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Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse, 1809, mehr als 30 Jahre nach ihrem Tode veröffentlicht, verursachten unter den Zeitgenossen großes Aufsehen. Nie zuvor hatte sich eine Frau so rückhaltlos ausgesprochen. In Deutschland hat man die Briefe bisher nur in unzulänglichen Ausgaben lesen können, obwohl Julie de Lespinasse nach Meinung eines der besten Kenner der französischen Literatur, Friedhelm Kemp, hierzulande als Briefschreiberin kaum ihresgleichen hat.

Produktbeschreibung
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse, 1809, mehr als 30 Jahre nach ihrem Tode veröffentlicht, verursachten unter den Zeitgenossen großes Aufsehen. Nie zuvor hatte sich eine Frau so rückhaltlos ausgesprochen. In Deutschland hat man die Briefe bisher nur in unzulänglichen Ausgaben lesen können, obwohl Julie de Lespinasse nach Meinung eines der besten Kenner der französischen Literatur, Friedhelm Kemp, hierzulande als Briefschreiberin kaum ihresgleichen hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1997

Anschwellender Herzenssturm
Lieben, leiden, schreiben: Die Briefe der Julie des Lespinasse

Wen diese herzlose Zeit mit ihren vorgedruckten Kurzmitteilungen verdrießt, den lockt der Charme der Perückenepoche, in der es bekanntlich eine Briefkultur gegeben hat. Die Urheber dieser Kultur waren Männer, die Frauen zu viel schreiben ließen: Samuel Richardson mit "Pamela" (1740), den vertraulichen Briefen eines jungen Frauenzimmers, und Rousseau mit der "neuen Heloise" (1761), den Briefen zweier Liebender. Aus diesen Werken vor allem bildete sich die beliebte Figur der mehr oder weniger tugendhaften, liebenden und leidenden Heulsuse, die ihre fühlende Seele als Mittelpunkt der Welt setzt. Pamela hatte dem geschnürten und gezierten Zeitalter die frappierende Wahrheit eröffnet, daß jeder Gefühle hat. Soweit die gute Nachricht, nun die schlechte: jeder und vor allem jede kann über sie auch schreiben. Fortan wurde die Liebe, wie Niklas Luhmann so schön sagt, zum symbolisch generalisierenden Kommunikationsmedium; weniger systemtheoretisch gesprochen: zur Quelle uferloser Geschwätzigkeit.

Keine Dame des Ancien Régime aber hat sich so radikal nach den literarischen Vorbildern modelliert wie Julie des Lespinasse (1732 bis 1776). Vom 13. Mai 1773 bis zu ihrem Tod am 23. Mai 1776 insbesondere hat sie den Comte de Guibert mit Hunderten von Briefen gleichen Inhalts torpediert. Ich liebe, ich leide, ich bange, ich warte, ich schäme mich, ich verzweifle und so fort: "Montag, den 3. Oktober 1774 / Mein Freund, wie weh ist es mir ums Herz! Ich habe keine Worte mehr, ich kann nur noch schreien. Ich habe Ihren Brief gelesen, habe ihn hundertmal wiedergelesen. Mein Freund, wieviel Gutes und wieviel Schlechtes findet sich da vereint! Vergnügliches vermengt mit bitterster Qual! Diese Lektüre hat die Erregung meines Herzens gesteigert, hat sie zum Sturm anschwellen lassen. Ich kann mich gar nicht mehr beruhigen. Sie haben nacheinander mein Herz betört und dann zerrissen." Leider gehen die Worte keineswegs aus, und es geht immer so weiter: "Mein Gott, ich bin eine Frevlerin, aber der Himmel ist mein Zeuge, daß meinem Herzen nichts heiliger war als die Tugend. Aber waren nicht Sie es, der mich verdorben hat?" Er war es nicht, Pamela und Rousseaus Julie waren es.

1809 wurden die Briefe von der Witwe des Comte de Guibert veröffentlicht, vermutlich aus niederen Beweggründen. Zu einer vollständigen deutschen Ausgabe konnte sich seither niemand durchringen, nun aber hat Johannes Willms in bewunderungswürdiger Leidensfähigkeit alle erhaltenen Briefe übersetzt und kommentiert. Dazu liefert er in seinem kenntnisreichen Nachwort ein perfektes Stück Salonkommunikation.

Bereits in ihrem dritten Brief und fortan immer wieder fragt Julie de Lespinasse in der ihr eigenen Selbsterkenntnis: "War es nicht unerträglich langweilig?" So war es, und deshalb ist das Buch nur Menschen zu empfehlen, die sich nicht aufregen dürfen. Aber auch denen wäre zum Ausgleich "Die neue Justine oder Das Unglück der Tugend" (1797) des Marquis de Sade anzuraten. Das ist zwar auch ein geschwätziges Buch, aber wenigstens erhält die tugendhafte Gefühlsnudel dort ihre gerechte Strafe. FRIEDMAR APEL

Julie de Lespinasse: "Briefe einer Leidenschaft. 1773 - 1776". Herausgegeben und aus dem Französischen übersetzt von Johannes Willms. Verlag C. H. Beck, München 1997. 540 S., geb., 68,- DM.

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