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Der Briefband beinhaltet die Korrespondenz von 1914-1923 in Auswahl und stellt ein bewegendes Zeugnis von Thomas Manns Ringen um eine politische Position während des Ersten Weltkriegs und in der jungen Weimarer Republik dar. Zu den Briefpartnern in dieser Zeit zählen Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig, Ernst Bertram, Ernst Robert Curtius, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann. Die Herausgeber: Thomas Sprecher ist Leiter des Thomas-Mann-Archivs der ETH in Zürich. Zusammen mit Hans R. Vaget (Professor in Northampton, USA) und Cornelia Bernini (TMA Zürich) hat er bereits den Band "Briefe I" herausgegeben.…mehr

Produktbeschreibung
Der Briefband beinhaltet die Korrespondenz von 1914-1923 in Auswahl und stellt ein bewegendes Zeugnis von Thomas Manns Ringen um eine politische Position während des Ersten Weltkriegs und in der jungen Weimarer Republik dar. Zu den Briefpartnern in dieser Zeit zählen Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig, Ernst Bertram, Ernst Robert Curtius, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann. Die Herausgeber: Thomas Sprecher ist Leiter des Thomas-Mann-Archivs der ETH in Zürich. Zusammen mit Hans R. Vaget (Professor in Northampton, USA) und Cornelia Bernini (TMA Zürich) hat er bereits den Band "Briefe I" herausgegeben.
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Autorenporträt
Thomas Mann, 1875-1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

Thomas Sprecher war von 1994 bis 2012 Leiter des Thomas-Mann-Archivs der ETH in Zürich, von ihm liegen zahlreiche Monographien, Aufsätze und Sammelbände zu Thomas Mann vor. Im Rahmen der 'Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe' hat er die Bände 'Briefe' I bis III (mit Hans R. Vaget und Cornelia Bernini) sowie 'Felix Krull' (mit Monica Bussmann) herausgegeben.
Hans Rudolf Vaget (geb. 1938) ist Professor of German Studies und Comparative Literature am Smith College (Northampton, Massachusetts). Schwerpunkte seiner Forschung sind Goethe, Wagner und Thomas Mann, zu denen er zahlreiche Arbeiten vorgelegt hat. Ehrungen: Thomas-Mann-Medaille (1994), Forschungspreis der Alexander von Humboldt Stiftung (2001), Fellow der American Academy Berlin (2012). Vaget ist Mitherausgeber der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe Thomas Manns und war von 2005 bis 2013 Mitherausgeber der Zeitschrift wagnerspectrum.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2003

Das Historische gab er ziemlich leichten Herzens preis
Es ist ein sehr ernster Scherz, Goethe persönlich auf die Beine zu stellen - Thomas Mann hat ihn sich einmal gegönnt: "Lotte in Weimar" in der vorzüglichen Edition der kommentierten Ausgabe

Eine Frau sucht den Mann auf, der über ihrer beider Affäre einen aufsehenerregenden Roman geschrieben hat. Dieser weiß eine Aussprache zu verhindern und läßt den gleichfalls ungehaltenen Ehemann wissen: "Könntet Ihr den tausendsten Teil fühlen, was ,Werther' tausend Herzen ist, Ihr würdet die Unkosten nicht berechnen, die Ihr dazu hergebt! Gib Lotten eine Hand ganz warm von mir und sag ihr: Ihren Namen von tausend heiligen Lippen mit Ehrfurcht ausgesprochen zu wissen, sei doch ein Äquivalent gegen Besorgnisse." Dieses Äquivalent hielt lange vor. Vierundvierzig Jahre nach jener Dreiecksgeschichte, in der für den Dritten im Bunde tatsächlich nicht mehr als ein Kuß abfiel, machte sich Charlotte Kestner, geb. Buff, als Handlungsreisende in Sachen Persönlichkeitsrecht auf den Weg nach Weimar. Der Roman ihres Lebens war damit beendet. Derjenige Thomas Manns begann.

Die sich dem Ende zuneigende Saison hat gezeigt, daß man auf literarische Indiskretionen heute anders zu reagieren pflegt. Man stelle sich vor, der "Werther" wäre per einstweilige Verfügung vom Markt genommen worden! Thomas Mann hätte seinen fünftwichtigsten Roman vielleicht gar nicht geschrieben. Was in anderen Fällen eine ziemliche Herabsetzung bedeuten müßte, ist hier ein äußerst ehrenwerter Platz innerhalb des Gesamtwerks. Der 1939 erschienene Goethe-Roman, entstanden in Zeiten vielfältigen Umbruchs, der Übersiedlung nach Amerika, mit dem Thomas Mann sich endlich, nach der problematischen Königsdemontage des "Tods in Venedig", den sehr ernsten Scherz erlaubte, Goethe persönlich auf die Beine zu stellen - dieser Roman ist auch deswegen so ambitioniert und riskant, weil Mann hinter vorgehaltener Maske viel von sich selbst preisgibt. Das in seinem Facettenreichtum, in seiner Abgründigkeit nicht mehr zu überbietende Porträt der geistigen Größe, das es schließlich wurde, zeigt auch den, der es zeichnet.

Es ist schön, daß Werner Frizen mit seiner alles andere als beneidenswerten Arbeit so schnell fertig geworden ist, daß "Lotte in Weimar" nun erstmals in kommentierter, textkritisch durchgesehener Fassung einem Lesepublikum vorliegt, welches die Einschwärzung indiskreter Stellen als Normalität empfindet. An der "Lotte" kann man nämlich studieren, was ein Schlüsselroman sein und anrichten könnte, wenn sie auch selber keiner ist. "Ich gebe das Historische ziemlich leichten Herzens preis", schrieb Thomas Mann im Dezember 1937. Damit war im Prinzip alles gesagt: Ihm ging es nicht darum, wie es wirklich gewesen, um mit Ranke zu sprechen, sondern um Mimikry, die das "Genaumachen", das Ausschmücken einer historisch belegten und selber nur mäßig unerhörten Begebenheit erforderte, die ihrerseits den Anlaß (mehr nicht) bildete zu etwas, aus dem dann schnell mehr wurde als die anfangs noch ins Auge gefaßte Novelle.

Die erste Kontaktnahme zum Stoff, die rasch und um anderer Dinge willen wieder abgebrochen und im Gedenkjahr 1932 wieder erneuert wurde, die Quellen zu Goethe und dessen unübersichtlichem Umfeld, die Notizen, die sich Thomas Mann dazu machte, der Reflexions- und Schreibprozeß - dies alles zu dokumentieren und zu kommentieren stellt eine Herausforderung dar, deren Bewältigung man ein philologisches Meisterwerk zu nennen hat. Werner Frizen ist das gelungen: Neben dem Roman steht ein mehr als doppelt so starker Kommentarband, der, fußend auf der Einsicht in Handschriftliches aus dem Zürcher Archiv, aber auch unabhängig davon, umfassende Goetheana liefert, die Thomas Manns Aneignungsverfahren noch einmal mustergültig veranschaulichen. Ihm ging es nicht um das Niveau der Quellen (neben Goethes Schriften solche von Biedermann, Bode, Düntzer, Grillparzer), sondern allein um deren Verwertbarkeit. Manches besorgte der Zufall; Thomas Mann eignete sich das Seine unsystematisch, dafür instinktiv an.

Man könnte sagen, die erbrachte Kommentarleistung sei auch kein Wunder bei einem Gelehrten, der vor fünfundzwanzig Jahren die womöglich inspirierteste Dissertation über Thomas Mann (und den Schopenhauer-Einfluß) vorgelegt hat. Zum Bewundernswerten aber kommen die Geduld und die Genauigkeit hinzu, die man braucht, um die teilweise skandalöse Textgestalt der bisherigen Ausgaben zu bereinigen. Frizen nahm die in Genf lagernde Handschrift als Leittext und verzichtete darauf, eine Schreibung zu systematisieren, die Thomas Mann selbst nie konsequent handhabte. Sofern etwas seit Adelung belegt und kein offenkundiger Irrtum war, blieb es, wie es war. Hier penibel zu verfahren mag manchem überflüssig erscheinen, ist aber unerläßlich, weil Thomas Mann weniger einen historischen als vielmehr einen historisierenden Roman schrieb, bei dem bereits die äußere Gestalt ins Gebiet der Interpretation fällt. "Die Lautung und die graphische Gestalt des Romans sind Teil seiner Semantik. Während die historischen Lautformen per se eine sinntragende Funktion haben, kommt hier noch hinzu, daß der Roman nicht in der Lautgestalt seiner Entstehungszeit veröffentlicht, sondern diese vom Autor obendrein künstlich historisiert wurde." Anders gesagt: So wie Thomas Mann schrieb man schon zu seiner Zeit nicht mehr.

Dies gilt auch fürs Denken. Es war eine wahrhaft unzeitgemäße Betrachtung über Goethe, die er, in Frontstellung zum nicht mehr bloß bieder deutschtümelnden, sondern bereits handfest nationalistischen Goethebild jener Jahre, im Sinn hatte und die auf die Maxime hinauslief, die im gewichtigen dritten, dem Riemer-Kapitel bis in letzte seelische Winkelzüge hinein betrieben wird: "Hechelei" als Lobrede, geistreiche Nachrede als Hommage. Allein die Romankomposition, die es erlaubt, Goethe in sechs Kapiteln aus so unterschiedlichen wie hellsichtigen Figurenperspektiven zu durchleuchten, bevor dieser im siebten endlich persönlich auftaucht, wirkte wenig konventionell. Der gewaltig-vertrackte innere Monolog des in verfänglicher Situation ("in gewaltigem Zustande") erwachenden Geheimen Rats bedeutete eine Leistung, mit der Thomas Mann seine Modernität unter Beweis stellte. Dieses strapaziöse siebente Kapitel liegt nicht nur unerreichbar weit über dem Niveau der Dichter-oder-Schriftsteller-Debatte von damals, sondern müßte auch jene Musil- und Proust-Anhänger beeindrucken, die ihn für einen altmodischen Autor halten.

Die Wirkung dieses vom breiten Lesepublikum bis heute vernachlässigten Werks war außerordentlich, und wenn man dies dank Frizens instruktiver Rezeptionsgeschichte nachvollzieht, kommen einem die gegenwärtigen einstweiligen Verfügungen gegen Romane und Biographien noch kleinkarierter vor. Die Wucht, mit der dieses durch und durch artifizielle, unglaublich anspielungsreiche Produkt in die Lebenswirklichkeit ausgriff, war enorm. Am 16. August 1946 vermerkt Thomas Mann im Tagebuch: "Konfusion: der britische Ankläger hat in Nürnberg Goethe gegen die Deutschen citiert, und die Londoner Presse stellt fest, daß es aus ,Lotte in Weimar' ist."

Zu dieser Zeit war der "Doktor Faustus" fast schon fertig, dessen bedrohliche Untertöne der Goethe-Roman entlastend vorwegnimmt. Zu Mitte der dreißiger Jahre drängte das deutsche Thema sehr, aber erst mußte noch der Josephsroman abgeschlossen werden. So schob Thomas Mann die "Lotte" zwischen dessen dritten und vierten Teil ein, wie er einst die "Betrachtungen eines Unpolitischen" in den "Zauberberg" eingeschoben hatte.

Es war in der Tat Goethes Tirade, eine rückwärtsgewandte Prophetie, die Sir Hartley Shawcross in Nürnberg ungenau, aber in der Sache treffend zitierte über die Deutschen, die eines Tages das Schicksal strafen werde, weil diese sich jedem "Schurken gläubig hingeben, der ihr Niedrigstes aufruft, sie in ihren Lastern bestärkt und sie lehrt, Nationalität als Isolierung und Bosheit [STATT ROHHEIT]zu begreifen". Die britische Botschaft in Washington verlangte Aufklärung, und Thomas Mann schrieb, innerlich befriedigt, dies habe in der Tat er geschrieben, aber es sei im Geiste Goethes.

"Ich bin nicht Goethe, aber einer von seiner Familie" - dieses selbstbewußte Stifter-Wort hat Thomas Mann radikalisiert, indem er die Sache auf eine imitatio hinauslaufen ließ. "Lebensgeschichte ist's immer", sagt Goethe zum Sohn August, der fragt, ob der Alte an seiner Autobiographie arbeite. Hinter dem bildungsbürgerlichen, von Frizen transparent gemachten Bühnendekor, vor dem ein äußerst komisches Lustspiel abläuft, steckt ein Psychogramm, dessen besonderes Kennzeichen die Ambivalenz ist. Fragen der geistigen Isolation, der Ökonomie, des Egoismus um des Werks willen, ästhetische Grundüberzeugungen und, zuletzt, die keineswegs eindeutige Stellung zur Humanität - was dazu von und über Goethe gesagt wird, ist erst genießbar, wenn man weiß oder ahnt, was das alles mit Thomas Mann zu tun hat. Daß der große Mann ein öffentliches Unglück ist, wie es das achte Kapitel in Anlehnung an ein chinesisches Sprichwort behauptet, das wußte auch Thomas Mann, der sich unverstanden fühlte in einem Land, das auf Eindeutigkeit und simple Erbauung aus war und für Subtilitäten nichts übrig hatte. Daß aber auch "das Werk das objektivierte Gewissen" ist, wußte der Lutheraner aus Lübeck auch ohne die lebenslang produktive und hier auf ihren frechen Höhepunkt kommende Goethe-Aneignung.

Thomas Mann wußte auch, was er der Philologie mit diesem Glücksfall von einem Roman beschert hat. Die vielen Druck- und Lesefehler zu beseitigen, verspürte er wenig Lust. Ein Herkules, prophezeite er, werde nötig sein, um diesen Augiasstall auszumisten. Der Mann ist gefunden.

Thomas Mann: "Große kommentierte Frankfurter Ausgabe". Werke - Briefe - Tagebücher. Band 9.1: "Lotte in Weimar". Roman. Herausgegeben und textkritisch durchgesehen von Werner Frizen. Band 9.2: "Kommentar". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 450 u. 950 S., geb., zus. 78,- [Euro].

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