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Ein biographischer, wissenschafts- und poesiegeschichtlicher Quellenfundus zu den Anfängen der Hofmannsthal-Forschung - zum ersten Mal ediert und kommentiert.»Über das Persönliche hinaus ist es mir woltuend, am lebendigsten Beispiel zu erfahren, daß man ein Mann der strengen Wissenschaft u. Hüter des Überkommenen sein kann und zugleich so völlig offen für das Neue, das sich ans große Alte anfügen will«.Hugo von Hofmannsthal an Walther Brecht, 12. Dezember 1919Hugo von Hofmannsthal, der gelehrte »Kulturdichter«, suchte in dem Literaturhistoriker Walther Brecht den Wissenschaftskünstler.…mehr

Produktbeschreibung
Ein biographischer, wissenschafts- und poesiegeschichtlicher Quellenfundus zu den Anfängen der Hofmannsthal-Forschung - zum ersten Mal ediert und kommentiert.»Über das Persönliche hinaus ist es mir woltuend, am lebendigsten Beispiel zu erfahren, daß man ein Mann der strengen Wissenschaft u. Hüter des Überkommenen sein kann und zugleich so völlig offen für das Neue, das sich ans große Alte anfügen will«.Hugo von Hofmannsthal an Walther Brecht, 12. Dezember 1919Hugo von Hofmannsthal, der gelehrte »Kulturdichter«, suchte in dem Literaturhistoriker Walther Brecht den Wissenschaftskünstler. Hofmannsthal wechselte mit Brecht und seiner Frau Erika von 1917 an bis zu Hofmannsthals Tod im Jahr 1929 beständig Briefe und Karten, von denen 96 Schreiben - überwiegend von Hofmannsthal - überliefert sind. Ihre Korrespondenz, die in die - noch ungeschriebene - Geschichte einer »poetischen Wissenschaft« deutscher Sprache gehört, stellt ein biographisches und wissenschaftsgeschichtliches Dokument höchsten Ranges dar. Brechts frühe Essays beeinflussen die Hofmannsthal-Forschung bis heute und die historische Kritik aus den Briefen eröffnet neue Perspektiven. Der Germanist Walther Brecht (1876-1950) war mit dem Werk Hugo von Hofmannsthals seit seinen Göttinger Studienjahren vertraut. 1917, als Professor in Wien, lernte er den Dichter persönlich kennen. 1919 übergab Hofmannsthal ihm die Notate »Ad me ipsum«, die, von Brecht publiziert, zur Gründungsurkunde der Hofmannsthalforschung wurden. Die Korrespondenz, die durch Briefe an Erika Brecht ergänzt wird, bildet ein neues, auch im Hinblick auf methodische Fragen aktuelles Kapitel zum Verhältnis von Dichtern und Philologen, das die deutsche Kulturgeschichte stets geprägt hat.
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Autorenporträt
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.06.2006

Die Zahnarztrechnung und die Wesensfarbe des Seins
Heikler Dichter, treuer Interpret: Hugo von Hofmannsthals Briefwechsel mit Walther Brecht
1917 bittet Hugo von Hofmannsthal den Literaturwissenschaftler Walther Brecht zu sich nach Rodaun. Der Anlass dieser Einladung ist unklar. Die Beziehung des Dichters zum Wiener Professor für Deutsche Sprache und Literatur entwickelt sich zunächst zögernd, verstetigt sich dann aber zu einem Gedankenaustausch, der bis zu Hofmannsthals Tod dauert. Brecht, der bis dato beste Kenner von Hofmannsthals Werk, wird dessen erster Nachlassverwalter und begründet mit seinen Beiträgen die Hofmannsthal-Forschung. Brechts Ehefrau Erika erinnert sich an die Zusammenkünfte: Bei ihren Diskussionen hielt es die Männer nicht auf ihren Plätzen, sie „liefen im Zimmer zwischen den Möbeln hin und her und disputierten über alles Große und Wichtige: Geschichte, Politik, vor allem Geistes- und Kulturgeschichte, Dichter und ihre Werke aller Zeiten und Länder, Zeitliches und Überzeitliches, allgemeines und Innerstes”.
Stets unvollkommene Deutung
Hofmannsthal und Brecht setzen ihre Begegnungen brieflich fort. Ihre Korrespondenz, komplett ediert und reichhaltig kommentiert von David Oels und Christoph König, ist ein Paradebeispiel für die komplizierte Verbindung von Kunst und Wissenschaft, für die Angriffs- und Abwehrstrategien, mit denen sie ihr Verhältnis regeln. Hofmannsthal erhofft sich von Brecht eine große Deutung seines Gesamtwerks. Weil die anfänglichen Bemühungen Brechts nicht zum gewünschten Ergebnis gelangen, schickt Hofmannsthal ihm seine Notizen „Ad me ipsum”, in denen sich der Dichter praktischerweise selbst deutet. Aus diesem Reservoir schöpft Brecht dann auch reichlich, kann aber Hofmannsthal interpretatorisch nicht befriedigen. Im Gegenteil: Er muss sich im Lauf der Zeit harsche Kritik gefallen lassen. Hofmannsthal rät seinem germanistischen Schuster, bei seinen Leisten zu bleiben - „es gibt eben jene andere Darstellungsweise, und es gibt die Ihre. . . ”. Und als Brecht Hofmannsthal als Teil einer spezifisch österreichischen Literaturgeschichte behandeln will, klärt dieser den Interpreten darüber auf, dass „für Ihre Natur kein unglücklicher gestelltes Thema als eines dieser Art” denkbar sei. Und: „Ein etwas vom professoralen Métier, das aber auch in Ihnen steckt, entlässt Sie nicht aus der Verpflichtung ‚informieren‘ zu wollen - gar die leidige Completheit anzustreben - Namen zu nennen u. s.f.”. Diese und andere Abkanzlungen führen von 1924 an dazu, dass Brecht zu dessen Lebzeiten überhaupt nichts mehr über Hofmannsthal veröffentlicht.
Hinter der Kritik am Streben nach „Completheit” und „Namen” steht Hofmannsthals Abwehr der positivistischen Einflussforschung, die einen Autor und sein Werk über Kausalbeziehungen rubrizieren und analysieren will. Der Geistesgeschichtler Brecht teilt die Vorbehalte gegen „die nach Beeinflussung suchenden Litterarhistoriker”. Doch liegt es offensichtlich in der Natur der Literaturwissenschaft, dass sie ihren Gegenstand handhabbar macht, Wirkungen und Einflüsse benennt. Warum also zeigt Hofmannsthal bei aller Reserve gegenüber den Deutungen Brechts ein so dauerhaftes Interesse an dessen Arbeit? Warum setzt er sich so nachhaltig für ihn ein, etwa bei Besoldungsangelegenheiten oder Besetzungsfragen? Warum behauptet er, „unsere Berufe sind doch so ineinander verhäkelt, dass ich mit dem bloßen urbanen Darüber=hinweggehen wohl bei einem meinem Gemüt Fremden durchkäme nicht aber bei einem freundschaftlich Nahestehenden”?
Zunächst ist diese Beziehung keine allein strategische oder fachliche Allianz, sondern trotz aller Herrschaftlichkeit Hofmannsthals ein auch freundschaftliches Verhältnis. Die Wetterfühligkeit Hofmannsthals, Brechts Finanzmisere, die Trink- und Essgewohnheiten der deutschen Professoren - Alltäglichkeiten wie diese sind ebenso Gegenstand der Korrespondenz wie intellektuelle Auseinandersetzungen. So berichtet Brecht in einem Brief, er sei jetzt schon gezwungen, seine Geldreserven für den Zahnarzt anzutasten. Zugleich verbreitet er sich über die „Bilder” als „tiefsten und unverlierbarsten Teil unseres Inneren” - während er hier die „Wesensfarbe unseres untersten Seins” verhandelt, geht es dort um das „Wesentlichste m. Reisekosten”: „Ich möchte so gern die Möglichkeit einer Ostererholung nach dem Zahnarzt (der zum Schluß am angreifendsten ist) nicht durch diese Reise verlieren.” Hinzu kommt, dass Hofmannsthal in Brecht einen Lehrer sieht, der für das „Fortleben” seines Werks „in einer neuen Generation” sorgen kann. Beim Ringen um die Besetzung eines der wichtigsten germanistischen Lehrstühle, der Nachfolge Franz Munckers in München, führt Hofmannsthal in seinem entscheidenden Einsatz für Brecht vor allem an: Brecht sei ein „wahrer akademischer Lehrer reinsten Gepräges”.
Nichts wichtiger als die Haltung
Offensichtlich war für Hofmannsthal Brechts Talent zu lebendiger Vermittlung entscheidend. Die Frage, was er selbst zu sagen hatte, ließ sich demgegenüber zurückstellen. Hofmannsthals positive Urteile über Brechts Arbeiten zeugen denn auch bisweilen von eher oberflächlicher Lektüre oder fallen mehr als lakonisch aus. Im Blick auf Brechts Vortrag „Die Vorläufer von Hofmannsthals Jedermann” heißt es etwa: „Lieber Herr Professor, vielen Dank für den Vortrag. Ich finde ihn ausgezeichnet; reich an Hinweisen und Ausblicken, und dabei knapp.” Mit anderen Worten: Hofmannsthal kommt es vor allem auf die „Haltung” an, mit der Brecht seinem Werk gegenüber tritt. Um des Exemplarischen dieser Haltung willen plante Hofmannsthal sogar einen Aufsatz über seinen Interpreten für die „Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte”, der allerdings in den Notizen stecken blieb. Darin wollte Hofmannsthal versuchen, die „Eigenart” Brechts herauszuarbeiten: „wie er nicht ein Litterarhistoriker ist, sondern ein unendlich empfindender Betrachter des Geisteslebens der Nation, das lebt und webt in der Sprache; wie er den Sinn hat für das verborgen Wirksame, das sich- Kreuzende, das verschwiegen sich Andeutende, für die Zeichen . . .”. Immer wieder taucht im Briefwechsel dieses Ethos auf, das die deutsche Philologie seit ihren Anfängen bestimmt. Dabei geht es Hofmannsthal um den „zarten” und „behutsamen” Umgang mit den literarischen Gegenständen, um die Investition „beständiger unermüdlicher Arbeit” und um den „beharrlichen u. eindringenden Antheil”, den Brecht an Hofmannsthals Werk nimmt.
Die Geistesgeschichte verfeinert bei allem übergroßen Sinn für epochale Zusammenhänge die Aufmerksamkeitsformen, welche die Gründerväter der Germanistik von Karl Lachmann bis Wilhelm Scherer ausgebildet hatten. Indem Brecht die Analyse des „Einflusses” durch das Sensorium für „jenes Comunicieren webender Kräfte” ersetzt, „das eben den Geist einer Zeit ausmacht”, wird er für Hofmannsthal zum „Mann der strengen Wissenschaft u. Hüter des Überkommenen”, der sich „zugleich so völlig offen für das Neue” zeigt, „das sich ans große Alte anfügen will”.
Auf dieser Ebene entdeckt Hofmannsthal „zwischen der Verhaltensweise der neueren Wissenschaft” und „einem Etwas in meiner Production” eine geheimnisvolle Liaison. Und umgekehrt findet Brecht in Hofmannsthals Werk die philologische Grundtugend: Der „Chandos”-Brief erscheint ihm als Dokument einer „Andacht zum Kleinen u. ‚Unbedeutenden‘”.STEFFEN MARTUS
HUGO VON HOFMANNSTHAL / WALTHER BRECHT: Briefwechsel. Mit Briefen Hugo von Hofmannsthals an Erika Brecht. Herausgegeben von Christoph König und David Oels. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 222 Seiten, 30 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als überaus verdienstvoll preist Hans-Albrecht Koch erst einmal generell viele der Publikationen der Marbacher "Forschungsstelle für Germanistik". Diese nun, den Briefwechsel zwischen Hugo von Hofmannsthal und dem Literaturprofessor Walther Brecht, zählt er ausdrücklich dazu. Es lässt sich darin, stellt er fest, sowohl für die Geschichte der Germanistik wie über den Dichter Hofmannsthal so manches lernen. Brecht etwa war dem Dichter dankbar, dass dieser ihm in sozialer Not einen Mantel besorgen konnte. Und Hofmannsthal war zwar voller Sympathie für Brecht, aber dessen Anspruch auf auch nur annähernde Gleichrangigkeit von "zergliedernder Analyse und aus dem Leben geschaffenem Werk" hat er stets und hierarchiebewusst zurückgewiesen. Den beigefügten Kommentar lobt der Rezensent als "gründlich".

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