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Die Historikerin Martha Schad veröffentlicht hier den vollständigen Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Ludwig II. und kommentiert ihn. Die Korrespondenz zeigt ein neues Bild des bayerischen Königs Ludwig II. und schildert vor allem bislang Unbekanntes aus dem Leben Wagners und Cosimas: von den Jahren "heimlicher" Ehe Wagners mit Cosima, der Uraufführung der Werke "Tristan" und "Meistersinger" sowie das Ringen des Komponisten um ein eigenes Opernhaus und um politischen Einfluß in der Königsresidenz München.

Produktbeschreibung
Die Historikerin Martha Schad veröffentlicht hier den vollständigen Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Ludwig II. und kommentiert ihn. Die Korrespondenz zeigt ein neues Bild des bayerischen Königs Ludwig II. und schildert vor allem bislang Unbekanntes aus dem Leben Wagners und Cosimas: von den Jahren "heimlicher" Ehe Wagners mit Cosima, der Uraufführung der Werke "Tristan" und "Meistersinger" sowie das Ringen des Komponisten um ein eigenes Opernhaus und um politischen Einfluß in der Königsresidenz München.
Autorenporträt
Dr. phil. Martha Schad, geboren 1939 in München, studierte an der Universität Augsburg Geschichte und Kunstgeschichte und promovierte mit "Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie". Sie ist als freiberufliche Historikerin und Autorin tätig und schreibt über historische Frauengestalten (Bayerns Königinnen; Frauen, die die Welt bewegten; Kaiserin Elisabeth und ihre Töchter) und gab den Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Ludwig II. von Bayern heraus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.1996

Am Urquell der Nornen
Die Dehors wurden gewahrt: Der Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Ludwig II. · Von Dieter Borchmeyer

Wer unvorbereitet den Band mit der "erstaunlichen Korrespondenz" zwischen Cosima Wagner und Ludwig II. von Bayern in die Hand nimmt, wird in der Tat staunen. Der in einer seriösen Briefedition undenkbare Untertitel erweckt den Verdacht, daß die bisher nur in Auszügen bekannte Korrespondenz des bayerischen Königs mit Cosima Wagner im Programm dieses Verlags fehl am Ort ist. Die mißtrauische Miene des Lesers wird sich freilich bald aufhellen, wenn er den Briefwechsel selber sowie das Vorwort und den Apparat der Herausgeberin liest. Zu seiner Beruhigung kann er feststellen, daß es sich da um eine durchaus gediegene wissenschaftliche Edition handelt. In der Tat hatte die Herausgeberin die Korrespondenz einem prominenten Münchner Wissenschaftsverlag angeboten. Doch da der Wittelsbacher Ausgleichsfonds etwas gegen die Edition hatte und der Verlag es sich nicht leisten konnte, der Gnade des Hauses Wittelsbach verlustig zu gehen und plötzlich vor verschlossenen Archivtüren zu stehen, sah er sich zu einer Absage genötigt.

Daß der Herausgeberin so kein eingespieltes Lektorat zur Seite stand, merkt man an den Niveauschwankungen der Anmerkungen zu den einzelnen Briefen. Was und wie kommentiert wird, ist recht beliebig. Bewegt die studierte Historikerin sich auf geschichtlichem oder biographischem Gelände, sind ihre Fußnoten zuverlässig und informativ. Wenn es freilich um literarische Nachweise geht, bleibt die Kommentierung entweder aus oder recht dünn. Erläuterungen wie "Zitat aus Johann Wolfgang von Goethe, ,Faust', 2. Teil" sind ohne genaue Stellenangabe wertlos. Und was Wagners Musikdramen betrifft, bieten die Fußnoten zwar manche im Grunde entbehrliche Elementarinformation, aber subtile Anspielungen in den Briefen werden wiederholt übergangen. Freilich sind die Briefe zumal des Königs eine einzige Kette von heute kaum mehr ausfindig zu machenden Zitaten, wie er auch sich selbst - als Parsifal, Walther von Stolzing, Siegfried und so fort - in einem Maße zum Zitat macht, daß er als reale Person hinter einem Schleiergewebe von Fiktionen verschwindet.

Die Kritik an Details der Kommentierung soll das hohe Verdienst der aufwendigen Editionsleistung von Martha Schad nicht schmälern, ohne die dieses aufregende Dokument deutscher Kulturgeschichte des späten neunzehnten Jahrhunderts so bald nicht veröffentlicht worden wäre. Glücklicherweise hatte sie den Segen des Hauses Wagner, das die Genehmigung für den Abdruck der urheberrechtlich noch geschützten Briefe Cosimas erteilte, und des Bayreuther Richard-Wagner-Archivs. So liegen der Edition die 127 Originalbriefe Cosimas zugrunde, die diese im Austausch gegen die 101 Briefe des Königs 1923 vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds zurückerhielt. Die urheberrechtlich freien Briefe Ludwigs mußte die Herausgeberin, da ihr die Wittelsbacher Gnadensonne nicht scheinen wollte, nach den in Bayreuth aufbewahrten Abschriften wiedergeben. Eine Paradoxie ist es, daß nun zwar der Cosima-Ludwig-Briefwechsel komplett vorliegt, der natürlich viel wichtigere "Königsbriefwechsel" Wagners in Otto Strobels seinerzeit vorbildlicher Edition von 1936 jedoch nur noch in Bibliotheken zugänglich ist. Immerhin hat Kurt Wölfel 1993 eine geistvoll annotierte schmale Auswahl aus dem Briefwechsel zwischen Wagner und seinem Mäzen im Hatje-Verlag Stuttgart herausgegeben, die als parallele Lektüre zur Cosima-Korrespondenz dringend zu empfehlen ist.

Die Korrespondenz zwischen Ludwig und Cosima fällt fast ganz in die Jahre 1865 bis 1869 und erreicht in dieser Zeit bisweilen eine fast größere Dichte als der Briefwechsel Wagners mit dem König. Sie ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der - Cosima diktierten - Autobiographie Wagners, die 1864 endet, und ihren Tagebüchern, die 1869 einsetzen. Überdies ersetzen Cosimas Briefe aufgrund der häufigen Zitate aus Wagners Briefen an sie wenigstens ansatzweise den von Eva Chamberlain seinerzeit vernichteten Briefwechsel beider.

"Seien Sie das leitende Gestirn für den Verein der wenigen Auserwählten, deren Liebe das Schicksal mich und meine Werke anvertraut hat", schreibt Wagner am 20.August 1865 an den König. "Ein edles, tiefsinnig erhabenes weibliches Wesen ist diesem Kranz eingeflochten. Wollen Sie wahre, tiefe Aufschlüsse über irgend etwas Unverständliches in meinem Betreff, wenden Sie sich an dieses seltene Wesen, das Ihnen rein wie die Urquelle der Nornen Alles zuspiegeln wird." Das war die Initialzündung für den Briefwechsel des Königs mit Cosima. Wirklich spielte Cosima für beide Seiten eine wichtige diplomatische Mittlerrolle, immer wieder wird ihr etwas anvertraut, was der eine dem anderen nicht direkt zu sagen wagt, und die Aristokratin Cosima hat ihre Diplomatenrolle glänzend gespielt - aber immer so, als spielte sie nicht, als käme ihr alles aus stets glühendem Herzen. Kein Zweifel, daß der König deshalb vielfach besser mit ihr umgehen konnte als mit dem "Ingénu" Wagner. In seinen Briefen an den König hat freilich auch Wagner seine Ausdrucksweise zu einer maskenhaft-exaltierten Stilattitüde hinaufgeschraubt, die ihm oft genug zuwider war, wie Cosimas Tagebücher verraten, aber er bricht doch immer wieder aus dieser Attitüde aus, fällt in seinen Normalton zurück, dem dann die großartigsten Briefe an den König zu verdanken sind. Cosima hingegen bleibt in ihrer Ausdrucksemphase durchweg "eintönig".

Das Ritual der Kultivierung der "Dehors" erreicht seinen Gipfel in jenem Schreiben Cosimas an den König vom 7.Juni 1866, in dem sie ihn kniefällig um eine öffentliche Ehrenerklärung anfleht, nachdem der "Volksbote" ihr Verhältnis zu Wagner anzüglich kommentiert hat. Obwohl ihre jüngste Tochter Isolde bereits von Wagner stammt und sie ein weiteres Kind von ihm erwartet, stellt sie sich als verfolgte Unschuld dar, die Wagner nur, wenngleich glühend, platonisch liebt. Der König glaubt ihr, hat er sich doch das Ideal einer geschlechtslosen trinitarischen Beziehung zwischen Wagner, Cosima und sich selber gebildet. So bittet er die "hochverehrte Frau" am 14. November 1865, "mit mir vereint, Ihm zu sein, was dem Menschen möglich, für einen Angebeteten, Heiligen". "O wären auch Wir schon, Wir 3 im weiten Land, das alle Welt umspannt, fern der Sonne, fern der Tage Trennungsklage", schreibt er der Freundin tristanisierend am 5. März 1866. Und so verfaßt er die Ehrenerklärung in Gestalt eines öffentlichen Briefes an Hans von Bülow.

Martin Gregor-Dellin kann sich in seiner Wagner-Biographie gar nicht genugtun, den schändlichen Betrug an dem gutgläubig-verschwärmten König zu brandmarken. Dieser selbst hat freilich, Ehre als Intaktheit des äußeren Rufes verstehend, dem geliebten Paar verziehen, versichert er doch am 15. März 1869 der Freundin, "wie treu und innig ich an Ihnen hänge, denn nach dem Freunde sind Sie mir das theuerste, verehrungswürdigste Wesen auf Erden". Die Liebe des Königs zu Wagner spiegelt sich - eine höchst merkwürdige Parallele zur Beziehung Nietzsches zum Hause Wagner in der Tribschener Zeit - immer wieder in der Liebe Cosimas zu Wagner. Beide haben immer wieder die Überzeugung ausgesprochen, einzig in ihrer Beziehung zu Wagner wahre Liebe erfahren zu haben. "Ich liebe kein Weib, habe keine Eltern, keinen Bruder, keine Verwandten, Niemanden innig und von Herzen, aber Sie! Sie, mein Angebeteter, Einziger!" schreibt Ludwig am 21. April 1866 an Wagner, und Cosima notiert am 23.März 1871 in ihrem Tagebuch, "daß ich weder Vater noch Mutter gehabt. Alles ist mir Richard gewesen, er einzig hat mich geliebt."

Obwohl Cosima und Wagner ihre Briefe an den König zweifellos aufeinander abstimmten, ist doch ihre unterschiedliche Stilprägung und Argumentationsweise nicht zu verkennen. Cosima gibt sich als Katholikin mit unaufhörlicher Passionsgebärde, die "halbe Tage" vor ihrem Kruzifix oder einem Gnadenbild auf den Knien liegt, die Kraft schöpft aus den "Autos sacramentales" von Calderón, der die "spanische Vorstellung des Königthums" als einer "Offenbarung Gottes" alles ist. Daher ihre Bestürzung, als der König nach der Niederlage Bayerns 1866 ihr - und nicht direkt Richard Wagner - ankündigt, er werde abdanken, um nur noch dem "Gottmenschen" Wagner zu leben. Cosimas Antwort: "In dieser öden Zeit, wo überall der Glaube nur Schacher ist, habe ich in Wahrheit an das Königthum von Gottes Gnaden geglaubt, es ist für mich eine Religion gewesen, so wie die Kunst; an Sie vor allem, ja an Sie einzig habe ich als König geglaubt, als König sollten Sie, Hehrer, unsre Kunst erheben." Lege er die Krone nieder, dann würden "die entgötterten Menschen in der Gleichheit der vollsten Gemeinheit ihr elendes Leben" führen.

Vollkommen anders die Reaktion Wagners vom gleichen 24. Juli 1866. Humoristisch vergleicht er die geplante Abdankung mit dem Flucht- und Entführungsplan Walthers von Stolzing, mit dem der König sich so gern identifiziert, sich selbst aber mit Hans Sachs, der sagt: "Aufgepaßt! das darf nicht sein!" Nichts von Gottesgnadentum! Wagner bleibt seiner revolutionären Idee des Volkskönigtums treu. Der König solle aus der von "römischen Priesterintrigen" und der "furchtbaren Pfaffenmacht" verhetzten "Münch-Residenz hinaus in das freiathmige Franken" ziehen und in der "Meistersinger"-Stadt Nürnberg mit seiner "aufgeklärten und freisinnigen Bevölkerung" eine neue Residenz gründen. Der Haß auf den reaktionären Ultramontanismus Münchens, das der König jenen überlassen solle, ist übrigens der Hintergrund der berüchtigten Verse vom "welschen Dunst und welschen Tand" in Sachsens Schlußansprache aus den "Meistersingern", die nicht nur unerquicklich deutschtümelnd sind, sondern auch "aufgeklärt" und "freisinnig" sein wollen.

Der Briefwechsel zwischen Ludwig II. und Cosima Wagner ist gerade in Parallele und Kontrast zu Wagners "Königsbriefwechsel" das einzigartige Zeugnis einer vormodernen Mentalität, in der - auf beiden Seiten, denn auch Cosima stammt aus ältestem Adel - ein überständiges feudal-aristokratisches Weltbild in einer durch Sakralisierung über sich selbst hinausgehobenen bürgerlichen Ästhetik seinen Rettungsanker sieht. Nicht mehr "Unterthan" ist Richard Wagner, als welcher er selbst seine Briefe an den König zu dessen Unbehagen bisweilen unterzeichnet, sondern, so Ludwig an Cosima am 20. Oktober 1866, "ein Gott, der von des Himmels Höhen herabstieg, die neue beseligende Lehre den Menschen zu verkünden, die Welt zu erlösen! . . . Wie aber kann ein Mensch wie Er eines Menschen Unterthan sein, nimmer kann dies sein." Richard Wagner ist dem König der neue Christus, die Kunst aber für ihn wie für die "innig geliebte" Freundin Cosima eine aufgehobene Monstranz, welche die entgötterte Moderne in die Knie niederbrechen lassen soll.

Cosima Wagner und Ludwig II. von Bayern: "Briefe". Eine erstaunliche Korrespondenz. Herausgegeben von Martha Schad. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1996. 588 S., Abb., geb., 56,- DM.

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