Produktdetails
- Excerpta classica 17
- Verlag: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
- 1999.
- Seitenzahl: 290
- Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch
- Abmessung: 175mm x 105mm x 13mm
- Gewicht: 192g
- ISBN-13: 9783871620478
- ISBN-10: 3871620475
- Artikelnr.: 24412746
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999Einträgliche Geschäfte einer weichen Seele
Ein Frauenleben in klassischer Zeit: Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen / Von Friedmar Apel
Die berühmteste Malerin des achtzehnten Jahrhunderts galt nicht nur Herder als "die kultivierteste Frau Europas". Die 1741 in Chur gebürtige Tochter eines Kleinmeisters wurde nach moderner Art schon früh in ihren Talenten gefördert und nutzte das zu einer beispiellosen Karriere. Sie wurde ein Star und Global Player der Malerei und ihrer technischen Reproduktion, und sie wusste damit umzugehen. Mit 21 Jahren war sie schon Ehrenmitglied der Academia di Bologna, mit 24 der Academia San Luca. Als sie sich 1766 in London niederließ, handelte sie bereits als souveräne PR-Managerin ihrer selbst. Ihre repräsentative Werk- und Wohnstatt in Golden Square wählte sie unter strategischen Gesichtspunkten der Kommunikation und Vermarktung ihrer Werke.
An den "libsten Vater" schreibt sie: "ich bin hie nun bey Jedermann bekannt und in ansehen. ich muß mein Caracter nicht nur allein mit meiner arbeit suteniren, all übrigens muß darnach eingerichtet seyn - mit einer gewissen propertet, die heut zu tage sehr notwendig ist, wenn man sich Distinguiren will." Die "gehorsamme Tochter" ist hier bereits zum Familienvorstand geworden, die den Vater über den Gang der Welt belehrt. Ihre Geschäfte überwacht sie selbst und der so freundliche wie bestimmte Umgang mit dienstbaren Geistern wie ihrem Verwalter Joseph Anton Metzler beförderte deren Fortgang: "finde alles sehr deutlich und klar, und was sie getan haben ist sehr wohl gethan, bitte nur so fortfahren, for welche gefälligkeit sie mich unendtlich verbinden werden."
Binnen kurzem wurde sie in London zur gefragtesten Porträtistin ihrer Zeit, ihre literarisch und mythologisch inspirierten Blätter fanden reißenden Absatz, und auch im dem in England weniger beliebten Historienfach brachte sie es gegen alle Vorurteile zu höchstem Ansehen und zu einer Vorbildfunktion, was die Darstellung der älteren englischen Geschichte betraf. So gehörte sie 1769 schon zu dem erlauchten Kreis der Gründungsmitglieder der Royal Academy unter Joshua Reynolds, er sie als ebenbürtig anerkannte.
Ab 1781 residierte sie in ihrem Anwesen auf Trinità dei Monti in Rom als Malerfürstin und eine der reichsten bürgerlichen Frauen der Epoche. Angebote als Hofmalerin lehnte sie selbstbewusst ab, selbst Bittgänge des Königs von Neapel konnten nichts bei ihr erreichen. Bei ihrem Tod 1807 fanden in Rom, London und Paris Trauer- und Gedenkfeiern statt, auf denen fast die gesamte Kunstelite Europas anwesend war. Die schöne und erfolgreiche Düsseldorfer Ausstellung unter Bettina Baumgärtel (Katalog 1998) hat gezeigt, dass Angelika Kauffmann nach wie vor Gemüter beschäftigen kann.
Ihr märchenhafter Erfolg verdankte sich ihrer Einsicht in die Mechanismen des aufblühenden Kunstmarkts, vor allem in die Bedeutung der neuen Möglichkeiten, der Druckgrafik für eine internationale Verbreitung. Nicht nur die Zeichnungen, auch die Ölbilder stimmte sie in Sujet und Komposition auf die Reproduktion in Stichen ab, dass sie dem Publikum gefallen würden, wusste sie im Voraus. Mehr noch aber sorgten ihre Kommunikationsfähigkeit und eine charmante Selbstdarstellungsstrategie dafür, dass sie in der gebildeten Welt zu ihren Lebzeiten fast neidlos verehrt wurde.
Ihre Briefe zeugen von ihrem Talent, geschäftliche Verhandlungen geschickt mit dem Ton des empfindsamen Freundschaftskultes der Zeit zu verbinden und sich in einer entwaffnenden Mischung aus Bescheidenheit und souveräner Bildung darzustellen. In ihren deutschsprachigen Briefen (sie korrespondierte flüssig auch auf Englisch, Italienisch und Französisch) erhöht sich durch den Dialekt und die auch für die Zeit kuriose Rechtschreibung der Eindruck jener "Natürlichkeit" des Verhaltens, die ihr zugeschrieben wurde. Insbesondere die führenden Literaten der Zeit betörte sie durch unmittelbares gefühlvolles Reagieren auf deren Neuerscheinungen.
Gleich nach dem Erscheinen des "Messias" malte sie 1769 "Der besessene Samma beklagt seinen Sohn Benomi" und schrieb an Klopstock im schönsten Stil der bescheidenen Empfindsamkeit: "Wie ist es möglich daß ich ein so schätzbares geschencke wie Ihr Messias Empfangen kan ohne ihnen meinen schuldigsten Danck darfor abzustatten? aber mir fehlen worte die freude auszudrücken, die sie mir darmit verursachen. Das unendlich schöne, das Edle das erhabene so ich in ihrem Messias finde, bewegt meine ganze Seele." So löste sie ihr Programm einer Verschwisterung von Literatur und bildender Kunst kommunikativ ein, das sie in ihren Selbstporträts "inspiriert von der Muse der Poesie" gleichsam als Markenzeichen inszenierte.
Das Lob ihrer Natürlichkeit variiert freilich einen gönnerhaften Topos der Charakterisierung malender Frauen, der sich seit Vasaris Künstlerbiographien bis zu Winckelmann, Klopstock, Herder und Goethe tradiert hat. Unmittelbarer als männlichen Künstlern schrieb man ihren Bildern Beseelung zu und erkannte gleichzeitig in ihrer Person den Inbegriff der schönen, guten, zarten oder gar engelsgleichen Seele. Schon während Goethes italienischer Reise hatte sich diese Stilisierung weithin eingebürgert. So schreibt die Hofdame Anna Amalias 1788 Einverständnis heischend an Goethe in Rom: "Diese Frau ist eine so schöne Seele, wies wenige gibt und durch die Liebe zu ihr, wird man glaube ich selbst besser."
Goethe selbst hat sie dann in der "Italienischen Reise" ob des Interesses für seine Iphigenie, deren "Achsenszene" ("Seid ihr auch schon herabgekommen?") sie 1787 zeichnete, als Ikone der Empfindsamkeit und Empfänglichkeit verewigt: "Die zarte Seele Angelica, nahm das Stück mit unglaublicher Innigkeit auf, sie versprach mir eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Andenken besitzen sollte." Was Goethe von ihrer Kunstfertigkeit hielt, bleibt jedoch merkwürdig vage, gelegentlich scheint ihn ihre Anpassung an den Publikumsgeschmack zu stören. Im Verlauf der Entwicklung seiner klassizistischen Kunstauffassung lehnte er die Poetisierung malerischer Gegenstände nach der Art Füsslis und Kauffmanns ab. Illustrationen für die Leipziger Ausgabe wollte er aber zu deren "Hebung" unbedingt haben.
Mit Respekt und ein wenig Eitelkeit schreibt er 1787 an Göschen: "Von Mad. Angelica will ich schon vor erst eine Zeichnung zum fünften Bande zu erhalten. Sie hat so viele Bestellungen, daß kein Federzug von ihr mit Gold zu erhalten ist, was sie nicht aus Gefälligkeit tut." Angelika Kauffmann hat sich gegen die Etikettierung als gute Seele nie gewehrt, sie vielmehr nach Kräften bestätigt, auch praktisch in ihrer Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit, mit der sie Verwandte und Freunde unterstützte; vereinnahmen aber ließ sie sich nicht.
In dem berühmten Goethe-Porträt von 1787/88 hat man eine Schwäche ihrer Kunst im Vergleich zu Tischbein sehen wollen, indem Goethes Züge sich darin ihren eigenen annähern sollen. Der hübsche, weiblich wirkende Mann wäre so unversehens zum Abbild einer Seelenverwandtschaft gediehen. Was immer es damit auf sich hat, so zeigen ihre Briefe 1788 nach Goethes Abschied aus Rom, dass die Bekundungen der Freundschaft und Verbundenheit darin differenzierter und individueller ausfallen, und dass die sonst so gefasst und heiter wirkende Person hier überdeutlich häufig von einem Verlust spricht: "der tag ihrer abreis war einer der traurigen tagen meines lebens . . . Die sontage auf die ich mich sonsten so sehr gefreut, haben sich in traurige tage verendert." "das ich mit meinen gedancken (ich darf nicht sagen wie oft) in Weimar bin das weis ich - das meine tage ohne freude und genuss vorübergehen, das weis ich auch."
Und um die zurückgelassene Pinie, die Goethe in Rom gehegt hatte, sorgt sie sich wie um ein Kind. Dass er nicht wieder kommen wird, scheint sie schon früh zu wissen: "aber sie kommen nicht, das ist mein ewiger schmerz und meine klage." Gleichwohl hat sie Goethe gegenüber ihr Selbstbewusstsein bewahrt. Als Ikone eines selbstgegründeten Lebens im achtzehnten Jahrhundert und Spiegelung des Goetheschen Lebensentwurfs hätte sie vielleicht besser getaugt als Phillip Hackert in Goethes Darstellung. Sie aber verweigerte Goethe im Gegensatz zu Hackert die Überlassung der autobiographischen Materialien, wie sie überhaupt Waltraud Maierhofer zufolge Bitten und Wünsche öfter "ganz unweiblich" ablehnte.
Die Goethe geschenkte Zeichnung von 1788, die dann zur Titelvignette des achten Bandes der Göschen-Ausgabe gestochen wurde, "Muse Melpomene, Muse Thalia und Amor huldigen Johann Wolfgang von Goethe" inszeniert das Verhältnis auf eine merkwürdige Weise. Auf einem Postament sieht man die nach Alexander von Trippel gestaltete Goethe-Büste. Angelehnt daran blickt die Muse der Tragödie tiefsinnig auf das Denkmal des Dichters, am Fuße sitzt die Muse der Komödie und spielt neckisch mit dem Amorknaben. Dieser aber hat seine Pfeile achtlos fallen lassen, und von seinem Bogen ist nichts zu sehen.
Diese Darstellung einer sublimierten und malerisch poetisierten Liebe wurde in Weimar durchaus verstanden. Dezent, aber deutlich schreibt Karoline Herder 1788 an ihren Mann in Rom: "Es hat mich recht überrascht. Die hohe Muse, wie sie ihn mit innigem Wohlgefallen ansieht und in Betrachtung ist, und der Schmerz auf der Bildsäule sind unaussprechlich rührend."
Die klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung von Waltraud Maierhofer gibt dem wieder erwachten Interesse an der Malerin auf gefällige Weise Nahrung. Das Vorwort ist kenntnisreich und fügt dem Bild Angelika Kauffmanns einige neue Facetten hinzu. Mit Abbildungen geizt der Band allerdings, hier wird es einen nach dem Katalog von Bettina Baumgärtel verlangen (Verlag Gerd Hatje). Ein wenig langatmig beschäftigt sich Waltraud Maierhofer dagegen mit Weiblichkeitskonzepten, um am Ende bei dem Ergebnis zu landen, dass die Malerin sich kaum für feministische oder andere Vereinnahmungen eignet. In der Tat zeigt das hübsche, vielleicht etwas zu niedlich geratene Bändchen eine Künstlerin und Person, die das Autonomie-Ideal des achtzehnten Jahrhunderts auf bewunderungswürdige Weise zu verwirklichen verstand.
Angelika Kauffmann: "Briefe einer Malerin". Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 S., br., 28,80 DM
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Frauenleben in klassischer Zeit: Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen / Von Friedmar Apel
Die berühmteste Malerin des achtzehnten Jahrhunderts galt nicht nur Herder als "die kultivierteste Frau Europas". Die 1741 in Chur gebürtige Tochter eines Kleinmeisters wurde nach moderner Art schon früh in ihren Talenten gefördert und nutzte das zu einer beispiellosen Karriere. Sie wurde ein Star und Global Player der Malerei und ihrer technischen Reproduktion, und sie wusste damit umzugehen. Mit 21 Jahren war sie schon Ehrenmitglied der Academia di Bologna, mit 24 der Academia San Luca. Als sie sich 1766 in London niederließ, handelte sie bereits als souveräne PR-Managerin ihrer selbst. Ihre repräsentative Werk- und Wohnstatt in Golden Square wählte sie unter strategischen Gesichtspunkten der Kommunikation und Vermarktung ihrer Werke.
An den "libsten Vater" schreibt sie: "ich bin hie nun bey Jedermann bekannt und in ansehen. ich muß mein Caracter nicht nur allein mit meiner arbeit suteniren, all übrigens muß darnach eingerichtet seyn - mit einer gewissen propertet, die heut zu tage sehr notwendig ist, wenn man sich Distinguiren will." Die "gehorsamme Tochter" ist hier bereits zum Familienvorstand geworden, die den Vater über den Gang der Welt belehrt. Ihre Geschäfte überwacht sie selbst und der so freundliche wie bestimmte Umgang mit dienstbaren Geistern wie ihrem Verwalter Joseph Anton Metzler beförderte deren Fortgang: "finde alles sehr deutlich und klar, und was sie getan haben ist sehr wohl gethan, bitte nur so fortfahren, for welche gefälligkeit sie mich unendtlich verbinden werden."
Binnen kurzem wurde sie in London zur gefragtesten Porträtistin ihrer Zeit, ihre literarisch und mythologisch inspirierten Blätter fanden reißenden Absatz, und auch im dem in England weniger beliebten Historienfach brachte sie es gegen alle Vorurteile zu höchstem Ansehen und zu einer Vorbildfunktion, was die Darstellung der älteren englischen Geschichte betraf. So gehörte sie 1769 schon zu dem erlauchten Kreis der Gründungsmitglieder der Royal Academy unter Joshua Reynolds, er sie als ebenbürtig anerkannte.
Ab 1781 residierte sie in ihrem Anwesen auf Trinità dei Monti in Rom als Malerfürstin und eine der reichsten bürgerlichen Frauen der Epoche. Angebote als Hofmalerin lehnte sie selbstbewusst ab, selbst Bittgänge des Königs von Neapel konnten nichts bei ihr erreichen. Bei ihrem Tod 1807 fanden in Rom, London und Paris Trauer- und Gedenkfeiern statt, auf denen fast die gesamte Kunstelite Europas anwesend war. Die schöne und erfolgreiche Düsseldorfer Ausstellung unter Bettina Baumgärtel (Katalog 1998) hat gezeigt, dass Angelika Kauffmann nach wie vor Gemüter beschäftigen kann.
Ihr märchenhafter Erfolg verdankte sich ihrer Einsicht in die Mechanismen des aufblühenden Kunstmarkts, vor allem in die Bedeutung der neuen Möglichkeiten, der Druckgrafik für eine internationale Verbreitung. Nicht nur die Zeichnungen, auch die Ölbilder stimmte sie in Sujet und Komposition auf die Reproduktion in Stichen ab, dass sie dem Publikum gefallen würden, wusste sie im Voraus. Mehr noch aber sorgten ihre Kommunikationsfähigkeit und eine charmante Selbstdarstellungsstrategie dafür, dass sie in der gebildeten Welt zu ihren Lebzeiten fast neidlos verehrt wurde.
Ihre Briefe zeugen von ihrem Talent, geschäftliche Verhandlungen geschickt mit dem Ton des empfindsamen Freundschaftskultes der Zeit zu verbinden und sich in einer entwaffnenden Mischung aus Bescheidenheit und souveräner Bildung darzustellen. In ihren deutschsprachigen Briefen (sie korrespondierte flüssig auch auf Englisch, Italienisch und Französisch) erhöht sich durch den Dialekt und die auch für die Zeit kuriose Rechtschreibung der Eindruck jener "Natürlichkeit" des Verhaltens, die ihr zugeschrieben wurde. Insbesondere die führenden Literaten der Zeit betörte sie durch unmittelbares gefühlvolles Reagieren auf deren Neuerscheinungen.
Gleich nach dem Erscheinen des "Messias" malte sie 1769 "Der besessene Samma beklagt seinen Sohn Benomi" und schrieb an Klopstock im schönsten Stil der bescheidenen Empfindsamkeit: "Wie ist es möglich daß ich ein so schätzbares geschencke wie Ihr Messias Empfangen kan ohne ihnen meinen schuldigsten Danck darfor abzustatten? aber mir fehlen worte die freude auszudrücken, die sie mir darmit verursachen. Das unendlich schöne, das Edle das erhabene so ich in ihrem Messias finde, bewegt meine ganze Seele." So löste sie ihr Programm einer Verschwisterung von Literatur und bildender Kunst kommunikativ ein, das sie in ihren Selbstporträts "inspiriert von der Muse der Poesie" gleichsam als Markenzeichen inszenierte.
Das Lob ihrer Natürlichkeit variiert freilich einen gönnerhaften Topos der Charakterisierung malender Frauen, der sich seit Vasaris Künstlerbiographien bis zu Winckelmann, Klopstock, Herder und Goethe tradiert hat. Unmittelbarer als männlichen Künstlern schrieb man ihren Bildern Beseelung zu und erkannte gleichzeitig in ihrer Person den Inbegriff der schönen, guten, zarten oder gar engelsgleichen Seele. Schon während Goethes italienischer Reise hatte sich diese Stilisierung weithin eingebürgert. So schreibt die Hofdame Anna Amalias 1788 Einverständnis heischend an Goethe in Rom: "Diese Frau ist eine so schöne Seele, wies wenige gibt und durch die Liebe zu ihr, wird man glaube ich selbst besser."
Goethe selbst hat sie dann in der "Italienischen Reise" ob des Interesses für seine Iphigenie, deren "Achsenszene" ("Seid ihr auch schon herabgekommen?") sie 1787 zeichnete, als Ikone der Empfindsamkeit und Empfänglichkeit verewigt: "Die zarte Seele Angelica, nahm das Stück mit unglaublicher Innigkeit auf, sie versprach mir eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Andenken besitzen sollte." Was Goethe von ihrer Kunstfertigkeit hielt, bleibt jedoch merkwürdig vage, gelegentlich scheint ihn ihre Anpassung an den Publikumsgeschmack zu stören. Im Verlauf der Entwicklung seiner klassizistischen Kunstauffassung lehnte er die Poetisierung malerischer Gegenstände nach der Art Füsslis und Kauffmanns ab. Illustrationen für die Leipziger Ausgabe wollte er aber zu deren "Hebung" unbedingt haben.
Mit Respekt und ein wenig Eitelkeit schreibt er 1787 an Göschen: "Von Mad. Angelica will ich schon vor erst eine Zeichnung zum fünften Bande zu erhalten. Sie hat so viele Bestellungen, daß kein Federzug von ihr mit Gold zu erhalten ist, was sie nicht aus Gefälligkeit tut." Angelika Kauffmann hat sich gegen die Etikettierung als gute Seele nie gewehrt, sie vielmehr nach Kräften bestätigt, auch praktisch in ihrer Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit, mit der sie Verwandte und Freunde unterstützte; vereinnahmen aber ließ sie sich nicht.
In dem berühmten Goethe-Porträt von 1787/88 hat man eine Schwäche ihrer Kunst im Vergleich zu Tischbein sehen wollen, indem Goethes Züge sich darin ihren eigenen annähern sollen. Der hübsche, weiblich wirkende Mann wäre so unversehens zum Abbild einer Seelenverwandtschaft gediehen. Was immer es damit auf sich hat, so zeigen ihre Briefe 1788 nach Goethes Abschied aus Rom, dass die Bekundungen der Freundschaft und Verbundenheit darin differenzierter und individueller ausfallen, und dass die sonst so gefasst und heiter wirkende Person hier überdeutlich häufig von einem Verlust spricht: "der tag ihrer abreis war einer der traurigen tagen meines lebens . . . Die sontage auf die ich mich sonsten so sehr gefreut, haben sich in traurige tage verendert." "das ich mit meinen gedancken (ich darf nicht sagen wie oft) in Weimar bin das weis ich - das meine tage ohne freude und genuss vorübergehen, das weis ich auch."
Und um die zurückgelassene Pinie, die Goethe in Rom gehegt hatte, sorgt sie sich wie um ein Kind. Dass er nicht wieder kommen wird, scheint sie schon früh zu wissen: "aber sie kommen nicht, das ist mein ewiger schmerz und meine klage." Gleichwohl hat sie Goethe gegenüber ihr Selbstbewusstsein bewahrt. Als Ikone eines selbstgegründeten Lebens im achtzehnten Jahrhundert und Spiegelung des Goetheschen Lebensentwurfs hätte sie vielleicht besser getaugt als Phillip Hackert in Goethes Darstellung. Sie aber verweigerte Goethe im Gegensatz zu Hackert die Überlassung der autobiographischen Materialien, wie sie überhaupt Waltraud Maierhofer zufolge Bitten und Wünsche öfter "ganz unweiblich" ablehnte.
Die Goethe geschenkte Zeichnung von 1788, die dann zur Titelvignette des achten Bandes der Göschen-Ausgabe gestochen wurde, "Muse Melpomene, Muse Thalia und Amor huldigen Johann Wolfgang von Goethe" inszeniert das Verhältnis auf eine merkwürdige Weise. Auf einem Postament sieht man die nach Alexander von Trippel gestaltete Goethe-Büste. Angelehnt daran blickt die Muse der Tragödie tiefsinnig auf das Denkmal des Dichters, am Fuße sitzt die Muse der Komödie und spielt neckisch mit dem Amorknaben. Dieser aber hat seine Pfeile achtlos fallen lassen, und von seinem Bogen ist nichts zu sehen.
Diese Darstellung einer sublimierten und malerisch poetisierten Liebe wurde in Weimar durchaus verstanden. Dezent, aber deutlich schreibt Karoline Herder 1788 an ihren Mann in Rom: "Es hat mich recht überrascht. Die hohe Muse, wie sie ihn mit innigem Wohlgefallen ansieht und in Betrachtung ist, und der Schmerz auf der Bildsäule sind unaussprechlich rührend."
Die klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung von Waltraud Maierhofer gibt dem wieder erwachten Interesse an der Malerin auf gefällige Weise Nahrung. Das Vorwort ist kenntnisreich und fügt dem Bild Angelika Kauffmanns einige neue Facetten hinzu. Mit Abbildungen geizt der Band allerdings, hier wird es einen nach dem Katalog von Bettina Baumgärtel verlangen (Verlag Gerd Hatje). Ein wenig langatmig beschäftigt sich Waltraud Maierhofer dagegen mit Weiblichkeitskonzepten, um am Ende bei dem Ergebnis zu landen, dass die Malerin sich kaum für feministische oder andere Vereinnahmungen eignet. In der Tat zeigt das hübsche, vielleicht etwas zu niedlich geratene Bändchen eine Künstlerin und Person, die das Autonomie-Ideal des achtzehnten Jahrhunderts auf bewunderungswürdige Weise zu verwirklichen verstand.
Angelika Kauffmann: "Briefe einer Malerin". Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 S., br., 28,80 DM
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Friedmar Apel begüßt diese "klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung" in einer ausführlichen Kritik, die er dazu nutzt, die Geschichte dieser erfolgreichsten Malerin des 18. Jahrhunderts nachzuzeichnen - ganz besonders weist er darauf hin, wie genau sie mit bestimmten Themen des 18. Jahrhunderts spielte und wie groß dabei ihr kommerzielles Gespür war. Auch auf das Verhältnis der Malerin zu Goethe, das hier in einigen Briefen dokumentiert ist, geht Apel ein. Apel lobt das "kenntnisreiche Vorwort" von Waltraud Maierhofer, kritisiert aber, dass der Band allzu sparsam mit Abbildungen ausgestattet sei.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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