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Glenn Gould, der Jahrhundert-Exzentriker unter den Musikern, der öffentlichkeitsscheue Starpianist, der Platten- und Filmheroe wird hier in einer neuen Facette seines Wesens sichtbar: als der mitteilungsfreudige Briefeschreiber, der scharfsinnigen Austausch pflegte mit Leonard Bernstein, Yehudi und Diana Menuhin, John Cage u.v.a.

Produktbeschreibung
Glenn Gould, der Jahrhundert-Exzentriker unter den Musikern, der öffentlichkeitsscheue Starpianist, der Platten- und Filmheroe wird hier in einer neuen Facette seines Wesens sichtbar: als der mitteilungsfreudige Briefeschreiber, der scharfsinnigen Austausch pflegte mit Leonard Bernstein, Yehudi und Diana Menuhin, John Cage u.v.a.
Autorenporträt
Glenn Gould, geb. 25. September 1932 in Toronto, gest. am 4. Oktober 1982 dort, war nicht nur Pianist, sondern auch Rundfunk- und Fernsehautor, Schauspieler, Schriftsteller. Mit seiner ersten Einspielung der Goldberg-Variationen 1956 wurde Glenn Gould über Nacht weltberühmt. Nach einer internationalen Karriere als Konzertpianist zog er sich 1964 ganz aus dem Konzertleben zurück, um nur noch im Tonstudio Musik zu machen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1997

Erhitzter Mensch im Wintermantel
Widersprüche eines Provokateurs: Glenn Gould in seinen Briefen / Von Hans Wollschläger

Wenn einer zur "Kultfigur" ausgerufen wird, gar einer, der ernsthafte Achtung genießt, und es dann oft, mit Hilfe der Marktschreier, die ihn als Priesterschaft umringen, auch wird, wenn er's noch gar nicht war, gibt es viel Durcheinander: die Maßstäbe entgrenzen sich, und es beginnt eine Unkenntlichkeit, die nicht zuletzt die Frage aufwirft, ob sie am Ende verdient war. Nicht nur daß seine wahre Statur im Gewoge der standing ovations unsichtbar werden kann, ist die Gefahr; es droht, ärger, auch das bewiesene Gesetz, daß es aus dem Bad in der Menge keine Wiederkehr gibt. Die Masse erdrückt, auch mit ihrer Zuneigung; wälzt sie sich ihrer nächsten Begeisterung zu, so läßt sich mit dem hinterbliebenen Rest nichts mehr anfangen; nichts ist so tot wie der Kultus von gestern. Unter vielem anderen mag das damit zu tun haben, daß die vom Massenapplaus entmachtete Kritik ihre Kränkung selten vergessen kann: hat der irrationale Gunstregen ihr die fegefeurige Aufgabe der Rangbestimmung einmal gelöscht, so für immer. Ein Schicksal, niemandem zu wünschen, dem einen definierten Rang zu gewinnen bestimmt ist. Die "Kultfigur" ist das Anonym schlechthin; daß etwa Karajan es, trotz all seiner Sucht danach, nicht wurde, beweist und rettet vielleicht seine erhebliche Substanz für die Nachzeit. Glenn Gould sollte es nicht werden.

Der kanadische Pianist, schon mit zwanzig in ganz Kanada bekannt, mit dreiundzwanzig in den Vereinigten Staaten, mit fünfundzwanzig auf dem europäischen Kontinent bis in die Sowjetunion hinein, sei es "bereits zu Lebzeiten" gewesen, schreit sein Verlag auf den Markt, eine "Legende" dazu, jetzt sogar "Universalgenie", weil er auch Aufsätze verfaßt hat und Briefe geschrieben. Tatsächlich war seine Karriere ein imponierendes Schauspiel, und wer sie mitbekam, mit all ihren grellen Überraschungen, blieb nicht nur hinter ihren Tempi im Staunen zurück und hatte das Ornamentalwort "genial" leicht für ihn zur Hand. Tatsächlich auch gerieten seine Interpretationsdokumente sehr schnell in die Gefahr, als Background für Intellektuellenpartys und Studentenbudenzauber geeignet gefunden zu werden, und seine Selbstdarstellungen im Fernsehen als hochkluges, entwaffnend unbefangen aus der Schule der Hohen Kunst plauderndes enfant terrible hatten sichere, massenzentrierende Kraft.

Aber - und dieses Aber beweist den überlegenen Rang der amerikanischen Musikkritik - die Kritik hat diese Karriere immer mit Besonnenheit zu geleiten versucht und ihre Bewunderung nie im Überschwang zerlaufen lassen - in erstaunlicher Platzhalterschaft der europäischen Tradition, die von der europäischen Kritik weit weniger entschieden vertreten wurde. Ohne Scheu, mit den Sachwaltern eines sturen Purismus verwechselt zu werden, bewegte sie sich in der Lizenz des schillernden Satzes von Karl Kraus, das Genie könne irren, der Philister irrtümlich recht haben; mit nüchterner Genauigkeit, bei allem Respekt für sein immenses Können, verwies sie ihm den Übermut seines mutwilligen Eigenbrötelns: um ihn - für die Kunst - vor dem Absturz in die Untiefe der Volksgunst zu schützen?

Er war für diese Gunst und ihre Prämien durchaus anfällig, suchte sie, gerade auch in jener spektakulärsten Geste seiner Laufbahn, die von der Fan-Gemeinde als Rückzug in die Innerlichkeit verehrt und als Bestrafung der eigenen Banalität demütig hingenommen wurde: Mit zweiunddreißig beendete er alle seine Podiumsauftritte und produzierte sich nur noch im Studio für die Ton- und Bildträgermedien. Die Gründe waren rational genug und geben bleibend zu denken: nicht nur die Sorge vor der Unkorrigierbarkeit einer Verfehlung im Hier und Jetzt des Konzertsaalmoments, nicht nur die Skepsis gegenüber dem Entwicklungshemmenden der Wiederholungsroutine - auch seine Einsichten in das ganz neue, privat-monadisch erlebende, wie nie individuale Hören, das von der elektronischen Tonvermittlung ermöglicht worden war. Aber dahinter stand zugleich auch die aberwitzige Vorstellung, so "die ganze Welt" zum Konzertsaal machen zu können, das Umschlingen der Millionen. Unsicherheit und Maßlosigkeit im Anspruch, an sich wie an sie, bildeten in seinem Leben immer einen Akkord, aus dem heraus sich Perfektionismus und improvisiertes Experiment linear kontrapunktisch entwickelten; er brachte, dieser Akkord, Interpretation hervor, in denen das Einmalige neben dem Absurden bleibend um den Einklang rang. Hat er ihn, bleibt die Frage, schließlich erreicht? Mit fünfzig starb er am Hirnschlag, entschieden nicht zu spät, wie er's so böse von Mozart sagte, sondern traurig früh, nach einem verzehrenden Lebenslauf vorschnell am Ende - allerdings auch am Ende einer reichen Produktion, die, fast mehr noch als er darin die Werke, auch ihn in den Werken bezeugt und die Neugier nach ihm fortdauernd nährt.

Wie war er - als "Mensch mit seinem Widerspruch", als reproduzierender Interpret seiner selbst? Natürlich ist nicht das Anekdotische gemeint, das geduckte Hocken vor der Klaviatur, die Fingerhandschuhe, Gesumm und Gebrumm beim Spiel, der Wintermantel im Sommer; daß er, der hocherhitzte Mensch, immerzu fror, kommt allenfalls als Gleichnis in Betracht. Gemeint sind die Bizarrerien seiner Werkdarstellung, der kindlich packende, oft das Zerbrechen riskierende Zugriff auf die Spiel-Sache. Sie sind bekannt, weil immer kritisiert worden, nicht nur als Wunderlichkeiten, Paradoxien, Exzentrizitäten, sondern als Verstöße gegen jene "Werktreue", der gegenüber er "stets eine locker improvisierende Haltung" für sich in Anspruch nahm.

Aber man darf, gerade wo man seinem Werk treu bleiben will, den Fingerzeig auf seinen Widerspruch nicht unterlassen, muß ihn wiederholen, solange man sich seine Interpretationen wiederholen läßt. Sie bildeten ein Widersprechen selbst, und wer seine Biographie schriebe, könnte vielleicht zu erkennen hoffen, wem und was sie widersprachen und warum. Seine aggressiven Tempi bei Mozarts A-Dur-Sonate, sein burschikoser Umgang mit Chopins h-Moll, ohne das er "ganz gut leben" zu können bekannte, sein Eigen-Sinn im 1. Brahms-Konzert, gegen den sich Bernstein eigens mit einer Ansprache ad spectatores verwahrte, seine Zurichtung der letzten Beethoven-Sonaten, ungezähltes Detail bei Bach - alles war provokant, und man muß sich weiterhin davon aufreizen lassen. Wenn er speziell zum späten Beethoven lehrer- und gönnerhaft nachreicht, daß seine Eigenwilligkeiten dabei "nicht irgendwelchen Launen entsprungen sind, sondern auf einem recht sorgfältigen Studium der Noten beruhten", so muß ihm das "Papperlapap" als Antwort desto sicherer bleiben, je näher man selber den Noten ist, und manchmal gar ist mir etwa die Sonate op. 111 in seiner Wiedergabe regelrecht widerwärtig geworden, ein bloßes Karussell leer fliegender Technik. Sollte dies am Ende seine Absicht gewesen sein?

Wenn man seine Urteile einbezieht, könnte man es fast meinen. Er hat mit ihnen nicht gespart, und sie zeigen, wie ernst man seine Provokationen zu nehmen, wie strategisch sie zu verstehen hat. Mozart nannte er "mittelmäßig"; die g-Moll-Sinfonie bestand für ihn "aus acht bemerkenswerten Takten . . . und drumherum einer halben Stunde voll Banalität". Beethovens Hammerklavier-Sonate zählt er "nicht zu meinen Lieblingsstücken"; die Vierte konnte er "nicht ertragen"; in der Appassionata hörte er "egoistische Aufgeblasenheit". Die gesamte Klaviermusik der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts fand er "widerlich . . . mechanistisch . . . außerdem unangenehm sentimental und voller Salonmätzchen".

Kontrapunkte: Für seinen Lieblingskomponisten erklärte er Orlando Gibbons; Strauss war ihm "die größte musikalische Gestalt, die in diesem Jahrhundert gelebt hat", und Schönberg "einer der größten Komponisten, die je gelebt haben" - nur wenige Beispiele, leicht fortsetzbar. Nun haben alle diese Verstörungen einen diskutablen Kern, und sie wiederholen bezeichnend den Zug seiner Interpretationen: daß man im Moment ihres Erklingens fast immer überzeugt wird, jedenfalls überwältigt und sich erst davon erholen muß, um das besonnene Urteil wieder zu gewinnen. Es behält dann freilich das letzte Wort, und dem wiederholten Hören redet es rückstörend drein. Was aber eigentlich gegen seine Redensarten redet und sie enttäuschend ins Beiseite tut, ist dies: daß man vergebens nach erklärender, gar beweisender Argumentation in ihnen sucht. Sie dekretieren, teilen Erlasse aus. Ein "Reader" hat seine zahlreichen Aufsätze, Features, Selbst-Interviews zusammengetragen, deutsch als "Schriften" in zwei Bänden erschienen, viele hundert Seiten; sie belegen alles mögliche, nur nicht, was man in ihnen als bloßen Hilfsmitteln sucht: die Eigen-Art seiner provozierenden Musik. Nur ein kleiner Teil ist wirklich analytisch, der ganze Rest eher Feuilleton, Plattencover-Ästhetik, oft heillos verschmockt, zuletzt hochversiertes Geschwätz.

Und selbst die Analysen münden merkwürdig ratlos ins Leere: Daß Musik "auch" eine Sprache ist, die als Gehalt nicht nur Syntax und Grammatik, sondern Botschaften mitteilt, gedachte und gefühlte, fehlt ihnen durchweg: ist es dies, was auch seinen verfehlenden Interpretationen fehlt? Er nähert sich dem Text Musik selten anders als ein Linguist der Dichtung: Provokation einmal mehr - oder doch sein Defizit? Keines seiner Ausdrucksfähigkeit sicher; mit derselben Leichtigkeit, mit der ihm die Noten von der Hand gingen, liefen ihm auch die Wörter vom Mund, die sie erläutern sollten.

Nur, seltsam genug: Der Strukturhörer Gould, in seinem Musikbegreifen mit Leibniz einig wie mit Adorno, den er las, und wie keiner seiner Kollegen befähigt, in dessen riskanter Hörer-Typologie die Bedingungen des obersten Verständnisses zu erfüllen, der Strukturspieler Gould ließ seine Texte über Musik frappierend ins Formlose laufen, und hört-sieht man ihnen verdoppelt aufmerksam zu, so erweist sich, daß sein Interpretieren mit Wörtern eigentlich der genaue Gegensatz zu dem mit Tönen ist: gehörte denn das zu den Erklärungen seines Selbst? Er floh aus der Strenge ins ad libitum, in ein Rubato des Denkens, in dem er fast befreit wirkt, aufatmend, wie bei einem Nachhausekommen, und daß die Kritik ihm das "Spiele, Künstler, rede nicht" so ganz vergebens zurief, macht das Enigmatische seines Wesens nur immer größer: War "die Struktur" gar nicht sein wahres Lebensfeld, galten seine Exzentrizitäten gar der Destruktion eines Zwanges, wäre das der Mut-Wille hinter ihnen?

Nun sind schließlich noch seine "Briefe" dazugekommen, ein paar hundert Seiten abermals, eine kleine Auswahl; er schrieb oder diktierte so viel, wie er telefonierte (dies letztere, in genialer Ungezogenheit, meist nachts), und das meiste scheint Wortschwall gewesen zu sein, bloße Stimm-Etüde - mit allem dahinter, was sie bedeutet. So großen Aufwand betreiben Selbstdarsteller immer, weil sie ihr wirkliches Selbst unablässig korrigieren müssen: - wenn das wahr ist, spannt es die Neugier darauf nur weiter an. Freilich, "jene Geheimnisse oder Geständnisse, die den Voyeur befriedigen", werde man nicht finden, beugt der Herausgeber vor - dem die Dürftigkeit des Edierten bewußt genug gewesen zu sein scheint.

Aber man muß nicht Voyeur sein, um bei einem so extremen Leben nach dem Menschlichkeitsgeheimnis zu suchen: Wie war er "als Mensch" wirklich, hinter allem bloßen Auftreten? Briefe könnten es ja zeigen; diese Briefe zeigen es nicht. Es ist das einzige, was sie lehren, und das einzige auch, was ihre Publikation begründet: seine Wahrheit ist nicht zu haben. In ihren (wenigen) arbeitserläuternden Partien geben sie nur ein schwaches Echo der Aufsätze; in den menschlichen Selbstmitteilungen sind sie von abgezirkelter Leere. Ob er an seinen Vater schreibt ("mit freundlichen Grüßen") oder an einen Fan, nirgends durchbricht ein wirkliches Vertrauen das Netz aus lebhaft distanzierten Redemustern, und das Privateste, das zu erfahren wäre, liegt in Mitteilungen wie der, daß ihm "jedes Essen fast völlig gleichgültig" war und die Möglichkeit der Tablettenernährung erwünscht.

Hatte er keine Freunde? Erbwalter lassen sich gern postum mit ihrem Objekt sehen, und wie der Herausgeber der "Schriften" sein Vorwort mit "Glenn Gould und ich . . ." anhebt, so pocht auch der Herausgeber der "Briefe" auf seine Intimität mit deren Verfasser: Er hatte, Glenn Gould, wirkliche Freunde wohl nicht; Geschäftspartner sind die Adressaten, Mitarbeiter, Fans, außerstande alle, einen wirklich privaten Ton hervorzurufen. Keiner der Sätze nach außen ist von einer tieferen Empfindung bewegt: Eleganz, Launigkeit, Sacheifer stehen auch in dieser Selbstdarstellung voran und bilden zusammen einen Szenen-Prospekt, hinter dem seine Ich-Stimme in einem hallenden Off verschwindet. Man wird seiner Humanität nicht habhaft; greifbar bleibt der inszenierte Terminkalender eines prestissimo tätigen Ego-Lebens, das vorbei ist. Was war er "wirklich"? Er begeisterte sich für Karajans Selbstdarstellung mit der Pastorale: "Ich bin fürwahr ein Schauspieler" - sollten wir das für wahr nehmen? Die Rollen wechselten auf seinem Spielplan und kehrten im Wechsel wieder, vom geistigen Eremiten bis zum Feature-Journalisten; keine war wirklich die seine. "Diabolisch" taufte man seinen Humor; aber teuflisch wäre zuallerletzt zu nennen, was in seiner ausschweifenden Selbstverliebtheit nur das narzißtische Kind hervorblicken läßt. Es ist ein Fragment, wie alle in den Briefen zur Sprache kommenden Selbst-Stilisierungen, ein Puzzlestück das Bildes, das nicht zu haben ist und mit dem er selber nur spielte. Die Struktur dieses Spiels? Narzißmus natürlich, insgesamt; darunter dessen Defizite und Ängste; davor aber auch die stupende Ego-Festigkeit, die ihm - schlimme Wahrheit - als "letzten Endes der einzige wichtige Bestandteil im Rüstzeug eines Künstlers" bewußt war. Ein sehr "moderner" Mensch . . . und als Künstler nur zum Teil von dieser Welt.

Was bleibt - auf ihr von ihm? Es bleibt sehr viel. Nicht nur die "seltenen Gaben für die Welt", die ihm schon in seiner amerikanischen Debüt-Kritik bescheinigt standen, sondern auch die Provokationen seines Widerspruchs, den er mit ihnen, mit ungeheurer Technik und atemberaubender Anschlagssubtilität formulierte. Sie gilt es bewußt zu halten - und immer wieder zu beantworten. In diesem Jahr wäre er ins bürgerliche Ruhestandsalter getreten; man könnte, so wenig Bürgerliches an ihm zu finden ist, tiefsinnig spekulieren, wohin er, "in Ruhe", schließlich gelangt wäre, als Denker von Musik, als ihr Interpret. Vielleicht zu seinem "Opus 2", dem Komponieren? Vielleicht in die Melancholie, das Narzißtenschicksal, vielleicht ins Verstummen? Es wirkt unheimlich angelegt in ihm, gerade in den beredtesten Augenblicken seines Redens mit Wörtern und Tönen - er selber war immer schon in ihnen stumm. "Mit dreißig", schrieb er mit dreißig, gedenke er sich "in geziemend herbstliche Senilität zurückzuziehen", und den Abschied vom Klavier erwog sein Mutwille gelegentlich wie den vom Konzertbetrieb: ridendo dictum

verum. Seine Plattenkarriere begann einmal mit den Goldberg-Variationen; mit einer Neuaufnahme endete sie. Dazwischen liegt, stumm inmitten der äußeren Oszillationen, viel inneres Leben und Sich-Entwickeln, Denken - wer es sich beschreiben könnte, die haarfeinen Differenz-Risse in der Identität von Debüt und Swansong erhorchend, wüßte mehr von ihm, als alle seine Schreibarbeiten vermitteln.

Glenn Gould: "Briefe". Herausgegeben von John P. L. Roberts und Ghyslaine Guertin. Aus dem Englischen übersetzt von Harald Stadler. Piper Verlag, München 1997. 368 S., zahlr. Abb., geb., 48,- DM.

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