mehr losgelassen; sie blieb fortab die unabdingbare Schule der Realität, ohne die der Dramatiker nicht zu denken ist. Der "Wallenstein" beweise es: er setze die Historiographie mit anderen Mitteln fort; man solle deshalb von "einer Verlagerung der Darstellungsformen historischer Stoffe bei Schiller" sprechen. Hier wird die Verteidigung des Historikers Schiller freilich prekär. Nicht auf Anhieb ist zu erkennen, daß Danns Machtspruch gegen ein Ärgernis angeht, das dem Historiker wiederholt zu schaffen macht. Gemeint ist der hartnäckige Rekurs seines Autors auf eine poetische Wahrheit, die der historischen durchaus überlegen sei. So hatte es allerdings Aristoteles, der Hauptschuldige in dieser Sache, festgelegt, und so hielt es in der Tat Schiller, der begeisterte Aristoteles-Leser, bei der Arbeit am "Wallenstein". Keine stoffartige Mimesis der Geschichte wollte er, sondern tragische Strukturen, eine "reine poetische Fabel" und in ihr "die tiefliegende Wahrheit . . ., worin eigentlich alles Poetische liegt". Auf diesem Wege sollte just jene Erfahrung des Erhabenen wachgerufen werden, die der Satz über die "Unbegreiflichkeit" der Geschichte beschwört. Schiller dachte an mehr als Historie im anderen Medium.
Manchmal lassen sich Fortschritte auch handgreiflich messen. Vor beinahe einem Jahrhundert legte Richard Fester in der Säkularausgabe die letzte anspruchsvoll kommentierte Ausgabe von Schillers historischen Schriften vor; die "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" versah er mit fünfzehn Seiten Anmerkungen. Danns Kommentar, die Dokumente eingeschlossen, hat den zehnfachen Umfang. Und er ist meisterhaft gearbeitet. Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit, nichts ist überflüssig. Übersichtlicher kann man Gliederungsvorschläge und Entstehungsgeschichten nicht anlegen. Auch die schwierigsten Begriffserklärungen - "Nationen", "politische Freiheit", "Landstände" und so fort - kommen schlank und sprühend vor Kompetenz daher. Über dem Normalleser wird der Forscher nicht vergessen. Stets ist der Forschungsstand präsent, gern werden Anregungen und Noten erteilt, nirgends verleugnet der Kommentator sein Temperament. Es ist eine Freude, den zum Realismus konvertierenden Historiker Schiller in Danns mustergültiger Edition zu studieren. Erholen darf man sich dann beim Erzähler Schiller. Besonders dort, wo er selbst ein schlechtes Gewissen hatte: der Roman "Der Geisterseher" lädt zum hemmungslosen Schmökern ein.
HANS-JÜRGEN SCHINGS
Friedrich Schiller: "Historische Schriften und Erzählungen II". Werke und Briefe, Band 7. Herausgegeben von Otto Dann. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2002. 1092 S., geb., 76,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schule der Realität: Friedrich Schillers erzählende Schriften
Nur wenige Jahre benötigte Schiller für eine Enttäuschung, die sonst Jahrhunderte auf sich warten ließ. 1789 noch feierte seine Jenaer Antrittsvorlesung die Universalgeschichte und ihre befeuernde Schwungkraft. Licht werde sie im Verstande und Begeisterung in den Herzen entzünden. Partizipation an der Fortschrittsgeschichte heißt deshalb die Losung für die "philosophischen Köpfe". Schon zuvor hat die "Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung" die Probe auf solchen Enthusiasmus geliefert. Wohl rollt die Weltgeschichte der Zufall, doch "der erleuchtete unternehmende Geist" ergreift den "großen politischen Augenblick" und erzieht "die Geburt des Zufalls zum Plan der Weisheit" - ein herzerfrischendes Schauspiel, dazu angetan, "in der Brust meines Lesers ein fröhliches Gefühl seiner selbst zu erwecken".
Die französischen Ereignisse sorgten schon bald für den Umschwung. Die letzte theoretische Stellungnahme Schillers zur Weltgeschichte faßt sie noch immer als erhabenes Objekt, jetzt aber in einer schroffen Wendung, die alle Hoffnungen aus dem Gebiet der Geschichte entfernt und sie allein in die Widerstandskraft des Subjekts verlegt. "Wie ganz anders", erklärt die Schrift "Über das Erhabene", "wenn man darauf resignirt, sie zu erklären, und diese ihre Unbegreiflichkeit selbst zum Standpunct der Beurtheilung macht" - nur so ist die Weltgeschichte noch (und erst recht) ein "erhabenes Object". Schiller kündigt den enthusiastischen Pakt mit der Weltgeschichte auf. Wer mit ihr Verträge schließen will - Wallensteins astrologisches Kalkül ist ein solcher Versuch -, erliegt einer Illusion. Das Ende der Illusion ist freilich das Einfallstor für die Kunst. Es hat Konsequenz, daß der resignierte Historiker wieder zum Künstler wird. Für die unbegreifliche und deshalb erhabene Geschichte ist nicht mehr die Historiographie, sondern die Tragödie zuständig.
Nicht von ungefähr äußerte sich Hegel entsetzt über das trostlose Ende des "Wallenstein". Wie nichts sonst ist der Satz von der "Unbegreiflichkeit" der Historie dazu geeignet, den Historiker Schiller und seine herausfordernden Lektionen im postideologischen Zeitalter zu vivifizieren. Eine Schlüsselrolle spielt er jetzt auch in der zweibändigen Ausgabe von Schillers "Historischen Schriften und Erzählungen", die der Kölner Historiker Otto Dann gerade abgeschlossen hat. Ein umfangreicher Auszug aus der Abhandlung "Über das Erhabene" bildet das letzte Dokument, das Dann Schillers historischen Arbeiten beigibt. Daß es als Kommentar zu den "Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville" nicht recht passen will, stört seinen symptomatischen Wert nicht.
Die letzte historiographische Schrift Schillers, die knappe Vieilleville-Einleitung von 1797, feiert nicht eine "mächtige Natur", sondern Klugheit, Parteilosigkeit und Maß, gar das "schöne Bild des alten französischen Adels und Rittertums", das hier wieder auflebe. Auch das ist freilich eine Revision und symptomatisch für Schillers Neueinschätzung des historischen Subjekts, die Danns Kommentar mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Seit 1790, so sein Befund, büßen nicht nur die universalgeschichtliche Perspektive, sondern auch die "republikanischen Überzeugungen" ihre Plausibilität ein. Der Enthusiasmus verliert seine Zielpunkte. Nicht länger Revolutionen und Aufstände, also auch nicht Völker und Nationen fixieren das Interesse, vor den Blick kommen vielmehr die einzelnen Akteure. Fürsten und Heerführer "sind die Subjekte der Geschichte, die Völker bleiben ihnen grundsätzlich nachgeordnet", sagt Dann mit Blick auf die "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges". Die "Personalisierung" der Geschichte verabschiedet den universalen Optimismus. Wo die Absurdität der Kriege und Schlachten herrscht, fällt ein Bruchteil der alten Begeisterung allenfalls noch für unbeugsame Charaktere ab. So für den jungen Herzog von Parma in der "Merkwürdigen Belagerung von Antwerpen" von 1795, der die endlos-vertrackten Manöver einer Belagerung dazu nutzt, ausgerechnet dem Belagerer im Dienste der spanischen Krone die Faszination zuzusprechen, die den belagerten Bürgern gänzlich abgeht. "Bonapartistisch" nennt Dann dies "merkwürdige", nämlich absurde Stück Geschichte. Die bonapartistische Pointe ist zweifellos treffender als das Etikett des Erhabenen.
Mit Verve tritt Dann gegen die Marginalisierung des Historikers Schiller an. Das verleiht seinen Kommentaren eine oft knisternde Spannung. Die einen verbannten, nach anfänglicher Begeisterung, Schillers historiographisch-rhetorische Zwittergeschöpfe in die Vorhöfe der ordentlichen Geschichtsschreibung, die anderen, womöglich noch schlimmer, betrachteten sie als Brotarbeiten und mithin "Zufälligkeiten", die den Dichter mit dem Lockwort vom "deutschen Plutarch" auf poesieferne Abwege lenkten und in Fragmente verstrickten. Derlei Kleinmut beginnt schon, wenn man den Historiker Schiller auf das Intervall von 1787 bis 1792 einschränken will. Dann hält dagegen: tatsächlich hat ihn die Historie nicht mehr losgelassen; sie blieb fortab die unabdingbare Schule der Realität, ohne die der Dramatiker nicht zu denken ist. Der "Wallenstein" beweise es: er setze die Historiographie mit anderen Mitteln fort; man solle deshalb von "einer Verlagerung der Darstellungsformen historischer Stoffe bei Schiller" sprechen. Hier wird die Verteidigung des Historikers Schiller freilich prekär. Nicht auf Anhieb ist zu erkennen, daß Danns Machtspruch gegen ein Ärgernis angeht, das dem Historiker wiederholt zu schaffen macht. Gemeint ist der hartnäckige Rekurs seines Autors auf eine poetische Wahrheit, die der historischen durchaus überlegen sei. So hatte es allerdings Aristoteles, der Hauptschuldige in dieser Sache, festgelegt, und so hielt es in der Tat Schiller, der begeisterte Aristoteles-Leser, bei der Arbeit am "Wallenstein". Keine stoffartige Mimesis der Geschichte wollte er, sondern tragische Strukturen, eine "reine poetische Fabel" und in ihr "die tiefliegende Wahrheit . . ., worin eigentlich alles Poetische liegt". Auf diesem Wege sollte just jene Erfahrung des Erhabenen wachgerufen werden, die der Satz über die "Unbegreiflichkeit" der Geschichte beschwört. Schiller dachte an mehr als Historie im anderen Medium.
Manchmal lassen sich Fortschritte auch handgreiflich messen. Vor beinahe einem Jahrhundert legte Richard Fester in der Säkularausgabe die letzte anspruchsvoll kommentierte Ausgabe von Schillers historischen Schriften vor; die "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" versah er mit fünfzehn Seiten Anmerkungen. Danns Kommentar, die Dokumente eingeschlossen, hat den zehnfachen Umfang. Und er ist meisterhaft gearbeitet. Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit, nichts ist überflüssig. Übersichtlicher kann man Gliederungsvorschläge und Entstehungsgeschichten nicht anlegen. Auch die schwierigsten Begriffserklärungen - "Nationen", "politische Freiheit", "Landstände" und so fort - kommen schlank und sprühend vor Kompetenz daher. Über dem Normalleser wird der Forscher nicht vergessen. Stets ist der Forschungsstand präsent, gern werden Anregungen und Noten erteilt, nirgends verleugnet der Kommentator sein Temperament. Es ist eine Freude, den zum Realismus konvertierenden Historiker Schiller in Danns mustergültiger Edition zu studieren. Erholen darf man sich dann beim Erzähler Schiller. Besonders dort, wo er selbst ein schlechtes Gewissen hatte: der Roman "Der Geisterseher" lädt zum hemmungslosen Schmökern ein.
HANS-JÜRGEN SCHINGS
Friedrich Schiller: "Historische Schriften und Erzählungen II". Werke und Briefe, Band 7. Herausgegeben von Otto Dann. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2002. 1092 S., geb., 76,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ganze 890 Briefe enthält diese zweibändige Ausgabe der Schiller-Korrespondenz und wird damit an Umfang nur noch von den zehn Briefbänden der Nationalausgabe übertroffen. Es scheint aber, als nehme Rezensentin Ursula Homann ganz gern mit dieser etwas handlicheren Ausgabe vorlieb, auch wenn ihre Mehrfachbesprechung von Schiller-Briefen eine schier unstillbaren Appetit erkennen lässt. Als weitere Pluspunkte dieser Ausgabe verbucht sie die "elegante Form", 28 Briefe, die die Nationalausgabe noch nicht kennen konnte und schließlich den Verzicht auf eine modernisierende Bearbeitung. Enthalten sind Briefe an seine Familie und an die drei ihm wichtigen Männer: Christian Gottfried Körner, Wilhelm von Humboldt und natürlich Goethe, wie Homann informiert, und immer geht es, wie sollte es anders sein, ums Schreiben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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