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»Wenn Sie glauben, mich besuchen zu wollen, ist das sehr nett von Ihnen … Bitte melden Sie sich vorher an.« Der Besuch fand nicht statt, doch beginnt mit diesen Zeilen ein Briefwechsel, der bis in die Wochen von Benns Tod im Sommer 1956 reicht. Benns Briefpartnerin, die selbstbewußte junge Germanistin Astrid Claes, hatte die erste Dissertation über Benns Lyrik verfaßt und ihm geschickt; ihre späteren Fragen zu seinem Werk werden von Benn gelesen und, wie es scheint, zunächst recht summarisch beantwortet. Bald schon gilt Benns Interesse aber auch der angehenden Schriftstellerin: Astrid Claes…mehr

Produktbeschreibung
»Wenn Sie glauben, mich besuchen zu wollen, ist das sehr nett von Ihnen … Bitte melden Sie sich vorher an.« Der Besuch fand nicht statt, doch beginnt mit diesen Zeilen ein Briefwechsel, der bis in die Wochen von Benns Tod im Sommer 1956 reicht. Benns Briefpartnerin, die selbstbewußte junge Germanistin Astrid Claes, hatte die erste Dissertation über Benns Lyrik verfaßt und ihm geschickt; ihre späteren Fragen zu seinem Werk werden von Benn gelesen und, wie es scheint, zunächst recht summarisch beantwortet. Bald schon gilt Benns Interesse aber auch der angehenden Schriftstellerin: Astrid Claes schickt einige Gedichte und Erzählungen nach Berlin-Schöneberg, die auf großes Lob des berühmten Kollegen stoßen. Rund achtzig, bisher zum großen Teil unveröffentlichte Briefe Benns sind hier gesammelt und mit Anmerkungen von Bernd Witte versehen.
Autorenporträt
Gottfried Benn, 1886 2. Mai in Mansfeld geboren. 1905-1910 Medizinstudium in der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin. Approbation. 1912 Veröffentlichung des ersten Gedichtheftes als Lyrisches Flugblatt: Morgue und andere Gedichte. 1913 Übernimmt die Leitung des Pathologischen Instituts am Städtischen Krankenhaus in der Sophie-Charlottenstraße. 1914 Zieht als Militärarzt ins Feld. Nimmt an den Kämpfen in Belgien teil. 1915-1917 Oberarzt im Militärgouvernement Brüssel. Entlassung aus der Armee. 1917 Die gesammelten Gedichte erscheinen im Verlag der Aktion unter dem Titel: »Fleisch«. Gottfried Benn läßt sich als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Berlin nieder und führt hier seine Praxis bis 1935. 1922 Die Gesammelten Schriften erscheinen im Erich Reiss Verlag in Berlin. 1932 Benn wird Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Abteilung Dichtung. 1933-1934 Vorübergehend im Bannkreis der nationalsozialistischen Ideologie. 1935 Benn verläßt Berlin und läßt sich als Oberstabsarzt in Hannover reaktivieren. Es erscheinen die Ausgewählten Gedichte, Benns letzte Publikation in der Nazizeit. Schwere Angriffe gegen Benn in »Das Schwarze Korps« und im »Völkischen Beobachter«. 1937-1945 Benn wird nach Berlin versetzt. Tätigkeit im Militärischen Versorgungswesen als Gutachter in Fürsorge- und Rentenfragen. Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer und Schreibverbot. 1943 als Oberarzt nach Landsberg a.d. Warthe. 1945 Rückkehr nach Berlin. 1946-1948 Praxiseröffnung. Veröffentlichungsschwierigkeiten. 1951 Verleihung des Büchner-Preises in Darmstadt durch die Akademie für Sprache und Dichtung. 1953 Benn gibt die ärztliche Praxis auf. 1956 7. Juli. Tod Gottfried Benns in Berlin.
Rezensionen
Ein chronischer Frauenheld
Auf diese Publikation mussten die Leser lange warten. Bereits 1997 sollten die Briefe Gottfried Benns an Astrid Claes veröffentlicht werden. Benns Geliebte, Ursula Ziebarth, jedoch sah aufgrund einiger abfälliger Äußerungen Benns über beispielsweise "das amoralische Fräulein Z." ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und verhinderte zunächst die Herausgabe. Jetzt liegen die Briefe an Astrid Claes 1951-1956, 80 an der Zahl, endlich vor.
Vom "Sehr verehrten Fräulein" zur "Allerliebsten Astrid"
Die Germanistin Astrid Claes hatte 1953 mit einer Arbeit über Benns lyrischen Sprachstil promoviert und sich dem Dichter per Brief genähert. Der war zunächst gewohnt distanziert, bis sie ihm schilderte, dass sie "eine schlanke, elegante attraktive junge Dame" sei. Das ließ Benn aufhorchen, und er begann, sie unermüdlich zu umwerben, allerdings ohne Erfolg. Ein Treffen der beiden in Kassel blieb harmlos.
Die Dichtkunst stand im Mittelpunkt
So dreht sich denn der Briefwechsel in erster Linie auch nicht um die Liebe, sondern um die Dichtkunst. Es sind poetische Fragen und Antworten, die die beiden austauschen, zumal Astrid Claes selber Lyrikerin war. Der erotische Unterton allerdings, der aus Benns Briefen herausklingt, lässt sich nicht überhören. Sein Werben und Hoffen wecken in ihm, wie so oft zuvor in seinem Leben, seine ganze sprachliche und poetische Kraft. Wären die Briefe von Astrid Claes an Benn mitveröffentlicht, wäre die Publikation perfekt.
(Eva Hepper, literaturtest.de)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2002

Sie dürfen nicht machen, was Sie wollen!
Streit um Benn: Mit fünfjähriger Verspätung erscheinen die Briefe des Dichters an Astrid Claes

Die Frauen! Meine grösste Leidenschaft war eine Ausländerin gewesen, die nie den Namen Nietzsche gehört hatte. Eine andere, mit der ich ein paar Jahre verbrachte, sagte oft: ,so was wie Dich finde ich alle Tage', dann verschwand sie nach Wien u. nach 3 Monaten eines Nachmittags tauchte sie wieder auf mit einer Salami u. einem Blumenstrauß u. es sollte wieder weitergehn. 3 Monate später nahm sie sich das Leben. Von meinen Freundschaften endeten zwei durch Erschossenwerden (eine von einem eifersüchtigen Freund, eine aus politischen Gründen kürzlich in Russland), vier durch Selbstmorde, zwei weitere sehr nahe Beziehungen starben so."

Die Frauen! Fast zwanzig Jahre nachdem Gottfried Benn dem Freund Oelze seine Vorliebe für Affären mit eher ungebildeten Damen mehr herausposaunte als gestand (Brief vom 29. Juli 1938), verwickelte sich der Dichter in eine Doppelaffäre mit zwei jungen Literatinnen, die den fast siebzigjährigen Dichter häufig in intellektuelle Dispute verwickelten: über seine Verse ebenso wie über die eigene Lyrikproduktion. Denn Ursula Ziebarth und Astrid Claes, wiewohl grundverschieden, schrieben beide, Lyrik wie Prosa, und zögerten nicht, den Meister in deutlichen Worten zu kritisieren, wenn es ihnen nötig schien. "Sie sind der Dichter der Morgue und der Trunkenen Flut, Sie dürfen mit dem Namen Gottfried Benn doch heute nicht mehr machen, was Sie wollen. Sie haben die Welt beschenkt, wie sie es nie verdient hatte; sie hat dieses Geschenk angenommen. Was veranlasst Sie also zu dieser Ungeduld, die Sie dem von Ihnen selbstgestellten Anspruch untreu werden lässt? Warum warten Sie nicht mehr?".

Gottfried Benn hatte kein Jahr mehr zu leben, als ihm die junge Astrid Claes diese Frage stellte. Die Mißbilligung der Bewunderin, die sich mit ihrem Brief vom 12. September 1955 als Hüterin des Werkes empfiehlt und auch bereit ist, seinen Rang gegen dessen Schöpfer selbst zu verteidigen, hatte sich an Benns Gedichtband "Aprèslude" entzündet. Es mag Zufall sein, daß sich diese Kritik ausgerechnet auf jene Gedichte bezog, auf die Ursula Ziebarth keinen geringen Einfluß gehabt haben soll, aber es wirft doch ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnisse der beiden jungen Frauen: Sie waren Rivalinnen. Daß Benn diese Rivalität nicht unrecht war, ja daß er sie geradezu befördert hat, durfte man lange vermuten. Die soeben erschienene Ausgabe von Benns Briefen an Astrid Claes läßt die Hypothese zur Gewißheit werden.

Schon einmal, vor fünf Jahren, waren diese Briefe im Klett-Cotta-Verlag angekündigt worden. Sogar eine Rezension ist 1997 erschienen. Ihr Verfasser hatte nach den Fahnen gearbeitet und nicht damit gerechnet, daß der Verlag den Band zurückziehen würde. Über die Gründe wurde damals viel spekuliert. Unumstritten ist, daß Ursula Ziebarth einen Anwalt beauftragte, den Verlag darüber zu informieren, daß sie die sie betreffenden Passagen der Briefe einsehen möchte, und sich den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte vorbehielt. Ob es stimmt, daß Astrid Claes sich weigerte, dem Verlag die Originalbriefe vorzulegen, wissen nur die Beteiligten selbst. Als im vorigen Jahr "Hernach" erschien (F.A.Z. vom 23. August 2001), die Ausgabe der etwa 250 Briefe Benns an Ursula Ziebarth, versehen mit ausführlichen "Nachschriften" der Empfängerin, erwachte das Interesse an den Claes-Briefen erneut.

Astrid Claes hatte Benn, über dessen Werk sie promovieren wollte, im November 1951 erstmals geschrieben und um ein Treffen gebeten. Nachdem zunächst die Briefe in großen, fast zwölf Monate währenden Abständen gewechselt werden, entwickelt sich ab April 1954 eine dichte Korrespondenz, die in der vorliegenden Ausgabe sechsundsechzig Schreiben umfaßt: lange, inhaltsreiche Briefe, kurze, rasch hingeworfene Nachrichten, einige Telegramme. Ob damit sämtliche Briefe an Astrid Claes vorliegen, darf jedoch bezweifelt werden. Zwar versichert der Verlag, man habe die 1997 angekündigte Ausgabe ohne jede Änderung übernommen, aber schon ein erster Blick in die alten Fahnen zeigt, daß dies nicht ganz richtig sein kann - umfaßte die Edition 1997 65 Positionen, so versammelt sie heute 66 Schreiben. Darauf geht die editorische Anmerkung im Anhang nicht ein. Allerdings wird hier darauf hingewiesen, daß neun Briefe bereits veröffentlicht waren. Max Rychner hatte sie in seine 1957 erschienene Ausgabe der "Ausgewählten Briefe" aufgenommen. Daß damit ein großer Teil der schönsten und bedeutendsten Briefe bereits publiziert war, mindert kaum den Wert der neuen Ausgabe: Man liest Benns Episteln gern als Solitäre, und zwar nicht nur dort, wo sie von der Lyrik handeln und dabei auch ins handwerkliche Detail gehen. Aber erst im Zusammenhang der gesamten Korrespondenz werden Entwicklungslinien, Konflikte oder Leitmotive erkennbar.

Die Philologie der Benn-Briefe ist keine einfache Sache. Ursula Ziebarths schlichtes Archiv-System erwies sich als Glücksfall. Sie hat alle Briefe in einem Karton aufbewahrt, chronologisch geordnet, die Umschläge, die für die Datierung entscheidend sein können, sind vollständig erhalten. Zuweilen hat Benn mehrere Blätter unterschiedlichen Formats in ein Kuvert gesteckt, ein Verfahren, das seine Briefpartnerinnen nachahmen sollten, wenn sie allzu Intimes mitteilen wollten. Denn gelegentlich hielt Benn es für angebracht, die Episteln seiner jungen Bewunderinnen seiner Frau Ilse zur Ansicht vorzulegen. Dann nahm er den Zettel mit Verfänglichem heraus und legte der Gemahlin nur den harmlosen Brief vor. Bei allen praktischen Vorzügen für das Eheleben birgt dieses Verfahren eine editorische Gefahr: Allzu leicht können die oft undatierten Zettel durcheinandergeraten. Dies mag die Ursache dafür sein, daß der Wortlaut in Rychners Ausgabe von der neuen Edition abweicht. Der Herausgeber Bernd Witte führt Abweichnungen jedenfalls darauf zurück, daß damals "Teile mehrerer nicht zusammengehöriger Briefe unzulässigerweise unter dem Datum eines einzigen Schreibens zusammengefaßt wurden". Differenzen sind dadurch zwar erklärbar, aber Auslassungen?

Wer den Brief Benns vom 25. Juli 1954 in beiden Ausgaben vergleicht, wird feststellen, daß in der neuen Edition ein ganzer Absatz fehlt, ohne daß dies kenntlich gemacht würde. Darin kommt Benn auf die Begegnung zurück, die er mit Astrid Claes in Kassel hatte. Das Treffen ist zentral für die vielleicht nicht ganz so zentrale Frage, ob der Dichter in seinen letzten Lebensjahren neben seiner Ehefrau Ilse ein oder zwei Geliebte hatte. Vermutlich war Astrid Claes' bemüht, die Freundschaft zu dem Mann, den sie als Dichter bewunderte, auf einer geistigen Ebene zu halten. Benns Interesse war dies nicht. Ohne jedes Feingefühl wiederholte er die in Kassel gestellte Frage, ob Astrid Claes lesbisch sei. Daß die Passage in der neuen Ausgabe fehlt, ist vor allem in einer Hinsicht von Belang, denn nun ist die Frage nach der Textgenauigkeit der Edition aufgeworfen.

Mag sein, daß Astrid Claes die Sätze strich, weil sie ihren Verfasser schützen und sich selbst nicht der erneuten Verletzung aussetzen wollte. Auch beinahe ein halbes Jahrhundert nachdem sie gefallen sind, können Benns Worte noch verletzen. Das gilt für beide Frauen, Astrid Claes wie Ursula Ziebarth. Die dritte Betroffene, Benns letzte Ehefrau Ilse, starb 1993. Die 1997 umstrittenen Passagen, in denen Benn die Geliebte Ursula Ziebarth der umworbenen Astrid Claes gegenüber als "intelligent, aber völlig amoralisch" bezeichnet, sind ungekürzt abgedruckt. "Es gibt ihr gegenüber nur eins, was ich leider erst zu spät bemerkt habe: sie ausschalten und kaltstellen.", heißt es im selben Brief vom 27. Juli 1955.

Ursula Ziebarth wird nicht gegen den Abdruck vorgehen, obwohl ihre Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Sie ist für eine ungekürzte Edition der Briefe, auch wenn ihr einige Passagen nicht angenehm sind. Auf Wunsch der Betroffenen hat sie jedoch in "Hernach" mehrere für Astrid Claes ungünstige Äußerungen Benns gestrichen und die Auslassungen kenntlich gemacht. Zwei Damen in ihren Siebzigern und Achtzigern, so sagt sie, sollten nicht streiten, nicht einmal, wenn es um Gottfried Benn geht.

Benn war ein begnadeter Briefeschreiber, ein Epistolograph, der auf Rezeptblöcken und fliegenden Zetteln Sätze verewigte, die zum Teil klingen wie über den Hinterhof gerufen: direkt, kraftvoll, zuweilen derb und sehr oft vom Charme der mündlichen Rede getragen. Benns Offenheit, sein freier, ungekünstelter Ton, ein Übermut, der an Albernheit grenzte und diese Grenze unbekümmert überschritt - all dies hat in "Hernach" überwältigt und findet sich in den Briefen an Astrid Claes weitaus seltener. Hier begegnet ein ernster, nicht begeistert liebender, sondern tastend werbender Benn, der ärztlichen Rat erteilt, im Gegenüber zu lesen versteht, vor der allzu intensiven Beschäftigung mit Else Lasker-Schüler warnt und nur einziges Mal in den Kindchen-Ton verfällt und von sich als "Onkel" spricht.

Was er im Jahr 1938 als frisch Vermählter dem Freund Oelze schreibt, daß seine Frau, Herta von Wedemeyer, ihm "eigentlich in keiner Lage" mißfalle, auch wenn sie nicht wisse, "was eine Amphore ist, ja nicht einmal, ob Napoleon vor Friedrich dem Grossen lebte", konnte Giselher, der Barbar, wie er in Gedichten der Lasker-Schüler heißt, über Ursula Ziebarth und Astrid Claes sicherlich nicht sagen. Beide haben ihm Widerstand geleistet, jede auf ihre Art. Man sollte die Korrespondenzen des späten Benn zusammen lesen, "Hernach" und die "Briefe an Astrid Claes 1951 bis 1956" als einander ergänzende Dokumente betrachten, darüber jedoch nicht vergessen, daß manches, was Benn beiden Damen, allen Frauen verschwieg, womöglich nur Freund Oelze erfuhr.

Gottfried Benn: "Briefe an Astrid Claes 1951 - 1956." Herausgegeben von Bernd Witte. Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2002. 157 S., geb., 19,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Das wurde aber auch Zeit! Seit 1997 liegt der Briefwechsel Benns mit Astrid Claes fix und fertig zur Veröffentlichung beim Klett-Cotta Verlag, berichtet Ina Hartwig. Verhindert hat die Herausgabe bisher Ursula Ziebart, Benns letzte Geliebte, deren Briefwechsel mit Benn im letzten Jahr beim Wallstein Verlag erschienen sind. Ziebarth hatte mit Klage gedroht. Hartwig fragt sich, warum? Sicher, es gebe in den Briefen an Claes ein paar unfreundliche Bemerkungen über das "amoralische Fräulein Z.", aber Hartwig findet das nicht so schlimm. Sie freut sich, dass jetzt endlich das "entscheidende Korrektiv" für die letzten Lebensjahre Benns erschienen ist. Im Gegensatz zu Ziebarth, der "fordernden und unbequemen" Geliebten, war Astrid Claes eine "kontrollierte Akademikerin" aus gutem Haus, die kein erotisches Interesse an Benn hatte, schreibt Hartwig. "Kühn domptiert" sie das Gespräch und ist dabei "nicht ganz frei von Karriere-Kalkül". Immerhin half Benn bei der Veröffentlichung ihrer Gedichte. Eine ihrer Erzählungen, die in dem Band abgedruckt ist, zeigt nach Hartwig eine "außergewöhnliche" wenn auch etwas "altkluge" "Geistesschärfe". Das Beste an den Briefen ist für Hartwig jedoch, dass sich hier der "komplette Benn" zeigt: der "chronische Verführer", "temporeiche Formulierer", "Witzbold", "abgeklärte Menschenkenner" und Arzt. Und nicht zuletzt beweist sich Benn als kluger Mann, der in dieser Viererkonstellation mit Doktorandin Claes, Geliebter Ziebarth, die seine "Apresludes" beeinflusste und seiner Ehefrau, der Zahnärztin Dr. Ilse Benn, "weiß Gott" zeigte, dass er sich aus "dummen Frauen" nichts machte. Die älteren Rezensenten, die Ursula Ziebarth für ihre indiskreten Briefe kritisierten, sind so klug nicht, meint Hartwig.

© Perlentaucher Medien GmbH
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