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Mit diesem Band wird die Serie der Céline-Publikationen im Merlin Verlag fortgesetzt. Es handelt sich um Briefe, die Céline (damals noch mit seinem bürgerlichen Namen Destouches bzw. Des Touches unterzeichnend) während des ersten Weltkrieges aus Afrika an Freunde und Familienangehörige adressierte, nachdem er eine Stellung als Repräsentant einer Handelsfirma im damals bereits französisch besetzten Kamerun angenommen hatte. Sie liefern ein farbiges und sehr persönliches Bild von den Bedingungen, unter denen ein Europäer dort zu arbeiten hatte, gleichzeitig öffnen sie bereits den Blick auf die…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesem Band wird die Serie der Céline-Publikationen im Merlin Verlag fortgesetzt. Es handelt sich um Briefe, die Céline (damals noch mit seinem bürgerlichen Namen Destouches bzw. Des Touches unterzeichnend) während des ersten Weltkrieges aus Afrika an Freunde und Familienangehörige adressierte, nachdem er eine Stellung als Repräsentant einer Handelsfirma im damals bereits französisch besetzten Kamerun angenommen hatte. Sie liefern ein farbiges und sehr persönliches Bild von den Bedingungen, unter denen ein Europäer dort zu arbeiten hatte, gleichzeitig öffnen sie bereits den Blick auf die Persönlichkeit und Sichtweise des späteren Schriftstellers von Rang.
Autorenporträt
Louis-Ferdinand Celine, geboren 1894 in Courbevoie, gestorben 1961 in Meudon.
Nach seiner Entlassung aus der Armee war er 1916/1917 als Verwalter auf einer Plantage in Schwarzafrika tätitg. Wieder zurück in Frankreich studierte er Medizin und arbeitete als Arzt für den Völkerbund. 1927 verließ er den Völkerbund und ließ sich als Armenarzt in Clichy bei Paris nieder. 1932 erschien sein berühmter erster Roman "Reise ans Ende der Nacht". Ab 1937 entzweite sich das intellektuelle Paris mit ihm, weil er neben seinen Romanen antisemitische Pamphlete verfasste.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.1999

Mein Herz ist tief empört
Céline schreibt aus Afrika Von Joseph Hanimann

Nach den Verwünschungen der strapazierenden Schiffsreise und der höllischen Hitze bei der Ankunft verschwindet Afrika bald aus dem Blickfeld. Ein paar Bemerkungen über die menschenfressenden Eingeborenen, ein halbes Dutzend exotische Szenen und die wechselnden Adreßangaben des Handelsreisenden, das ist praktisch alles. Die afrikanische Welt, die später im Roman "Reise ans Ende der Nacht" wiederauftauchen sollte, wird vom jungen Kolonialisten nicht mit offenen Augen erkundet, sondern klischeehaft fixiert. Der zweiundzwanzigjährige Céline, der damals noch Louis Destouches hieß, hatte im Frühjahr 1916 einen Vertrag mit der Compagnie Forestière Sangha Oubangui abgeschlossen, für die er auf zwei Jahre in Kamerun tätig sein sollte. Wegen einer Kriesgsverletzung aus dem Wehrdienst entlassen, sucht der in seiner Bestimmung noch schwankende junge Mann seine Ungehaltenheit über die Behäbigkeit Europas in der Fremde zu kühlen. Die Briefe sind an die Eltern, einen Lazarettkameraden und vor allem an die Jugendfreundin Simone Saintu gerichtet.

Zwischen den Rasierklingenbestellungen, den Nachrichten über zurückgelegte Geldsummen, den Reaktionen auf die Zeitungslektüre über Europa und seinen Krieg klingen da schon typisch Célinesche Themen an - und verhallen im Nichts. Das ist das eigentlich Spannende an diesen Dokumenten. Der Kulturrelativismus des exzentrischen Franzosen, der keine Spur Chauvinist, doch schon ein bißchen Antisemit war und nicht an den kriegerischen Expansionswillen des Deutschen Reichs glaubte, versäumte keine Gelegenheit, das egozentrische französische Kulturverständnis schlechtzumachen. Davon hätte auch etwas Positives auf Afrika abspringen und den gängigen kolonialistischen Diskurs ankratzen können. Doch nichts davon. Der Briefeschreiber bleibt im Gespinst von den dummen, gutmütigen, aber übelriechenden Wilden und erklärt seiner Jugendfreundin, warum er partout keine schwarze Frau anrühren mag.

Céline ist nicht auf neue Erfahrungen aus, er verdaut bloß die der vergangenen Jahre, vorab jene des Kriegs. Die Briefe aus Afrika geben Einblick in die Entstehung seines instinktiven, keineswegs politisch motivierten Pazifismus. Immerhin hatte er sich 1912 vorzeitig für drei Jahre zum Wehrdienst gemeldet. Die Soldatenrealität hatte ihm aber nicht nur physisch, sondern auch moralisch zugesetzt - hinter dem sarkastisch murrenden Céline stand stets ein hochsensibles Naturell. Für heroische Leistungen im Feld hat er nur Spott übrig: Krieg ist für ihn eine schicksalshafte Katastrophe im Dauerkonflikt zwischen aufsteigenden und dekadenten Mächten. So gibt der Plantagenaufseher zwischen Duala und Spanisch Guinea sich gern seinen Betrachtungen hin über den Lauf der großen Dinge in der Welt. Betrachten, nicht urteilen, lautet seine Maxime: Denn Urteile führen nur zu unnötig sentimentaler Gestelztheit. Und in seine Betrachtungen streut er gern Zitate aus dem Gedächtnis von Pascal, Musset oder gegebenenfalls auch Goethe. "Mein keuschend Herz ist tief empört", lautet ein wunderbar fehlerhaft erinnerter Goethe-Vers, mit dem der Briefautor bei der Empfängerin für seine unpatriotisch zotenhaften Bemerkungen über den Krieg Abbitte tut und dem er ein rotziges "Wau! Wau!" hinterherbellt.

Die vereinzelt zwischen die Korrespondenz eingefügten Gedicht- und Prosaentwürfe sind hingegen vernachlässigbar gegenüber dem in den Briefen erkennbaren Sinn für signifikante Situationen, der später die Romane auszeichnet. Die jämmerlich ausgebleichte kleine Trikolore an der Bambusstange des Postens von Batanga ist die Gegenwahrheit zum offiziellen Kolonialherrenstolz. Ebenso der auf neue Befehle harrende französische Artillerist, einziger Überbliebener einer bei der Verfolgung der Deutschen versprengten und im Busch vergessenen Artillerieeinheit: Dem Maultier des ab und zu vorbeikommenden Missionars dünnt der Soldat den Schwanz aus, um mit den Haaren Tauben - er nennt sie Heilige Geister - zu fangen und zu kochen. Die sarkastische Präzision solcher Situationsschilderung dokumentiert die radikale Begeisterungsunfähigkeit schon des jungen, literarisch noch nicht erwachten Céline. In ihr nahm das egomanisch fuchtelnde Leiden des Autors an der Welt ihren Anfang.

Nebst allerlei weiteren Gelegenheitsthemen wie der Liebe, der Homosexualität, dem "Denker" Rodins, der Kunst und dem Fahrradfahren schrieb Céline aus Afrika besonders gern von den Briefmarken, die er auf die Umschläge klebte. Die in Frankreich vor zwanzig Jahren als Band eins der "Cahiers Céline" erschienenen Zeugnisse verleihen in der zuverlässigen Übersetzung von Katharina Hock nun auch dem deutschen Céline-Bild eine nuanciertere Grundtönung.

Louis-Ferdinand Céline: "Briefe und erste Schriften aus Afrika 1916-1917". Zusammengestellt und herausgegeben von Jean-Pierre Dauphin. Aus dem Französischen von Katharina Hock. Merlin Verlag, Gifkendorf, 1998. 198 Seiten, kart., 32,- DM.

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