Erstmals erhalten zwei Bücher im Suhrkamp Verlag den gleichen Titel: Briefe an die Autoren. So nennt Siegfried Unseld seine Auswahl von Briefen Peter Suhrkamps zum 70. Geburtstag des Verlagsgründers, die er 1963 als Band 100 der Bibliothek Suhrkamp herausgibt. Zu Unselds 80. Geburtstag am 28. September 2004 liegen nun seine Briefe an die Autoren vor. Jeder Brief verrät, wie sehr auf ihn zutrifft, was er über Peter Suhrkamp schrieb: daß »Briefeschreiben einen nicht unwichtigen Teil seiner Existenz« bedeutete.
Siegfried Unseld hinterläßt Tausende von Korrespondenzen. Den ersten Brief dieser Auswahl richtet er 1951 an Hermann Hesse; er ist frisch promoviert mit einer Arbeit über Hesses Anschauung vom Beruf des Dichters und kündigt seine übersiedlung von Ulm nach Frankfurt an. Den letzten schreibt er 2001 an Christoph Hein, dazwischen skizziert er in 70 Briefen die Geschichte seines Verlegerlebens.
Seine Briefe zeigen Unseld als Verführer, der weiß, was er will, und meistens erhält, was er wünscht. Jeder seiner Briefe dokumentiert auf ganz unterschiedliche Weise die produktive Freundschaft, das unbedingte Vertrauen und die Zuneigung, die Siegfried Unseld allen seinen Autoren entgegenbrachte.
Siegfried Unseld hinterläßt Tausende von Korrespondenzen. Den ersten Brief dieser Auswahl richtet er 1951 an Hermann Hesse; er ist frisch promoviert mit einer Arbeit über Hesses Anschauung vom Beruf des Dichters und kündigt seine übersiedlung von Ulm nach Frankfurt an. Den letzten schreibt er 2001 an Christoph Hein, dazwischen skizziert er in 70 Briefen die Geschichte seines Verlegerlebens.
Seine Briefe zeigen Unseld als Verführer, der weiß, was er will, und meistens erhält, was er wünscht. Jeder seiner Briefe dokumentiert auf ganz unterschiedliche Weise die produktive Freundschaft, das unbedingte Vertrauen und die Zuneigung, die Siegfried Unseld allen seinen Autoren entgegenbrachte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.01.2005Ein Verlag ist keine Bank
Eine Auswahl der Briefe Siegfried Unselds an seine Autoren
Am 31. Dezember 1951 verschickte der junge Siegfried Unseld die Pflichtexemplare seiner Dissertation über „Hermann Hesses Anschauung vom Beruf des Dichters”. An Hesse kann er am selben Tag nach Montagnola schreiben, der „literarisch-philologische Dienst” an seinem Werk, das ihm „ständig Antrieb und Hinweis zu Größerem und Höherem” sei, werde sich bald zum „praktisch-beruflichen Dienst” erweitern. Peter Suhrkamp hatte Unseld eine feste Stelle angeboten. Das Aufgabengebiet: „Vertrieb, Werbung, Herstellung und gelegentlich Lektorat”. Auch die „aussichtsreiche Chance”, ihn dereinst in der Verlagsleitung zu beerben, hatte Suhrkamp erwähnt. Mit 27 Jahren stand Siegfried Unseld an der Schwelle seiner Verlegerkarriere.
Der Band „Briefe an die Autoren” mit Verleger-Korrespondenz aus fünfzig Jahren zeigt, wie schnell Unseld in seine neue Rolle fand. Er ermuntert den Studienfreund Martin Walser, dessen Erzählung „Das Gerät” Peter Suhrkamp als Kafka-Imitat abgelehnt hatte, „im Schreiben fortzuwirken”. Hans Magnus Enzensberger, dessen „Verteidigung der Wölfe” der Verlag 1957 annimmt, verspricht er: „Der Entschluß zur Publikation Ihres Gedichtmanuskriptes ist ein Entschluß zum Autor Enzensberger” und sichert sich gleich eine Option auf die nächsten Bücher. Unseld war an langfristigen Bindungen interessiert und suchte die persönliche Bekanntschaft der Autoren. Als Peter Suhrkamp im März 1959 stirbt, bricht Unseld über dem Nachruf Adornos in Tränen aus, weil ihm die neue Verantwortung als Verlagschef anfangs als zu groß erscheint.
Der entscheidende Begriff im Verhältnis zwischen Verleger und Autor ist für ihn „Treue” - auf sie darf rechnen, wer einmal Aufnahme in das Programm gefunden hat und „dazugehört”. Ein Suhrkamp-Autor kann jener „Intensität” sicher sein, mit der Unseld immer wieder verspricht, sich für ein neues Buch einzusetzen. Am Leser der 88 Briefe an ebenso viele Adressaten zieht eine kleine Ahnengalerie der Suhrkamp-Kultur vorbei: von Ernst Bloch, Paul Celan und Theodor W. Adorno bis zu Rainald Goetz und Durs Grünbein. Den Philosophen Hans Blumenberg, der 1965 zögert, dem damals noch vorwiegend belletristischen Suhrkamp-Verlag „Die kopernikanische Wende” anzuvertrauen, umgarnt Unseld mit der Versicherung, er sei ein „passionierter Anmerkungen-Leser”. Die Absagen und kontroversen Briefe sind in der Auswahl in der Minderzahl. Kritische Anmerkungen fasst Unseld in diplomatische Wendungen, er kann aber auch sehr dezidiert sein: „Das ist schlechter Heidegger”, muss Paul Nizon über eine etymologisierende Passage lesen.
Oft geht es in diesen Briefen ums Geld. Den Erfolgsautor Max Frisch, der sich nach den Zinsen seiner Honorare erkundigt hatte, bescheidet Unseld kühl, der Verlag könne „keine Bank sein”. An Marguerite Duras, die erwägt, Aufführungsrechte an den von ehemaligen Suhrkamp-Lektoren gegründeten Verlag der Autoren zu übertragen, schickt Unseld kurzerhand eine Aufstellung der Summen, die sein Haus bisher für sie „aufgewandt” habe: „Auch wenn Sie Marxistin sind, so müssen diese Realien für Sie eine deutliche Sprache sprechen.”
Unseld besänftigt die Sensiblen, die wie Peter Handke ihre neuen Bücher zu wenig geliebt glauben, und drängt die Skrupulösen: „Wir müssen, müssen, müssen es in diesem Herbst schaffen”, schreibt er (vergeblich) an Wolfgang Koeppen. Mit Lob ist er freigiebig, auch wenn es ihm schnell etwas formelhaft gerät. Dass ein Manuskript „von großer Art” sei, ist Unselds höchstes Kompliment. Der Patriarch sah sich stets als Diener der Autoren, innerhalb seines Verlages ließ er sich von dem Recht auf „unabhängige Entscheidung” kein Jota abhandeln.
RALF BERHORST
SIEGFRIED UNSELD: Briefe an die Autoren. Herausgegeben von Rainer Weiss. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 182 Seiten, 12, 80 Euro.
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Eine Auswahl der Briefe Siegfried Unselds an seine Autoren
Am 31. Dezember 1951 verschickte der junge Siegfried Unseld die Pflichtexemplare seiner Dissertation über „Hermann Hesses Anschauung vom Beruf des Dichters”. An Hesse kann er am selben Tag nach Montagnola schreiben, der „literarisch-philologische Dienst” an seinem Werk, das ihm „ständig Antrieb und Hinweis zu Größerem und Höherem” sei, werde sich bald zum „praktisch-beruflichen Dienst” erweitern. Peter Suhrkamp hatte Unseld eine feste Stelle angeboten. Das Aufgabengebiet: „Vertrieb, Werbung, Herstellung und gelegentlich Lektorat”. Auch die „aussichtsreiche Chance”, ihn dereinst in der Verlagsleitung zu beerben, hatte Suhrkamp erwähnt. Mit 27 Jahren stand Siegfried Unseld an der Schwelle seiner Verlegerkarriere.
Der Band „Briefe an die Autoren” mit Verleger-Korrespondenz aus fünfzig Jahren zeigt, wie schnell Unseld in seine neue Rolle fand. Er ermuntert den Studienfreund Martin Walser, dessen Erzählung „Das Gerät” Peter Suhrkamp als Kafka-Imitat abgelehnt hatte, „im Schreiben fortzuwirken”. Hans Magnus Enzensberger, dessen „Verteidigung der Wölfe” der Verlag 1957 annimmt, verspricht er: „Der Entschluß zur Publikation Ihres Gedichtmanuskriptes ist ein Entschluß zum Autor Enzensberger” und sichert sich gleich eine Option auf die nächsten Bücher. Unseld war an langfristigen Bindungen interessiert und suchte die persönliche Bekanntschaft der Autoren. Als Peter Suhrkamp im März 1959 stirbt, bricht Unseld über dem Nachruf Adornos in Tränen aus, weil ihm die neue Verantwortung als Verlagschef anfangs als zu groß erscheint.
Der entscheidende Begriff im Verhältnis zwischen Verleger und Autor ist für ihn „Treue” - auf sie darf rechnen, wer einmal Aufnahme in das Programm gefunden hat und „dazugehört”. Ein Suhrkamp-Autor kann jener „Intensität” sicher sein, mit der Unseld immer wieder verspricht, sich für ein neues Buch einzusetzen. Am Leser der 88 Briefe an ebenso viele Adressaten zieht eine kleine Ahnengalerie der Suhrkamp-Kultur vorbei: von Ernst Bloch, Paul Celan und Theodor W. Adorno bis zu Rainald Goetz und Durs Grünbein. Den Philosophen Hans Blumenberg, der 1965 zögert, dem damals noch vorwiegend belletristischen Suhrkamp-Verlag „Die kopernikanische Wende” anzuvertrauen, umgarnt Unseld mit der Versicherung, er sei ein „passionierter Anmerkungen-Leser”. Die Absagen und kontroversen Briefe sind in der Auswahl in der Minderzahl. Kritische Anmerkungen fasst Unseld in diplomatische Wendungen, er kann aber auch sehr dezidiert sein: „Das ist schlechter Heidegger”, muss Paul Nizon über eine etymologisierende Passage lesen.
Oft geht es in diesen Briefen ums Geld. Den Erfolgsautor Max Frisch, der sich nach den Zinsen seiner Honorare erkundigt hatte, bescheidet Unseld kühl, der Verlag könne „keine Bank sein”. An Marguerite Duras, die erwägt, Aufführungsrechte an den von ehemaligen Suhrkamp-Lektoren gegründeten Verlag der Autoren zu übertragen, schickt Unseld kurzerhand eine Aufstellung der Summen, die sein Haus bisher für sie „aufgewandt” habe: „Auch wenn Sie Marxistin sind, so müssen diese Realien für Sie eine deutliche Sprache sprechen.”
Unseld besänftigt die Sensiblen, die wie Peter Handke ihre neuen Bücher zu wenig geliebt glauben, und drängt die Skrupulösen: „Wir müssen, müssen, müssen es in diesem Herbst schaffen”, schreibt er (vergeblich) an Wolfgang Koeppen. Mit Lob ist er freigiebig, auch wenn es ihm schnell etwas formelhaft gerät. Dass ein Manuskript „von großer Art” sei, ist Unselds höchstes Kompliment. Der Patriarch sah sich stets als Diener der Autoren, innerhalb seines Verlages ließ er sich von dem Recht auf „unabhängige Entscheidung” kein Jota abhandeln.
RALF BERHORST
SIEGFRIED UNSELD: Briefe an die Autoren. Herausgegeben von Rainer Weiss. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 182 Seiten, 12, 80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ralf Berhorst hat den Band mit 88 Briefen von Siegfried Unseld an die Autoren des Suhrkamp-Verlags offenbar mit Vergnügen gelesen und findet, dass er sowohl die große Verbindlichkeit des Verlegers demonstriert, der stets engen Kontakt zu seinen Autoren suchte, als auch eine "kleine Ahnengalerie" der Verlagsgeschichte darstellt. Dabei sind "Absagen und kontroverse Briefe" in dem Band kaum vertreten und oft drehen sich die Korrespondenzen ums Geld, stellt der Rezensent fest. Alle großen Suhrkamp-Autoren sind vertreten, von Ernst Bloch und Max Frisch bis Rainald Goetz und Durs Grünbein, teilt der interessierte Berhorst mit. Unseld war die "persönliche Bekanntschaft" zu den Autoren wichtig und er strebte dabei "langfristige Beziehungen" an, was wohl seinen großen Erfolg als Verleger ausmachte, wie Berhorst vermutet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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