Friedrich Preller der Ältere prägte mit seinen mythologischen Landschaften das Ideal einer am klassischen Kanon orientierten Kunstauffassung des 19. Jahrhunderts. Der in Weimar tätige Maler hinterließ ein weit dimensioniertes Oeuvre von Gemälden, Zeichnungen und Druckgraphiken, das bis heute nur in Teilen erschlossen ist. Seine Briefe geben Auskunft über Auftraggeber, Werkprozesse und Bildgedanken und lassen seine Reisen nach Italien, durch die Alpen und nach Norwegen lebendig werden. Sie erlauben die präzise Rekonstruktion von fünf Jahrzehnten intensiver künstlerischer Tätigkeit. Preller korrespondierte mit zahlreichen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, darunter bildende Künstler, Komponisten, Kunsthändler und Verleger sowie seine Schülerinnen und Schüler.
Briefkultur der Romantik Künstlerreisen Bisher unveröffentlichte Quellen Blick ins Buch
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Hermann Mildenberger taucht mit Reinhard Wegners Edition der Briefe des Malers Friedrich Preller d.Ä. ein in das nachgoethische Weimar und seine Künstlerzirkel um Liszt und Genelli. Das Werden Prellers vor diesem Hintergrund eröffnen ihm die "mustergültig" edierten und kommentierten Briefe auf ebenso lebendige wie gelehrte Weise. Allerdings vor allem aus Sicht Prellers, seines Kunstverständnisses und seines "unerschütterlichen" Selbstvertrauens, wie Mildenberger einräumt. Der Wertekanon und die Atmosphäre des damaligen Weimars werden allerdings sicht- und spürbar, so der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2023Statt der Moderne
Eine Edition der Briefe Friedrich Prellers d. Ä.
Friedrich Preller d. Ä. (1804 bis 1878) bewährte sich als Fels in der Brandung widerstrebender und wechselnder Stilströmungen im wetterwendischen Panorama des neunzehnten Jahrhunderts. Vom alten Goethe gefördert, bei dessen Serien von Wolkenzeichnungen er produktiv eingebunden wurde, studierte er, von Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar protegiert, nach Anfängen in Dresden im flämischen Antwerpen. Prägend waren auch Studienreisen als Stipendiat nach Italien, das samt seinen antiken Tiefendimensionen zusammen mit dem 1840 auf einer Studienreise erschlossenen Norwegen bestimmend für sein Schaffen wurde: klassizistisch, mediterran, antik und spätromantisch, mit einem ossianischen Nachklang. Von 1844 an für die "Fürstliche freie Zeichenschule" in Weimar - aus der er hervorgegangen war - schließlich als Professor, Direktor und Hofmaler des Großherzogs Carl Alexander tätig, entwickelte er sich zum unbeugsamen Antipoden der gleichfalls von Carl Alexander 1860 gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule (später Hochschule) mit ihrer zunehmenden Präferenz für Freilichtmalerei in der französischen Tradition der Schule von Barbizon, Naturalismus und Impressionismus.
Die nun erschienene Edition seiner Briefe, mustergültig besorgt und akribisch kommentiert, wird durch Abbildungen ergänzt und führt den Leser lebendig durch Spätklassizismus und -romantik. Eindeutig bleibt man bei der Lektüre auf dem Terrain von Preller - die gegenläufigen Kunstströmungen der Epoche, die sich auch durch Weimar ziehen, sind eher als Aussparungen erfahrbar, wenn auch teilweise wie durchs Teleskop gesehen signifikante Details aufblitzen.
Die Lektüre der Briefe erschließt partiell fast literarische Handlungsstränge. Ein Movens ist Prellers Verbundenheit mit dem in München tätigen Malerkollegen Bonaventura Genelli (1798 bis 1868), in dem er seinen begabtesten Verbündeten erkennt. Prellers insistierende Diplomatie, Genelli beim Großherzog als Professor für Weimar zu empfehlen, und die parallelen Überredungsversuche in Richtung Genelli, München gegen Weimar zu vertauschen, wurden schließlich von Erfolg gekrönt.
Die Briefe lassen das unerschütterliche Selbstvertrauen Prellers erkennen, mit seinem Klassizismus an der künstlerischen Spitze der Pyramide des Jahrhunderts zu arbeiten und mit Genelli ein Genie ersten Ranges nach Weimar zu holen. In Genelli scheint sich Preller vielleicht auch episodisch selbst zu spiegeln. Aus heutiger Sicht überrascht, dass angesichts des Stilpluralismus dieser Jahrzehnte bei ihm keine Selbstzweifel auftauchen.
Als Quellensammlung bildet die Briefedition eine Fundgrube zum Lebensgefühl und Wertekanon des nachgoethischen Weimar. Neben Peter Cornelius tritt Genelli als der größte lebende bildende Künstler auf (Brief vom 19.9.1861), als Wiedergeburt eines klassischen Griechen (16.7.1859), als "erste Instanz [...] ein seltener Mensch und hätte er in der großen Periode des cinque cento gelebt, man würde ihn mit Raffael und Michel Angelo nennen. Unsere arme Zeit versteht diesen göttlichen Genius nicht" (29.12.1862). Auf der anderen Seite der Medaille, der romantischen, wird der mit der Weimarer Kunstgeschichte eng verwobene Moritz von Schwind wiederholt als Maßstab gesetzt.
Das nachgoethische Weimar ist geprägt durch Franz Liszt und seinen Kreis und die Lebensgefährtin Caroline Fürstin Sayn-Wittgenstein. Prellers Briefe geben Einblicke in diese Zirkel, doch ist die Edition in erster Linie eine Fundgrube zum Kunstempfinden der Epoche, als die "Moderne", wie sie heute gesetzt ist, noch als transitorisch gesehen wurde. So schrieb Preller an eine seiner Schülerinnen um 1873: ". . . Seit einiger Zeit ist landschaftlich, Schmuzwege u Gänse, ein beliebter Gegenstand. Was geistlose Menschen mit solchem Material zu Stande bringen, will ich Ihnen nicht verrathen - Es ist aber zum Erbarmen! . . . Daneben habe ich für die Loggia ein Künstlerleben gezeichnet, bei welchem ich an Genelli dachte, dasselbe umfaßt seine heitere Jugend, Blüthezeit, seine künstlerische Richtung u das Alter. Ich lasse es in 2 Farben in den Gurt malen, den die Loggia bietet." HERMANN MILDENBERGER
Reinhard Wegner: "Briefedition Friedrich Preller d. Ä.". Ich habe die Feder in Bewegung gesetzt.
Deutscher Kunstverlag, Berlin, München 2023. 696 S., Abb., geb., 98,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Edition der Briefe Friedrich Prellers d. Ä.
Friedrich Preller d. Ä. (1804 bis 1878) bewährte sich als Fels in der Brandung widerstrebender und wechselnder Stilströmungen im wetterwendischen Panorama des neunzehnten Jahrhunderts. Vom alten Goethe gefördert, bei dessen Serien von Wolkenzeichnungen er produktiv eingebunden wurde, studierte er, von Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar protegiert, nach Anfängen in Dresden im flämischen Antwerpen. Prägend waren auch Studienreisen als Stipendiat nach Italien, das samt seinen antiken Tiefendimensionen zusammen mit dem 1840 auf einer Studienreise erschlossenen Norwegen bestimmend für sein Schaffen wurde: klassizistisch, mediterran, antik und spätromantisch, mit einem ossianischen Nachklang. Von 1844 an für die "Fürstliche freie Zeichenschule" in Weimar - aus der er hervorgegangen war - schließlich als Professor, Direktor und Hofmaler des Großherzogs Carl Alexander tätig, entwickelte er sich zum unbeugsamen Antipoden der gleichfalls von Carl Alexander 1860 gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule (später Hochschule) mit ihrer zunehmenden Präferenz für Freilichtmalerei in der französischen Tradition der Schule von Barbizon, Naturalismus und Impressionismus.
Die nun erschienene Edition seiner Briefe, mustergültig besorgt und akribisch kommentiert, wird durch Abbildungen ergänzt und führt den Leser lebendig durch Spätklassizismus und -romantik. Eindeutig bleibt man bei der Lektüre auf dem Terrain von Preller - die gegenläufigen Kunstströmungen der Epoche, die sich auch durch Weimar ziehen, sind eher als Aussparungen erfahrbar, wenn auch teilweise wie durchs Teleskop gesehen signifikante Details aufblitzen.
Die Lektüre der Briefe erschließt partiell fast literarische Handlungsstränge. Ein Movens ist Prellers Verbundenheit mit dem in München tätigen Malerkollegen Bonaventura Genelli (1798 bis 1868), in dem er seinen begabtesten Verbündeten erkennt. Prellers insistierende Diplomatie, Genelli beim Großherzog als Professor für Weimar zu empfehlen, und die parallelen Überredungsversuche in Richtung Genelli, München gegen Weimar zu vertauschen, wurden schließlich von Erfolg gekrönt.
Die Briefe lassen das unerschütterliche Selbstvertrauen Prellers erkennen, mit seinem Klassizismus an der künstlerischen Spitze der Pyramide des Jahrhunderts zu arbeiten und mit Genelli ein Genie ersten Ranges nach Weimar zu holen. In Genelli scheint sich Preller vielleicht auch episodisch selbst zu spiegeln. Aus heutiger Sicht überrascht, dass angesichts des Stilpluralismus dieser Jahrzehnte bei ihm keine Selbstzweifel auftauchen.
Als Quellensammlung bildet die Briefedition eine Fundgrube zum Lebensgefühl und Wertekanon des nachgoethischen Weimar. Neben Peter Cornelius tritt Genelli als der größte lebende bildende Künstler auf (Brief vom 19.9.1861), als Wiedergeburt eines klassischen Griechen (16.7.1859), als "erste Instanz [...] ein seltener Mensch und hätte er in der großen Periode des cinque cento gelebt, man würde ihn mit Raffael und Michel Angelo nennen. Unsere arme Zeit versteht diesen göttlichen Genius nicht" (29.12.1862). Auf der anderen Seite der Medaille, der romantischen, wird der mit der Weimarer Kunstgeschichte eng verwobene Moritz von Schwind wiederholt als Maßstab gesetzt.
Das nachgoethische Weimar ist geprägt durch Franz Liszt und seinen Kreis und die Lebensgefährtin Caroline Fürstin Sayn-Wittgenstein. Prellers Briefe geben Einblicke in diese Zirkel, doch ist die Edition in erster Linie eine Fundgrube zum Kunstempfinden der Epoche, als die "Moderne", wie sie heute gesetzt ist, noch als transitorisch gesehen wurde. So schrieb Preller an eine seiner Schülerinnen um 1873: ". . . Seit einiger Zeit ist landschaftlich, Schmuzwege u Gänse, ein beliebter Gegenstand. Was geistlose Menschen mit solchem Material zu Stande bringen, will ich Ihnen nicht verrathen - Es ist aber zum Erbarmen! . . . Daneben habe ich für die Loggia ein Künstlerleben gezeichnet, bei welchem ich an Genelli dachte, dasselbe umfaßt seine heitere Jugend, Blüthezeit, seine künstlerische Richtung u das Alter. Ich lasse es in 2 Farben in den Gurt malen, den die Loggia bietet." HERMANN MILDENBERGER
Reinhard Wegner: "Briefedition Friedrich Preller d. Ä.". Ich habe die Feder in Bewegung gesetzt.
Deutscher Kunstverlag, Berlin, München 2023. 696 S., Abb., geb., 98,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Statt der Moderne" Rezension von Hermann Mildenberger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2023