Produktdetails
- Excerpta classica 17
- Verlag: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
- 1999.
- Seitenzahl: 290
- Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch
- Abmessung: 175mm x 105mm x 13mm
- Gewicht: 192g
- ISBN-13: 9783871620478
- ISBN-10: 3871620475
- Artikelnr.: 24412746
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.06.2000Man muss ihr Freund sein
Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen – und Goethes „Gegendarstellung” in seiner „Italienischen Reise”
Wer sich auf Angelika Kauffmann (1741 bis 1807) einlässt, stößt zwangsläufig auf die Imponderabilien der Kunstgeschichte. Die Urteile über eine Malerin, die zu den begehrtesten Porträtistinnen ihrer Zeit gehörte, erweisen sich oft als Vorurteile einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Selbst Goethe schränkt ein, wenn er der „guten Angelica” attestiert, dass sie ein „unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent” hat. Dieser maskuline Vorbehalt ist bis in die jüngste Vergangenheit überliefert. Erst wenn Oscar Sandner in seiner Hommage an Angelika Kauffmann (Mailand 1992) von einer „Avantgardistin par excellence” spricht, deutet dies auf einen Wandel der Bewertung hin. Ob er sich nach den Kauffmann-Retrospektiven des vergangenen Jahrzehnts (in London, Mailand, München) fortsetzt, bleibt abzuwarten.
Wie dem auch sei: Von etwa 160 bisher ermittelten Briefen der in Chur geborenen und in Rom verstorbenen Malerin hat Waltraud Maierhofer eine Auswahl von 53 Lebenszeugnissen zusammengetragen. Diese Edition trägt dazu bei, ein romanhaft entstelltes Bild von seinen fälschenden Retuschen zu befreien und der „vielleicht cultiviertesten Frau Europas” (Herder) den Tribut zu zollen, den sie verdient.
Angelika, Tochter des Vorarlberger Wandermalers Johann Joseph Kauffmann, gilt als Wunderkind; schon als Zwölfjährige porträtiert sie den Bischof von Como; in Mailand malt sie die Prominenz aus Kirche und Staat; mit 21 wird sie Mitglied der Akademien von Florenz und Bologna. Winckelmann und Piranesi lernt sie in Rom kennen. 1766 schlägt sie in England ihre Zelte auf; die Skandalgeschichten, in die „la célèbre Angelique Kauffmann” (Marat) verwickelt gewesen sein soll, lassen sich nicht belegen. Nach ihrer Heirat mit dem venezianischen Architekturmaler Antonio Zucchi verlässt Angelika London und bezieht nach Zwischenstationen in Venedig und Neapel ein Domizil nahe der Kirche Trinità dei Monti in Rom. Hier richtet die Malerin ein Atelier ein, hier empfängt sie illustre Gäste und gute Freunde. Angelikas Salon genießt europaweit Ansehen; er festigt den Ruhm der Künstlerin.
Zu den regelmäßigen Sonntagmittaggästen in den Jahren 1786/87 zählt auch Goethe. Es entspricht den Proportionen dieser Freundschaft, dass Angelikas Korrespondenz mit dem Dichter den Mittelpunkt der Briefe einer Malerin bildet. Goethe scheint alle Maßstäbe ad absurdum zu führen. Die Kauffmann, der es im Umgang mit anderen Zeitgenossen keineswegs an Selbstbewusstsein mangelt, geht vor dem inzwischen nach Weimar zurückgekehrten Geheimen Rat in die Knie. Vieles deutet darauf hin, dass eine Arbeitskrise der Künstlerin sich zu einem Lebenskonflikt ausweitet. „ich lebe so ein trauriges leben, in einer art von gleichgültigkeit, weillen ich nicht sehen kan was ich zu sehen wünsche, ist mir alles eins, was ich sehe . . .”
Ihr Auge ist sehr gebildet
Von Goethes Antwortbriefen sind zwar nur wenige überliefert, doch lohnt es sich, die Italienische Reise zu konsultieren. Hier findet der Leser eine „Gegendarstellung”, die auch Angelikas depressives Verhalten erklären hilft. Goethe schätzt es hoch ein, mit der Malerin Museen zu besuchen und gemeinsam mit ihr Gemälde zu betrachten, „da ihr Auge sehr gebildet und ihre mechanische Kunstkenntnis sehr groß ist. Dabei ist sie für alles Schöne, Wahre, Zarte empfindlich und unglaublich bescheiden. ” Angelikas Melancholie bleibt dem Dichter nicht verborgen. Was sie in ihrem Brief nach Weimar nur andeutet, ohne die wahren Gründe für ihre Verbitterung zu nennen, ist bei Goethe im Klartext tradiert. „Sie spricht sehr aufrichtig mit mir . . .” Goethe erfährt, dass sie es leid ist, „auf den Kauf zu malen; doch findet ihr alter Gatte es gar zu schön, daß so schweres Geld für oft leichte Arbeit einkommt”. Die Künstlerin im Spannungsfeld von Auftrag und Selbstbestimmung: Angelika Kauffmanns Briefe liefern die Innensicht einer bis auf den heutigen Tag ungelöst gebliebenen Situation.
„Man muß ihr Freund sein: man kann viel von ihr lernen, besonders arbeiten; denn es ist unglaublich, was sie alles endigt. ” Goethes Bemerkung vom 23. Oktober 1787 bezieht sich direkt auf die handwerklichen Qualitäten der Malerin und auf ein theoretisches Wissen, das Angelika mit kunstpädagogischem Eifer einem kleinen Kreis von Interessierten vermittelt. „Angelica ist gar lieb und gut, sie macht mich auf alle Weise zu ihrem Schuldner. ” Goethe spielt auf eine Herzensbildung an, die in den Briefen konkrete Formen annimmt. Den Zuspruch, den Angelika in Gesprächen mit Goethe erhält, leistet sie selbst überall dort, wo Trost und Hilfe vonnöten sind.
Angelikas Sorge um und für ihre Bregenzerwälder Verwandtschaft erweist sich als Konstante einer Korrespondenz, die, mit Blick auf die Briefpartner, europäisches Format beanspruchen kann. Nie und nirgends löst sich die weltgewandte Frau von ihren Wurzeln; Heimweh ist oft mit im Spiel: „die liebe gegen dem vatterland wirt in meinem hertzen nicht erlöschen, den meinigen zu helfen wirt meins lebensfreude und meine pflichte sein. ” Das klingt wie ein Schwur. Das „vatterland” hat den Nimbus einer moralischen Instanz; es ist für die Malerin aber auch der Garant einer tiefen Gläubigkeit. Dieses bildet Angelikas Grundsubstanz – ein Reduit, aus dem sie zeitlebens Energien bezieht. Ihre nicht unbeträchtlichen finanziellen Mittel investiert die Kinderlose auch und nicht an letzter Stelle in die berufliche Ausbildung ihrer Anverwandten; doch setzt sie voraus, dass die Hilfsbedürftigen sich kooperativ zeigen und Eigeninitiative entwickeln. So entsteht in dieser Korrespondenz nicht nur das Bild einer „zarten Seele”, sondern auch das Porträt einer tatkräftigen und von pädagogischem Furor erfüllten Frau.
Wenn Angelika Kauffmann in einem Brief an den Schweizer Juristen Carl Ulysses von Salis-Marschlins sich für ihr „ungeübtes deutsch” entschuldigt, im gleichen Satz aber ihre Diktion als „die sprache der redlichkeit und des herzens” rechtfertigt, muss der Leser zwischen übertriebener Bescheidenheit und einem Bekenntnis unterscheiden, das den Kammerton dieser Briefe bestimmt. Zum einen beherrscht die Malerin das gesellschaftsübliche Vokabular im Umgang mit gekrönten Häuptern und Koryphäen der deutschen Klassik; zum anderen lassen diese Selbstzeugnisse keinen Zweifel aufkommen, dass Angelika sich weder um stilistische Finessen noch um eine einheitliche Rechtschreibung kümmert. Wo Lebensfragen zur Diskussion stehen, erweist sich jedes Dekor als überflüssig.
Waltraud Maierhofer, die 1997 in den Rororo-Monographien einen Band über Angelika Kauffmann veröffentlicht hat, bietet mit ihrer Edition der Briefe einer Malerin wesentlich mehr, als der Titel vermuten lässt. Abgesehen von einem üppigen Anhang, der auch ein kommentiertes Personenverzeichnis enthält, informiert eine Einleitung über die Facetten der Briefschreiberin. Am Schluss ihrer Einführung, die nicht nur die epistolografischen Voraussetzungen einer Künstlerin des 18. Jahrhunderts ins rechte Licht rückt, sondern auch versucht, die Verflechtungen von Kunst und Kommerz in der Vita von Angelika Kauffmann darzustellen, übt sich Waltraud Maierhofer in Bescheidenheit. Angesichts der noch immer bestehenden Lücken in der Dokumentation eines Lebens und einer Karriere, die als phänomenal im Sinn einer Ausnahmeerscheinung bezeichnet werden muss, ist diese Zurückhaltung verständlich. Diese Edition zielt auf Vergegenwärtigung ab; die Herausgeberin weiß, dass es „noch viel zu entdecken” gibt. Das ist ein Vorbehalt, aber auch ein Versprechen.
HANSJÖRG GRAF
ANGELIKA KAUFMANN: Briefe einer Malerin. Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. excerpta classica XVII. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 Seiten, 28,80 Mark.
Angelika Kauffmann, mit dem Silberstift gezeichnet von Anton Graff um 1775.
Abb. : Goethe-Museum Düsseldorf
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen – und Goethes „Gegendarstellung” in seiner „Italienischen Reise”
Wer sich auf Angelika Kauffmann (1741 bis 1807) einlässt, stößt zwangsläufig auf die Imponderabilien der Kunstgeschichte. Die Urteile über eine Malerin, die zu den begehrtesten Porträtistinnen ihrer Zeit gehörte, erweisen sich oft als Vorurteile einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Selbst Goethe schränkt ein, wenn er der „guten Angelica” attestiert, dass sie ein „unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent” hat. Dieser maskuline Vorbehalt ist bis in die jüngste Vergangenheit überliefert. Erst wenn Oscar Sandner in seiner Hommage an Angelika Kauffmann (Mailand 1992) von einer „Avantgardistin par excellence” spricht, deutet dies auf einen Wandel der Bewertung hin. Ob er sich nach den Kauffmann-Retrospektiven des vergangenen Jahrzehnts (in London, Mailand, München) fortsetzt, bleibt abzuwarten.
Wie dem auch sei: Von etwa 160 bisher ermittelten Briefen der in Chur geborenen und in Rom verstorbenen Malerin hat Waltraud Maierhofer eine Auswahl von 53 Lebenszeugnissen zusammengetragen. Diese Edition trägt dazu bei, ein romanhaft entstelltes Bild von seinen fälschenden Retuschen zu befreien und der „vielleicht cultiviertesten Frau Europas” (Herder) den Tribut zu zollen, den sie verdient.
Angelika, Tochter des Vorarlberger Wandermalers Johann Joseph Kauffmann, gilt als Wunderkind; schon als Zwölfjährige porträtiert sie den Bischof von Como; in Mailand malt sie die Prominenz aus Kirche und Staat; mit 21 wird sie Mitglied der Akademien von Florenz und Bologna. Winckelmann und Piranesi lernt sie in Rom kennen. 1766 schlägt sie in England ihre Zelte auf; die Skandalgeschichten, in die „la célèbre Angelique Kauffmann” (Marat) verwickelt gewesen sein soll, lassen sich nicht belegen. Nach ihrer Heirat mit dem venezianischen Architekturmaler Antonio Zucchi verlässt Angelika London und bezieht nach Zwischenstationen in Venedig und Neapel ein Domizil nahe der Kirche Trinità dei Monti in Rom. Hier richtet die Malerin ein Atelier ein, hier empfängt sie illustre Gäste und gute Freunde. Angelikas Salon genießt europaweit Ansehen; er festigt den Ruhm der Künstlerin.
Zu den regelmäßigen Sonntagmittaggästen in den Jahren 1786/87 zählt auch Goethe. Es entspricht den Proportionen dieser Freundschaft, dass Angelikas Korrespondenz mit dem Dichter den Mittelpunkt der Briefe einer Malerin bildet. Goethe scheint alle Maßstäbe ad absurdum zu führen. Die Kauffmann, der es im Umgang mit anderen Zeitgenossen keineswegs an Selbstbewusstsein mangelt, geht vor dem inzwischen nach Weimar zurückgekehrten Geheimen Rat in die Knie. Vieles deutet darauf hin, dass eine Arbeitskrise der Künstlerin sich zu einem Lebenskonflikt ausweitet. „ich lebe so ein trauriges leben, in einer art von gleichgültigkeit, weillen ich nicht sehen kan was ich zu sehen wünsche, ist mir alles eins, was ich sehe . . .”
Ihr Auge ist sehr gebildet
Von Goethes Antwortbriefen sind zwar nur wenige überliefert, doch lohnt es sich, die Italienische Reise zu konsultieren. Hier findet der Leser eine „Gegendarstellung”, die auch Angelikas depressives Verhalten erklären hilft. Goethe schätzt es hoch ein, mit der Malerin Museen zu besuchen und gemeinsam mit ihr Gemälde zu betrachten, „da ihr Auge sehr gebildet und ihre mechanische Kunstkenntnis sehr groß ist. Dabei ist sie für alles Schöne, Wahre, Zarte empfindlich und unglaublich bescheiden. ” Angelikas Melancholie bleibt dem Dichter nicht verborgen. Was sie in ihrem Brief nach Weimar nur andeutet, ohne die wahren Gründe für ihre Verbitterung zu nennen, ist bei Goethe im Klartext tradiert. „Sie spricht sehr aufrichtig mit mir . . .” Goethe erfährt, dass sie es leid ist, „auf den Kauf zu malen; doch findet ihr alter Gatte es gar zu schön, daß so schweres Geld für oft leichte Arbeit einkommt”. Die Künstlerin im Spannungsfeld von Auftrag und Selbstbestimmung: Angelika Kauffmanns Briefe liefern die Innensicht einer bis auf den heutigen Tag ungelöst gebliebenen Situation.
„Man muß ihr Freund sein: man kann viel von ihr lernen, besonders arbeiten; denn es ist unglaublich, was sie alles endigt. ” Goethes Bemerkung vom 23. Oktober 1787 bezieht sich direkt auf die handwerklichen Qualitäten der Malerin und auf ein theoretisches Wissen, das Angelika mit kunstpädagogischem Eifer einem kleinen Kreis von Interessierten vermittelt. „Angelica ist gar lieb und gut, sie macht mich auf alle Weise zu ihrem Schuldner. ” Goethe spielt auf eine Herzensbildung an, die in den Briefen konkrete Formen annimmt. Den Zuspruch, den Angelika in Gesprächen mit Goethe erhält, leistet sie selbst überall dort, wo Trost und Hilfe vonnöten sind.
Angelikas Sorge um und für ihre Bregenzerwälder Verwandtschaft erweist sich als Konstante einer Korrespondenz, die, mit Blick auf die Briefpartner, europäisches Format beanspruchen kann. Nie und nirgends löst sich die weltgewandte Frau von ihren Wurzeln; Heimweh ist oft mit im Spiel: „die liebe gegen dem vatterland wirt in meinem hertzen nicht erlöschen, den meinigen zu helfen wirt meins lebensfreude und meine pflichte sein. ” Das klingt wie ein Schwur. Das „vatterland” hat den Nimbus einer moralischen Instanz; es ist für die Malerin aber auch der Garant einer tiefen Gläubigkeit. Dieses bildet Angelikas Grundsubstanz – ein Reduit, aus dem sie zeitlebens Energien bezieht. Ihre nicht unbeträchtlichen finanziellen Mittel investiert die Kinderlose auch und nicht an letzter Stelle in die berufliche Ausbildung ihrer Anverwandten; doch setzt sie voraus, dass die Hilfsbedürftigen sich kooperativ zeigen und Eigeninitiative entwickeln. So entsteht in dieser Korrespondenz nicht nur das Bild einer „zarten Seele”, sondern auch das Porträt einer tatkräftigen und von pädagogischem Furor erfüllten Frau.
Wenn Angelika Kauffmann in einem Brief an den Schweizer Juristen Carl Ulysses von Salis-Marschlins sich für ihr „ungeübtes deutsch” entschuldigt, im gleichen Satz aber ihre Diktion als „die sprache der redlichkeit und des herzens” rechtfertigt, muss der Leser zwischen übertriebener Bescheidenheit und einem Bekenntnis unterscheiden, das den Kammerton dieser Briefe bestimmt. Zum einen beherrscht die Malerin das gesellschaftsübliche Vokabular im Umgang mit gekrönten Häuptern und Koryphäen der deutschen Klassik; zum anderen lassen diese Selbstzeugnisse keinen Zweifel aufkommen, dass Angelika sich weder um stilistische Finessen noch um eine einheitliche Rechtschreibung kümmert. Wo Lebensfragen zur Diskussion stehen, erweist sich jedes Dekor als überflüssig.
Waltraud Maierhofer, die 1997 in den Rororo-Monographien einen Band über Angelika Kauffmann veröffentlicht hat, bietet mit ihrer Edition der Briefe einer Malerin wesentlich mehr, als der Titel vermuten lässt. Abgesehen von einem üppigen Anhang, der auch ein kommentiertes Personenverzeichnis enthält, informiert eine Einleitung über die Facetten der Briefschreiberin. Am Schluss ihrer Einführung, die nicht nur die epistolografischen Voraussetzungen einer Künstlerin des 18. Jahrhunderts ins rechte Licht rückt, sondern auch versucht, die Verflechtungen von Kunst und Kommerz in der Vita von Angelika Kauffmann darzustellen, übt sich Waltraud Maierhofer in Bescheidenheit. Angesichts der noch immer bestehenden Lücken in der Dokumentation eines Lebens und einer Karriere, die als phänomenal im Sinn einer Ausnahmeerscheinung bezeichnet werden muss, ist diese Zurückhaltung verständlich. Diese Edition zielt auf Vergegenwärtigung ab; die Herausgeberin weiß, dass es „noch viel zu entdecken” gibt. Das ist ein Vorbehalt, aber auch ein Versprechen.
HANSJÖRG GRAF
ANGELIKA KAUFMANN: Briefe einer Malerin. Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. excerpta classica XVII. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 Seiten, 28,80 Mark.
Angelika Kauffmann, mit dem Silberstift gezeichnet von Anton Graff um 1775.
Abb. : Goethe-Museum Düsseldorf
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999Einträgliche Geschäfte einer weichen Seele
Ein Frauenleben in klassischer Zeit: Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen / Von Friedmar Apel
Die berühmteste Malerin des achtzehnten Jahrhunderts galt nicht nur Herder als "die kultivierteste Frau Europas". Die 1741 in Chur gebürtige Tochter eines Kleinmeisters wurde nach moderner Art schon früh in ihren Talenten gefördert und nutzte das zu einer beispiellosen Karriere. Sie wurde ein Star und Global Player der Malerei und ihrer technischen Reproduktion, und sie wusste damit umzugehen. Mit 21 Jahren war sie schon Ehrenmitglied der Academia di Bologna, mit 24 der Academia San Luca. Als sie sich 1766 in London niederließ, handelte sie bereits als souveräne PR-Managerin ihrer selbst. Ihre repräsentative Werk- und Wohnstatt in Golden Square wählte sie unter strategischen Gesichtspunkten der Kommunikation und Vermarktung ihrer Werke.
An den "libsten Vater" schreibt sie: "ich bin hie nun bey Jedermann bekannt und in ansehen. ich muß mein Caracter nicht nur allein mit meiner arbeit suteniren, all übrigens muß darnach eingerichtet seyn - mit einer gewissen propertet, die heut zu tage sehr notwendig ist, wenn man sich Distinguiren will." Die "gehorsamme Tochter" ist hier bereits zum Familienvorstand geworden, die den Vater über den Gang der Welt belehrt. Ihre Geschäfte überwacht sie selbst und der so freundliche wie bestimmte Umgang mit dienstbaren Geistern wie ihrem Verwalter Joseph Anton Metzler beförderte deren Fortgang: "finde alles sehr deutlich und klar, und was sie getan haben ist sehr wohl gethan, bitte nur so fortfahren, for welche gefälligkeit sie mich unendtlich verbinden werden."
Binnen kurzem wurde sie in London zur gefragtesten Porträtistin ihrer Zeit, ihre literarisch und mythologisch inspirierten Blätter fanden reißenden Absatz, und auch im dem in England weniger beliebten Historienfach brachte sie es gegen alle Vorurteile zu höchstem Ansehen und zu einer Vorbildfunktion, was die Darstellung der älteren englischen Geschichte betraf. So gehörte sie 1769 schon zu dem erlauchten Kreis der Gründungsmitglieder der Royal Academy unter Joshua Reynolds, er sie als ebenbürtig anerkannte.
Ab 1781 residierte sie in ihrem Anwesen auf Trinità dei Monti in Rom als Malerfürstin und eine der reichsten bürgerlichen Frauen der Epoche. Angebote als Hofmalerin lehnte sie selbstbewusst ab, selbst Bittgänge des Königs von Neapel konnten nichts bei ihr erreichen. Bei ihrem Tod 1807 fanden in Rom, London und Paris Trauer- und Gedenkfeiern statt, auf denen fast die gesamte Kunstelite Europas anwesend war. Die schöne und erfolgreiche Düsseldorfer Ausstellung unter Bettina Baumgärtel (Katalog 1998) hat gezeigt, dass Angelika Kauffmann nach wie vor Gemüter beschäftigen kann.
Ihr märchenhafter Erfolg verdankte sich ihrer Einsicht in die Mechanismen des aufblühenden Kunstmarkts, vor allem in die Bedeutung der neuen Möglichkeiten, der Druckgrafik für eine internationale Verbreitung. Nicht nur die Zeichnungen, auch die Ölbilder stimmte sie in Sujet und Komposition auf die Reproduktion in Stichen ab, dass sie dem Publikum gefallen würden, wusste sie im Voraus. Mehr noch aber sorgten ihre Kommunikationsfähigkeit und eine charmante Selbstdarstellungsstrategie dafür, dass sie in der gebildeten Welt zu ihren Lebzeiten fast neidlos verehrt wurde.
Ihre Briefe zeugen von ihrem Talent, geschäftliche Verhandlungen geschickt mit dem Ton des empfindsamen Freundschaftskultes der Zeit zu verbinden und sich in einer entwaffnenden Mischung aus Bescheidenheit und souveräner Bildung darzustellen. In ihren deutschsprachigen Briefen (sie korrespondierte flüssig auch auf Englisch, Italienisch und Französisch) erhöht sich durch den Dialekt und die auch für die Zeit kuriose Rechtschreibung der Eindruck jener "Natürlichkeit" des Verhaltens, die ihr zugeschrieben wurde. Insbesondere die führenden Literaten der Zeit betörte sie durch unmittelbares gefühlvolles Reagieren auf deren Neuerscheinungen.
Gleich nach dem Erscheinen des "Messias" malte sie 1769 "Der besessene Samma beklagt seinen Sohn Benomi" und schrieb an Klopstock im schönsten Stil der bescheidenen Empfindsamkeit: "Wie ist es möglich daß ich ein so schätzbares geschencke wie Ihr Messias Empfangen kan ohne ihnen meinen schuldigsten Danck darfor abzustatten? aber mir fehlen worte die freude auszudrücken, die sie mir darmit verursachen. Das unendlich schöne, das Edle das erhabene so ich in ihrem Messias finde, bewegt meine ganze Seele." So löste sie ihr Programm einer Verschwisterung von Literatur und bildender Kunst kommunikativ ein, das sie in ihren Selbstporträts "inspiriert von der Muse der Poesie" gleichsam als Markenzeichen inszenierte.
Das Lob ihrer Natürlichkeit variiert freilich einen gönnerhaften Topos der Charakterisierung malender Frauen, der sich seit Vasaris Künstlerbiographien bis zu Winckelmann, Klopstock, Herder und Goethe tradiert hat. Unmittelbarer als männlichen Künstlern schrieb man ihren Bildern Beseelung zu und erkannte gleichzeitig in ihrer Person den Inbegriff der schönen, guten, zarten oder gar engelsgleichen Seele. Schon während Goethes italienischer Reise hatte sich diese Stilisierung weithin eingebürgert. So schreibt die Hofdame Anna Amalias 1788 Einverständnis heischend an Goethe in Rom: "Diese Frau ist eine so schöne Seele, wies wenige gibt und durch die Liebe zu ihr, wird man glaube ich selbst besser."
Goethe selbst hat sie dann in der "Italienischen Reise" ob des Interesses für seine Iphigenie, deren "Achsenszene" ("Seid ihr auch schon herabgekommen?") sie 1787 zeichnete, als Ikone der Empfindsamkeit und Empfänglichkeit verewigt: "Die zarte Seele Angelica, nahm das Stück mit unglaublicher Innigkeit auf, sie versprach mir eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Andenken besitzen sollte." Was Goethe von ihrer Kunstfertigkeit hielt, bleibt jedoch merkwürdig vage, gelegentlich scheint ihn ihre Anpassung an den Publikumsgeschmack zu stören. Im Verlauf der Entwicklung seiner klassizistischen Kunstauffassung lehnte er die Poetisierung malerischer Gegenstände nach der Art Füsslis und Kauffmanns ab. Illustrationen für die Leipziger Ausgabe wollte er aber zu deren "Hebung" unbedingt haben.
Mit Respekt und ein wenig Eitelkeit schreibt er 1787 an Göschen: "Von Mad. Angelica will ich schon vor erst eine Zeichnung zum fünften Bande zu erhalten. Sie hat so viele Bestellungen, daß kein Federzug von ihr mit Gold zu erhalten ist, was sie nicht aus Gefälligkeit tut." Angelika Kauffmann hat sich gegen die Etikettierung als gute Seele nie gewehrt, sie vielmehr nach Kräften bestätigt, auch praktisch in ihrer Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit, mit der sie Verwandte und Freunde unterstützte; vereinnahmen aber ließ sie sich nicht.
In dem berühmten Goethe-Porträt von 1787/88 hat man eine Schwäche ihrer Kunst im Vergleich zu Tischbein sehen wollen, indem Goethes Züge sich darin ihren eigenen annähern sollen. Der hübsche, weiblich wirkende Mann wäre so unversehens zum Abbild einer Seelenverwandtschaft gediehen. Was immer es damit auf sich hat, so zeigen ihre Briefe 1788 nach Goethes Abschied aus Rom, dass die Bekundungen der Freundschaft und Verbundenheit darin differenzierter und individueller ausfallen, und dass die sonst so gefasst und heiter wirkende Person hier überdeutlich häufig von einem Verlust spricht: "der tag ihrer abreis war einer der traurigen tagen meines lebens . . . Die sontage auf die ich mich sonsten so sehr gefreut, haben sich in traurige tage verendert." "das ich mit meinen gedancken (ich darf nicht sagen wie oft) in Weimar bin das weis ich - das meine tage ohne freude und genuss vorübergehen, das weis ich auch."
Und um die zurückgelassene Pinie, die Goethe in Rom gehegt hatte, sorgt sie sich wie um ein Kind. Dass er nicht wieder kommen wird, scheint sie schon früh zu wissen: "aber sie kommen nicht, das ist mein ewiger schmerz und meine klage." Gleichwohl hat sie Goethe gegenüber ihr Selbstbewusstsein bewahrt. Als Ikone eines selbstgegründeten Lebens im achtzehnten Jahrhundert und Spiegelung des Goetheschen Lebensentwurfs hätte sie vielleicht besser getaugt als Phillip Hackert in Goethes Darstellung. Sie aber verweigerte Goethe im Gegensatz zu Hackert die Überlassung der autobiographischen Materialien, wie sie überhaupt Waltraud Maierhofer zufolge Bitten und Wünsche öfter "ganz unweiblich" ablehnte.
Die Goethe geschenkte Zeichnung von 1788, die dann zur Titelvignette des achten Bandes der Göschen-Ausgabe gestochen wurde, "Muse Melpomene, Muse Thalia und Amor huldigen Johann Wolfgang von Goethe" inszeniert das Verhältnis auf eine merkwürdige Weise. Auf einem Postament sieht man die nach Alexander von Trippel gestaltete Goethe-Büste. Angelehnt daran blickt die Muse der Tragödie tiefsinnig auf das Denkmal des Dichters, am Fuße sitzt die Muse der Komödie und spielt neckisch mit dem Amorknaben. Dieser aber hat seine Pfeile achtlos fallen lassen, und von seinem Bogen ist nichts zu sehen.
Diese Darstellung einer sublimierten und malerisch poetisierten Liebe wurde in Weimar durchaus verstanden. Dezent, aber deutlich schreibt Karoline Herder 1788 an ihren Mann in Rom: "Es hat mich recht überrascht. Die hohe Muse, wie sie ihn mit innigem Wohlgefallen ansieht und in Betrachtung ist, und der Schmerz auf der Bildsäule sind unaussprechlich rührend."
Die klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung von Waltraud Maierhofer gibt dem wieder erwachten Interesse an der Malerin auf gefällige Weise Nahrung. Das Vorwort ist kenntnisreich und fügt dem Bild Angelika Kauffmanns einige neue Facetten hinzu. Mit Abbildungen geizt der Band allerdings, hier wird es einen nach dem Katalog von Bettina Baumgärtel verlangen (Verlag Gerd Hatje). Ein wenig langatmig beschäftigt sich Waltraud Maierhofer dagegen mit Weiblichkeitskonzepten, um am Ende bei dem Ergebnis zu landen, dass die Malerin sich kaum für feministische oder andere Vereinnahmungen eignet. In der Tat zeigt das hübsche, vielleicht etwas zu niedlich geratene Bändchen eine Künstlerin und Person, die das Autonomie-Ideal des achtzehnten Jahrhunderts auf bewunderungswürdige Weise zu verwirklichen verstand.
Angelika Kauffmann: "Briefe einer Malerin". Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 S., br., 28,80 DM
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Frauenleben in klassischer Zeit: Die Malerin Angelika Kauffmann in ihren Briefen / Von Friedmar Apel
Die berühmteste Malerin des achtzehnten Jahrhunderts galt nicht nur Herder als "die kultivierteste Frau Europas". Die 1741 in Chur gebürtige Tochter eines Kleinmeisters wurde nach moderner Art schon früh in ihren Talenten gefördert und nutzte das zu einer beispiellosen Karriere. Sie wurde ein Star und Global Player der Malerei und ihrer technischen Reproduktion, und sie wusste damit umzugehen. Mit 21 Jahren war sie schon Ehrenmitglied der Academia di Bologna, mit 24 der Academia San Luca. Als sie sich 1766 in London niederließ, handelte sie bereits als souveräne PR-Managerin ihrer selbst. Ihre repräsentative Werk- und Wohnstatt in Golden Square wählte sie unter strategischen Gesichtspunkten der Kommunikation und Vermarktung ihrer Werke.
An den "libsten Vater" schreibt sie: "ich bin hie nun bey Jedermann bekannt und in ansehen. ich muß mein Caracter nicht nur allein mit meiner arbeit suteniren, all übrigens muß darnach eingerichtet seyn - mit einer gewissen propertet, die heut zu tage sehr notwendig ist, wenn man sich Distinguiren will." Die "gehorsamme Tochter" ist hier bereits zum Familienvorstand geworden, die den Vater über den Gang der Welt belehrt. Ihre Geschäfte überwacht sie selbst und der so freundliche wie bestimmte Umgang mit dienstbaren Geistern wie ihrem Verwalter Joseph Anton Metzler beförderte deren Fortgang: "finde alles sehr deutlich und klar, und was sie getan haben ist sehr wohl gethan, bitte nur so fortfahren, for welche gefälligkeit sie mich unendtlich verbinden werden."
Binnen kurzem wurde sie in London zur gefragtesten Porträtistin ihrer Zeit, ihre literarisch und mythologisch inspirierten Blätter fanden reißenden Absatz, und auch im dem in England weniger beliebten Historienfach brachte sie es gegen alle Vorurteile zu höchstem Ansehen und zu einer Vorbildfunktion, was die Darstellung der älteren englischen Geschichte betraf. So gehörte sie 1769 schon zu dem erlauchten Kreis der Gründungsmitglieder der Royal Academy unter Joshua Reynolds, er sie als ebenbürtig anerkannte.
Ab 1781 residierte sie in ihrem Anwesen auf Trinità dei Monti in Rom als Malerfürstin und eine der reichsten bürgerlichen Frauen der Epoche. Angebote als Hofmalerin lehnte sie selbstbewusst ab, selbst Bittgänge des Königs von Neapel konnten nichts bei ihr erreichen. Bei ihrem Tod 1807 fanden in Rom, London und Paris Trauer- und Gedenkfeiern statt, auf denen fast die gesamte Kunstelite Europas anwesend war. Die schöne und erfolgreiche Düsseldorfer Ausstellung unter Bettina Baumgärtel (Katalog 1998) hat gezeigt, dass Angelika Kauffmann nach wie vor Gemüter beschäftigen kann.
Ihr märchenhafter Erfolg verdankte sich ihrer Einsicht in die Mechanismen des aufblühenden Kunstmarkts, vor allem in die Bedeutung der neuen Möglichkeiten, der Druckgrafik für eine internationale Verbreitung. Nicht nur die Zeichnungen, auch die Ölbilder stimmte sie in Sujet und Komposition auf die Reproduktion in Stichen ab, dass sie dem Publikum gefallen würden, wusste sie im Voraus. Mehr noch aber sorgten ihre Kommunikationsfähigkeit und eine charmante Selbstdarstellungsstrategie dafür, dass sie in der gebildeten Welt zu ihren Lebzeiten fast neidlos verehrt wurde.
Ihre Briefe zeugen von ihrem Talent, geschäftliche Verhandlungen geschickt mit dem Ton des empfindsamen Freundschaftskultes der Zeit zu verbinden und sich in einer entwaffnenden Mischung aus Bescheidenheit und souveräner Bildung darzustellen. In ihren deutschsprachigen Briefen (sie korrespondierte flüssig auch auf Englisch, Italienisch und Französisch) erhöht sich durch den Dialekt und die auch für die Zeit kuriose Rechtschreibung der Eindruck jener "Natürlichkeit" des Verhaltens, die ihr zugeschrieben wurde. Insbesondere die führenden Literaten der Zeit betörte sie durch unmittelbares gefühlvolles Reagieren auf deren Neuerscheinungen.
Gleich nach dem Erscheinen des "Messias" malte sie 1769 "Der besessene Samma beklagt seinen Sohn Benomi" und schrieb an Klopstock im schönsten Stil der bescheidenen Empfindsamkeit: "Wie ist es möglich daß ich ein so schätzbares geschencke wie Ihr Messias Empfangen kan ohne ihnen meinen schuldigsten Danck darfor abzustatten? aber mir fehlen worte die freude auszudrücken, die sie mir darmit verursachen. Das unendlich schöne, das Edle das erhabene so ich in ihrem Messias finde, bewegt meine ganze Seele." So löste sie ihr Programm einer Verschwisterung von Literatur und bildender Kunst kommunikativ ein, das sie in ihren Selbstporträts "inspiriert von der Muse der Poesie" gleichsam als Markenzeichen inszenierte.
Das Lob ihrer Natürlichkeit variiert freilich einen gönnerhaften Topos der Charakterisierung malender Frauen, der sich seit Vasaris Künstlerbiographien bis zu Winckelmann, Klopstock, Herder und Goethe tradiert hat. Unmittelbarer als männlichen Künstlern schrieb man ihren Bildern Beseelung zu und erkannte gleichzeitig in ihrer Person den Inbegriff der schönen, guten, zarten oder gar engelsgleichen Seele. Schon während Goethes italienischer Reise hatte sich diese Stilisierung weithin eingebürgert. So schreibt die Hofdame Anna Amalias 1788 Einverständnis heischend an Goethe in Rom: "Diese Frau ist eine so schöne Seele, wies wenige gibt und durch die Liebe zu ihr, wird man glaube ich selbst besser."
Goethe selbst hat sie dann in der "Italienischen Reise" ob des Interesses für seine Iphigenie, deren "Achsenszene" ("Seid ihr auch schon herabgekommen?") sie 1787 zeichnete, als Ikone der Empfindsamkeit und Empfänglichkeit verewigt: "Die zarte Seele Angelica, nahm das Stück mit unglaublicher Innigkeit auf, sie versprach mir eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Andenken besitzen sollte." Was Goethe von ihrer Kunstfertigkeit hielt, bleibt jedoch merkwürdig vage, gelegentlich scheint ihn ihre Anpassung an den Publikumsgeschmack zu stören. Im Verlauf der Entwicklung seiner klassizistischen Kunstauffassung lehnte er die Poetisierung malerischer Gegenstände nach der Art Füsslis und Kauffmanns ab. Illustrationen für die Leipziger Ausgabe wollte er aber zu deren "Hebung" unbedingt haben.
Mit Respekt und ein wenig Eitelkeit schreibt er 1787 an Göschen: "Von Mad. Angelica will ich schon vor erst eine Zeichnung zum fünften Bande zu erhalten. Sie hat so viele Bestellungen, daß kein Federzug von ihr mit Gold zu erhalten ist, was sie nicht aus Gefälligkeit tut." Angelika Kauffmann hat sich gegen die Etikettierung als gute Seele nie gewehrt, sie vielmehr nach Kräften bestätigt, auch praktisch in ihrer Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit, mit der sie Verwandte und Freunde unterstützte; vereinnahmen aber ließ sie sich nicht.
In dem berühmten Goethe-Porträt von 1787/88 hat man eine Schwäche ihrer Kunst im Vergleich zu Tischbein sehen wollen, indem Goethes Züge sich darin ihren eigenen annähern sollen. Der hübsche, weiblich wirkende Mann wäre so unversehens zum Abbild einer Seelenverwandtschaft gediehen. Was immer es damit auf sich hat, so zeigen ihre Briefe 1788 nach Goethes Abschied aus Rom, dass die Bekundungen der Freundschaft und Verbundenheit darin differenzierter und individueller ausfallen, und dass die sonst so gefasst und heiter wirkende Person hier überdeutlich häufig von einem Verlust spricht: "der tag ihrer abreis war einer der traurigen tagen meines lebens . . . Die sontage auf die ich mich sonsten so sehr gefreut, haben sich in traurige tage verendert." "das ich mit meinen gedancken (ich darf nicht sagen wie oft) in Weimar bin das weis ich - das meine tage ohne freude und genuss vorübergehen, das weis ich auch."
Und um die zurückgelassene Pinie, die Goethe in Rom gehegt hatte, sorgt sie sich wie um ein Kind. Dass er nicht wieder kommen wird, scheint sie schon früh zu wissen: "aber sie kommen nicht, das ist mein ewiger schmerz und meine klage." Gleichwohl hat sie Goethe gegenüber ihr Selbstbewusstsein bewahrt. Als Ikone eines selbstgegründeten Lebens im achtzehnten Jahrhundert und Spiegelung des Goetheschen Lebensentwurfs hätte sie vielleicht besser getaugt als Phillip Hackert in Goethes Darstellung. Sie aber verweigerte Goethe im Gegensatz zu Hackert die Überlassung der autobiographischen Materialien, wie sie überhaupt Waltraud Maierhofer zufolge Bitten und Wünsche öfter "ganz unweiblich" ablehnte.
Die Goethe geschenkte Zeichnung von 1788, die dann zur Titelvignette des achten Bandes der Göschen-Ausgabe gestochen wurde, "Muse Melpomene, Muse Thalia und Amor huldigen Johann Wolfgang von Goethe" inszeniert das Verhältnis auf eine merkwürdige Weise. Auf einem Postament sieht man die nach Alexander von Trippel gestaltete Goethe-Büste. Angelehnt daran blickt die Muse der Tragödie tiefsinnig auf das Denkmal des Dichters, am Fuße sitzt die Muse der Komödie und spielt neckisch mit dem Amorknaben. Dieser aber hat seine Pfeile achtlos fallen lassen, und von seinem Bogen ist nichts zu sehen.
Diese Darstellung einer sublimierten und malerisch poetisierten Liebe wurde in Weimar durchaus verstanden. Dezent, aber deutlich schreibt Karoline Herder 1788 an ihren Mann in Rom: "Es hat mich recht überrascht. Die hohe Muse, wie sie ihn mit innigem Wohlgefallen ansieht und in Betrachtung ist, und der Schmerz auf der Bildsäule sind unaussprechlich rührend."
Die klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung von Waltraud Maierhofer gibt dem wieder erwachten Interesse an der Malerin auf gefällige Weise Nahrung. Das Vorwort ist kenntnisreich und fügt dem Bild Angelika Kauffmanns einige neue Facetten hinzu. Mit Abbildungen geizt der Band allerdings, hier wird es einen nach dem Katalog von Bettina Baumgärtel verlangen (Verlag Gerd Hatje). Ein wenig langatmig beschäftigt sich Waltraud Maierhofer dagegen mit Weiblichkeitskonzepten, um am Ende bei dem Ergebnis zu landen, dass die Malerin sich kaum für feministische oder andere Vereinnahmungen eignet. In der Tat zeigt das hübsche, vielleicht etwas zu niedlich geratene Bändchen eine Künstlerin und Person, die das Autonomie-Ideal des achtzehnten Jahrhunderts auf bewunderungswürdige Weise zu verwirklichen verstand.
Angelika Kauffmann: "Briefe einer Malerin". Ausgewählt, kommentiert und mit einer Einleitung von Waltraud Maierhofer. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1999. 288 S., br., 28,80 DM
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Friedmar Apel begüßt diese "klug ausgewählte und reichhaltig kommentierte Briefsammlung" in einer ausführlichen Kritik, die er dazu nutzt, die Geschichte dieser erfolgreichsten Malerin des 18. Jahrhunderts nachzuzeichnen - ganz besonders weist er darauf hin, wie genau sie mit bestimmten Themen des 18. Jahrhunderts spielte und wie groß dabei ihr kommerzielles Gespür war. Auch auf das Verhältnis der Malerin zu Goethe, das hier in einigen Briefen dokumentiert ist, geht Apel ein. Apel lobt das "kenntnisreiche Vorwort" von Waltraud Maierhofer, kritisiert aber, dass der Band allzu sparsam mit Abbildungen ausgestattet sei.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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