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Facettenreich zwischen Liebesbriefen und Gottfried Benns politischer Rechtfertigung 1933.Für weniger als ein Jahr waren Gottfried Benn und sie ein Liebespaar. Die aus einer jüdischen Familie stammende Gertrud Zenzes blieb ihm dennoch bis ans Lebensende freundschaftlich verbunden. Sie hatte noch im Kaiserreich studiert und als eine der ersten Frauen in Deutschland promoviert. Gertrud Zenzes war eine typische moderne Frau dieser Zeit. Sie war berufstätig und erotisch unabhängig.Besonders aufschlussreich ist die Korrespondenz kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis, weil Benn sich gegenüber…mehr

Produktbeschreibung
Facettenreich zwischen Liebesbriefen und Gottfried Benns politischer Rechtfertigung 1933.Für weniger als ein Jahr waren Gottfried Benn und sie ein Liebespaar. Die aus einer jüdischen Familie stammende Gertrud Zenzes blieb ihm dennoch bis ans Lebensende freundschaftlich verbunden. Sie hatte noch im Kaiserreich studiert und als eine der ersten Frauen in Deutschland promoviert. Gertrud Zenzes war eine typische moderne Frau dieser Zeit. Sie war berufstätig und erotisch unabhängig.Besonders aufschlussreich ist die Korrespondenz kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis, weil Benn sich gegenüber der Freundin erklärt, die bereits seit 1928 in den USA lebte. Nach Kriegsende versorgte sie Benn mit Carepaketen.Insgesamt liegen 156, teils recht umfangreiche Schreiben vor, wobei die Briefe von Gertrud Zenzes (mit zwei Ausnahmen) erst aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überliefert sind.Holger Hof und Stephan Kraft legen eine weitere wichtige Korrespondenz Gottfried Benns vor. Neben den Briefen enthält der Band einen ausführlichen Kommentar und ein biographisches Nachwort von Stephan Kraft zu Benns Korrespondenzpartnerin, von deren Leben bislang nur wenig bekannt war.
Autorenporträt
Gottfried Benn (1886-1956) war einer der bedeutendsten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Auch in seiner Prosa sowie seinen Essays,autobiographischen Schriften und Briefen ist er der 'Phänotyp' seiner Epoche. 1951 erhielt er den Georg-Büchner-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Von unschätzbarem Wert" sei der Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und seiner kurzzeitigen Geliebten und langzeitigen Freundin Gertrud Zenzes, schwärmt Rezensent Jörg Magenau. Bis ins letzte Detail kommentiere diese Ausgabe jene Briefe, die auch seltene Momente bezeugen, in denen der Schriftsteller seine distanzierte Zurückhaltung ablegt, zum Beispiel, wenn er von der tiefen Trauer über den Suizid seiner Geliebten, Lily Breda, schreibt, bemerkt der Rezensent. Besonders beeindruckt ihn das Nachwort Stephan Krafts, der die Biografie Gertrud Zenzes ausführlich rekonstruiert und sie als "selbstbewusste, moderne" Frau porträtiert, die für damalige Zeiten eine ungewöhnliche akademische Laufbahn durchschritt und weitestgehend auf sich allein gestellt blieb, als sie ihrem Mann in die USA folgte. Trotz der Strapazen in ihrem eigenen Leben, brachte sie über Jahre hinweg die Zeit auf, ihren Freund mit Zuwendungen jeglicher Art zu unterstützen, schließt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.05.2022

Aus den Trümmern kann man nicht heraus
Der Briefwechsel zwischen Gertrud Zenzes und Gottfried Benn zeigt das unruhige Leben einer Frau, die mehr war als das „Petitchen“ ihres berühmten Geliebten
Von Gertrud Zenzes war bisher nicht viel mehr bekannt, als dass sie zwischen Dezember 1921 und September 1922 eine Geliebte von Gottfried Benn gewesen ist. „Mungo“ nannte er sie da, „Petitchen“ oder auch „Schnuckchen“. Später, nachdem die beiden dann wieder vom Du zum Sie übergegangen waren, blieb sie die „liebe Freundin“, vor allem aber das „liebste Trudchen“. Zwanzig Schreiben Benns an Gertrud Zenzes waren in dem Band mit ausgewählten Briefen zu finden, der 1957, ein Jahr nach seinem Tod, erschien. Neben Thea Sternheim war Zenzes die Einzige aus dem Arsenal seiner Liebesbegegnungen, die ihm über Jahrzehnte hinweg freundschaftlich verbunden blieb. Sie ist aber nach Ursula Ziebarth, Astrid Claes, Tilly Wedekind, Elinor Büller und Thea Sternheim die Letzte, deren umfangreicher Briefwechsel mit Benn nun in einer eigenen Edition geschlossen vorliegt und damit eine weitere Lücke in der Benn-Forschung schließt.
Auch Benns dritte Ehefrau Ilse mischte sich immer stärker in die Korrespondenz ein, um der in den USA lebenden Freundin ihres Mannes für all die Care-Pakete zu danken, die für das Ehepaar Benn im zerstörten Berlin der Nachkriegsjahre überlebenswichtig waren. Benn selbst lag dann häufig mit Migräne und Depressionen im abgedunkelten Raum seiner Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten und begnügte sich mit ein paar Grüßen und freundschaftlichen Gedanken.
„Diese Geschenke haben eine Gewalt, der ich innerlich nicht gewachsen bin“, schrieb er einmal an die amerikanische Freundin und bat sie deshalb, ihre Sendungen einzustellen – eine Aufforderung, der sie zu seinem Glück nicht nachkam.
Benn verkraftete all die Zigaretten, Nudeln, Suppen, Dosen, Socken, Hemden und Schlipse dann auch recht gut, zeigte sich jedoch fortgesetzt „erschüttert“ von der Großzügigkeit seines „Trudchens“, mehr noch aber davon, dass sie ihn über die Zeit des Nationalsozialismus und den Krieg hinaus so freundschaftlich in Erinnerung behalten habe. Da die Pakete in der politisch unruhigen Zeit oft monatelang unterwegs waren, war ihr Eintreffen jedes Mal ein Fest. Die Korrespondenz besteht dementsprechend zu weiten Teilen aus Packzetteln, Empfangsbestätigungen und Dankesbekundungen.
Selbstverständlich war das alles keineswegs. Zenzes rechnete sich selbst nicht zu den großen Liebschaften in Benns Leben, sondern sah sich eher als Randfigur für ihn, der ihr aber als Dichter immer von zentraler Bedeutung gewesen sei. Neue Gedichte von ihm nahm sie in Ehrfurcht und mit Gänsehaut zur Kenntnis. Ein Bildnis von ihm stand in ihrem Bücherregal. Er war „der Mensch, der vielleicht am tiefsten und nachhaltigsten auf mich gewirkte hat“, schreibt sie an den Verleger und Benn-Freund Max Niedermayer.
Neben Benns zweiter Frau Herta, die sich 1945 das Leben nahm, und Ilse habe dessen große Liebe aber vor allem der Schauspielerin Lily Breda gegolten, von deren schrecklichem Suizid Benn am 24. Februar 1929 Gertrud Zenzes „tief getroffen“ berichtet: „Wenn ich dies Alles überwinde, wird irgendein neuer Mensch aus mir, ich fühle es, ich weiß noch nicht welcher Art. Aber wohl ein kalter, armer Mensch mit einer Vacuumschicht um sich herum, es war so viel, was ich in den letzten Jahren erlebte u. auch litt.“ Breda hatte sich aus ihrer Wohnung im fünften Stock gestürzt; zuvor allerdings noch Benn angerufen, um ihre Tat anzukündigen. Der fuhr sofort im Taxi zu ihr, traf vor Ort aber erst ein, als die Feuerwehr den „zerbrochenen Körper“ schon von der Straße barg.
Es ist einer der seltenen Momente, in denen der zurückhaltende, immer auf Stil und Unnahbarkeit bedachte Dichter aus sich herausgeht. Das gilt auch für den Brief vom 23. September 1933, in dem er der aus einer jüdischen Familie im schlesischen Hirschberg stammenden Freundin, die damals in San Francisco lebte und dort eine deutsche Buchhandlung aufbaute, seine Sympathie für Hitler und den Nationalsozialismus zu erklären suchte.
Benn hielt die NS-Bewegung 1933 für eine entscheidende Wendung der abendländischen Geschichte, der man sich schicksalhaft zu stellen habe. Es gelte, „geschichtlich“ und nicht bloß „privat“ zu denken, um dem „Erlebnis Deutschland“ und dem „Abbau des Individuums für das Volk, für die Rasse, für das ferne, mythische Kollektiv“ gewachsen zu sein.
Bemerkenswert ist Zenzes gelassene, ausführliche Antwort auch auf Benns Darstellung des „Judenproblems“ in Berlin, dem sie als geborene Jüdin entgegenhält, dass es vor allem den jüdischen Emigranten zu verdanken sei, dass die deutsche Sprache und Kultur in den USA lebendig bleibe. Zenzes hielt ihm auch über diesen Abgrund hinweg die Treue. 1936 kam es noch einmal zu einer persönlichen Begegnung in Hannover, als Benn schon nicht mehr publizieren durfte und ihm klar war, dass das im Hitler-Deutschland auch nicht mehr möglich sein würde.
Das große Verdienst der Edition besteht nicht nur in einer millimetergenauen, filigranen Kommentierung der Briefe, sondern vor allem auch darin, dass Stephan Kraft in einem umfangreichen Nachwort die Biographie von Gertrud Zenzes rekonstruiert – ein Leben, das geradezu romanhafte Züge besitzt. Dafür waren umfangreiche Archivrecherchen erforderlich, da Zenzes außer dem Briefwechsel mit Benn, den sie hütete wie einen Schatz, kaum etwas hinterlassen hat.
Zenzes, geborene Casel, war eine selbstbewusste, moderne Frau, die – und das war zu ihrer Zeit noch ungewöhnlich – nicht nur Abitur machte, sondern auch studierte: Germanistik, Philosophie, Jura, und die in Nationalökonomie promovierte. Eine Berufslaufbahn war für Frauen damals allerdings nicht vorgesehen. Zenzes musste sich nach ihrem Studium deshalb mit diversen Gelegenheitsjobs durchschlagen, vor allem als Privatbibliothekarin, bis sie schließlich 1926 ihrem Mann Alexander Zenzes, einem Glücksritter und Weltkriegshelden, in die Vereinigten Staaten folgte, sich aber auch dort meist ohne ihn, auf den nicht recht zu zählen war, über Wasser hielt.
Ihr Leben war, wie auch den zum Teil sehr langen Briefen an die Benns zu entnehmen ist, meist unruhig und sorgenreich, und doch hatte sie die Zeit und die Energie, den Freund im Hungerwinter 1946/47 und während der Berlinblockade mit ihren Sendungen zu unterstützen. „Sehnen sie sich nach Deutschland zurück, aber kommen Sie nicht“, schrieb Benn ihr im Januar 1947. „Es ist nicht schön hier und wird es auch nicht wieder werden.“ Und im März: „Der Winter ist vorbei, aber aus den Trümmern kann man nicht heraus.“ Zum Verständnis dieser Jahre, in denen Benn allmählich aus dem Vergessen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte, sind die Briefe von diesseits und jenseits des Atlantiks von unschätzbarem Wert.
JÖRG MAGENAU
Zenzes Biografie hat romanhafte
Züge, ihr Mann war ein
Glücksritter und Weltkriegsheld
Gottfried Benn, Gertrud Zenzes: Briefwechsel 1921-1956. Göttingen/Stuttgart, Wallstein/Klett-Cotta 2021. 481 Seiten, 34 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Texte wie (diese) Edition sind an jedem Tag ein erhobenes Glas wert.« (Gisela Trahms, Literarische Welt, 02./03.10.2021) »Das ist germanistisch sehr filigran (...) da bleibt keine Frage offen. Ein wirklich spannendes zeitgeschichtliches Dokument.« (Jörg Magenau, rbb Kultur, 30.12.2021) »Eine sehr wichtige Ergänzung, nicht nur für die Benn-Forschung, sondern für alle Leute, die sich für Benn und für das Leben einer selbstbewussten, autonomen Frau interessieren in dieser Zeit.« (Jörg Magenau, rbb Kultur, 30.12.2021) »Eine große Leistung dieser Edition ist, die ziemlich aufregende Biografie dieser Frau vor Augen zu führen.« (Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 07.01.2022) »(ein) kulturgeschichtlich aufschlussreiches Dokument.« (Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 07.01.2022) »In diesem Briefwechsel (...) zeigt sich ein dichtender, menschenscheuer Patriarch und eine Frau, die sein Werk bis zuletzt bewunderte (...). Allein für diese Einsichten ist dieseBriefausgabe nebst umfangreichem Anmerkungsapparat und ausuferndem Nachwort lesenswert.« (Stefan Berkholz, WDR3 Lesestoff, 19.01.2022) »Das große Verdienst der Edition besteht nicht nur in einer millimetergenauen, filigranen Kommentierung der Briefe, sondern vor allem auch darin, dass Stephan Kraft in einem umfangreichen Nachwort die Biographie von Gertrud Zenzes rekonstruiert - ein Leben, das geradezu romanhafte Züge besitzt.« (Jörg Magenau, Süddeutsche Zeitung, 24.05.2022)