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Dieser Band, mit dem die historisch-kritische Ausgabe der Gesammelten Werke Samuel Pufendorfs eröffnet wird, macht erstmals vollständig die uns überlieferte Korrespondenz des großen Gelehrten zugänglich.

Produktbeschreibung
Dieser Band, mit dem die historisch-kritische Ausgabe der Gesammelten Werke Samuel Pufendorfs eröffnet wird, macht erstmals vollständig die uns überlieferte Korrespondenz des großen Gelehrten zugänglich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mit der Mistgabel den Schweinepelz kitzeln
Die Briefe des Naturrechtlers Samuel von Pufendorf zeigen ihn als wortgewaltigen Polemiker

Als es weder Zeitungen noch wissenschaftliche Zeitschriften gab, geschweige denn das Telefon, und als das Reisen noch mühsam und gefährlich war, fand auch die wissenschaftliche Kommunikation durch Briefe statt. In der gelehrten europäischen Welt des siebzehnten Jahrhunderts zirkulierten die Episteln der großen Geister, von Galilei und Grotius, Spinoza und Locke, Descartes und Leibniz, vielfach abgeschrieben und in den Freundeskreisen diskutiert.

Zu diesen europäischen Größen gehört auch Samuel von Pufendorf, der Naturrechtler und schwedische sowie brandenburgische Hofhistoriograph. "Es gibt in Deutschland keinen Philosophen und Juristen vor Kant, der politisch und philosophisch zentrale Begriffe wie Natur- und Menschenrechte, moralische Person und Toleranz so gründlich und wirkungsmächtig bestimmt hätte", schreibt Wilhelm Schmidt-Biggemann.

Die von ihm erhaltenen Briefe sind nicht sehr zahlreich: die vorliegende Ausgabe enthält 206 Schreiben und 36 Antworten. Der Leipziger Historiker Detlef Döring, der sie gesammelt hat und, mit eingehenden Kommentaren versehen, herausgibt, ist heute ohne Zweifel der beste Kenner von Pufendorfs Biographie. Mit großer Energie ist er allen nur denkbaren Spuren dieses Gelehrtenlebens nachgegangen und hat bislang unbekannte Texte entdeckt. Daraus sind zwei Bände entstanden: "Pufendorf-Studien" von 1992 und "Pufendorf: Kleine Vorträge und Schriften" von 1995. Nun folgen die sorgsam kommentierten Briefe. Sie sind eine Fundgrube der politischen Geschichte und Wissenschaftsgeschichte, aber auch ein Fenster in die Welt der Konsistorien und Fakultäten, des Adels und der Diplomatie zwischen Leipzig und Heidelberg, Lund, Stockholm und Berlin.

Pufendorf war rasch berühmt wegen seines großen Lehrbuchs des Naturrechts, dessen Kurzfassung weit verbreitet war. Es bestimmte den Universitätsunterricht bis weit in das achtzehnte Jahrhundert. Daß Pufendorf auch der Verfasser des sogenannten "Monzambano", der pseudonymen Streitschrift über die Reichsverfassung von 1667, war, ahnten schon seine Zeitgenossen; gute Freunde wußten es, wie die Briefe zeigen, ohnehin. Dort war das aufsehenerregende Wort gefallen, die Reichsverfassung sei "irregulär" und einem "Monstrum gleich". Ein Schwarm von Gegenschriften erhob sich. In der Ausgabe letzter Hand ließ Pufendorf den Ausdruck "Monstrum" stillschweigend fallen.

Gefürchtet war er wegen der Schärfe seiner bissigen und ironischen Schreibweise. Der Jurist Nikolaus Beckmann in Lund, der ihm durch ein "schendlich ehrenrührig pasquill" Ärger bereitet hatte, bekam sie ebenso zu fühlen wie der Leipziger Theologe Valentin Alberti. Die Briefe bezeugen es, vor allem diejenigen, die er mit seinem ähnlich polemisch veranlagten Freund, dem Rechtsphilosophen und Publizisten Christian Thomasius, wechselte. Ständig ist davon die Rede, man müsse den Gegnern das Maul stopfen oder ihnen den Bart putzen. Die Gegner figurieren als "schweinepeltz", "mistfinken", "scherenschleiffer", "garstige wiedehoppen", "lotterbuben und haluncken".

"Mich wollen sie gar auffressen", schreibt Pufendorf, "und kommen nun auch gehlschnäbel und kahle hunde mit pasquillen fürn tag." Aber ihm ist nicht bange, besonders wenn es um Valentin Alberti geht: "ich freue mich nur ihn unter die fäuste zu kriegen, so soll ich (ihn) schon deplumieren, und so zurichten, daß er einem schornsteinfegersbuben ähnlich sehen soll." Insgesamt herrscht also ein grober Ton, vor allem, wenn es darum geht, gegen die orthodoxen lutherischen Theologen einen Freiraum für das überkonfessionelle Naturrecht zu erkämpfen. Es ist die Frühaufklärung, die sich gegen den "alten quarck" des Artistotelismus und der theologischen Intoleranz im Recht fühlt: "Wir haben mit harthäutigen thieren zuthun", schreibt er 1688 an Thomasius, "und deswegen muß man sie mit der mistgabel kitzeln."

Detlef Döring hat diese Briefe nicht nur einzeln kommentiert, sondern auch ein ausführliches Korrespondentenverzeichnis mit Kurzbiographien beigegeben. Er hat die heute bekannten Handschriften aufgelistet, alle Erwähnungen Pufendorfscher Werke und sonstiger Schriften verzeichnet sowie Orts-, Sach- und Personenregister geliefert. Hier bleiben keine Wünsche offen. Der Standard für die folgenden Bände der Gesamtausgabe ist damit hoch angesetzt.

Nicht alles, was dort erscheinen soll, wird so notwendig sein wie diese Briefe; vom "Monzambano" gibt es derzeit eine wohlfeile deutsche Ausgabe und eine lateinisch-deutsche, beide von Horst Denzer, außerdem ist der Nachdruck einer zeitgenössischen deutschen Übersetzung auf dem Markt. Das "Kleine Naturrecht" ("De officio hominis et civis") ist erst jüngst von Klaus Luig übersetzt und in einer zweisprachigen Ausgabe herausgebracht worden. Daß Pufendorf endlich eine Gesamtausgabe erhalten soll, freut jeden, dem die Klassiker der politischen Theorie und Jurisprudenz sowie die Rekonstruktion der geistigen Landschaft Europas in der frühen Neuzeit am Herzen liegen. MICHAEL STOLLEIS

Samuel von Pufendorf: "Gesammelte Werke". Hrsg. v. Wilhelm Schmidt-Biggemann. Band 1: "Briefwechsel". Hrsg. v. Detlef Döring. Akademie Verlag, Berlin 1996. XXIX, 453 Seiten, geb., 298,- DM.

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