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Die Korrespondenz zwischen Albert Einstein, dem bedeutendsten Naturforscher der Neuzeit und Physik-Nobelpreisträger von 1921, und Moritz Schlick, dem Begründer des »Wiener Kreises«, erscheint mit dieser Ausgabe erstmals vollständig und durchgehend kommentiert.Die Edition liefert einzigartige Aufschlüsse über die intensiven Debatten zwischen Wissenschaft und Philosophie, die ausgelöst wurden durch die Relativitäts- und Quantentheorie und bis heute unser Naturverständnis entscheidend prägen. Daneben zeugen die Briefe von einer zunehmenden Vertrautheit zwischen den beiden Protagonisten und…mehr

Produktbeschreibung
Die Korrespondenz zwischen Albert Einstein, dem bedeutendsten Naturforscher der Neuzeit und Physik-Nobelpreisträger von 1921, und Moritz Schlick, dem Begründer des »Wiener Kreises«, erscheint mit dieser Ausgabe erstmals vollständig und durchgehend kommentiert.Die Edition liefert einzigartige Aufschlüsse über die intensiven Debatten zwischen Wissenschaft und Philosophie, die ausgelöst wurden durch die Relativitäts- und Quantentheorie und bis heute unser Naturverständnis entscheidend prägen. Daneben zeugen die Briefe von einer zunehmenden Vertrautheit zwischen den beiden Protagonisten und gewähren einige unverstellte Einblicke in ihre persönlichen Lebensumstände während des Ersten Weltkriegs bis hin zum Ende der Weimarer Republik und des Roten Wiens. Durch ihre Aktivitäten haben Einstein und Schlick zur Vertiefung einer engen Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Philosophie beigetragen, aber auch den Aufbau politisch und gesellschaftlich wirksamer Institutionen mitbestimmt. Wenige Monate nach der Machtübernahme Hitlers bricht der Briefwechsel ab. Einstein emigriert kurze Zeit später in die USA und Schlick wird 1936 auf den Stufen der Universität Wien ermordet. Die Briefe dokumentieren so zugleich das Ende der Epoche einer wissenschaftlichen Philosophie, die gerade durch die Arbeiten Einsteins und Schlicks einen ihrer Höhepunkte erlebte.
Autorenporträt
Moritz Schlick (1882-1936) gilt als einer der wichtigsten Vertreter der modernen Wissenschaftsphilosophie und naturalistischen Metaethik. Nach seiner Berufung nach Wien 1922 auf den Lehrstuhl für Naturphilosophie in der Nachfolge von Ernst Mach und Ludwig Boltzmann entstand aus einem privaten Diskussionszirkel um Schlick der weltberühmte 'Wiener Kreis'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2022

Klare Begriffe schaden auch nicht in der Physik

Raumzeitliches: Der Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Moritz Schlick in einer exzellenten Edition.

Hoch geehrter Herr Kollege! Ich habe gestern Ihre Abhandlung erhalten und bereits vollkommen durchstudiert. Sie gehört zu dem Besten, was bisher über Relativität geschrieben worden ist. Von philosophischer Seite scheint überhaupt nichts annähernd so Klares über den Gegenstand geschrieben zu sein." So beginnt am 14. Dezember 1915 Albert Einstein, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Professor ohne Lehrverpflichtung an der Universität Berlin, einen Brief an einen Privatdozenten für Philosophie an der Universität Rostock namens Moritz Schlick. Dieser ist kaum drei Jahre jünger als Einstein und durchaus auch eine der großen Gelehrtengestalten des zwanzigsten Jahrhunderts. Nachdem er 1922 Professor in Wien geworden war, gründete Schlick einen Diskussionszirkel, der als "Wiener Kreis" Philosophiegeschichte geschrieben hat. Praktisch die gesamte heutige analytische Philosophie lässt sich auf die eine oder andere Weise auf Mitglieder des Wiener Kreises zurückverfolgen oder auf den für diesen wichtigen Ludwig Wittgenstein.

Nur im Zusammenhang mit Einstein dürften auch manche Philosophieinteressierte noch nie auf den Namen Schlick gestoßen sein. Jedenfalls nicht vor 2019, als Fynn Ole Engler von der Universität Rostock eine kommentierte Ausgabe von Schlicks Texten zur Relativitätstheorie herausgegeben hat - darunter auch der Fachartikel, den der oben zitierte Brief erwähnt. Es ist der früheste von rund fünfzig erhaltenen Schreiben, die Einstein und Schlick zwischen Dezember 1915 und Mai 1933 gewechselt haben und die Engler nun zusammen mit dem Rostocker Philosophen Mathias Iven sowie Jürgen Renn vom Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte sorgfältig ediert, eingeleitet und um eine Reihe weiterer Dokumente zum Verhältnis der beiden Gelehrten ergänzt hat. Engler, Iven und Renn machen damit eine Korrespondenz zugänglich, die nicht nur Physikphilosophiehistoriker interessieren dürfte.

Denn diese Briefe machen auch so manche Facette aus dem Wissenschaftsbetrieb der Zwischenkriegszeit lebendig und natürlich auch die Persönlichkeiten der beiden Protagonisten. So heben diese sich schon stilistisch deutlich voneinander ab. Während Einstein bald nach einem Besuch in Rostock zum vertraulichen "Lieber Herr Schlick" übergeht und seine Briefe spritzig bis launig hält, bleibt Schlick in seiner Anrede an Einstein noch als Wiener Ordinarius bei Variationen von "Hochverehrter Herr Professor" und formuliert in einem geschliffenen Ton der Verehrung, der heutigen Lesern fast schon unterwürfig erscheinen kann. Das ändert sich erst zu Beginn der 1930er, als die beiden sich seltener schreiben und philosophische Differenzen aufgebrochen waren.

Von denen ist anfangs nichts zu spüren. Im Dezember 1915 hatte Einstein gerade erst seine Allgemeine Relativitätstheorie vollendet. Schon die zehn Jahre zuvor veröffentlichte spezielle Relativitätstheorie verlangte eine völlig neue und mit der kantianischen Orthodoxie unvereinbare Sicht auf die Begriffe Zeit und Raum. In Schlick, der selbst ausgebildeter Physiker war und bei Max Planck promoviert hatte, fand Einstein nun jemanden, der ihm nicht nur physikalisch zu folgen vermochte - das konnten oder wollten damals selbst einige von Einsteins Fachkollegen nicht -, sondern der auch erkannte und sich dafür interessierte, welche philosophischen Konsequenzen sich aus der neuen Theorie ergaben. Der Briefwechsel bis etwa 1920 legt sogar nahe, dass Einstein seine eigene Theorie begrifflich erst durch den Austausch mit Schlick so recht durchdrang - ein Austausch allerdings, der in den erhaltenen Briefen nur zu einem vermutlich winzigen Teil dokumentiert ist.

"Ein ordentlicher theoretischer Physiker muss ein wenig, ja vielleicht sogar ziemlich viel Philosoph sein", schrieb Max Born, einer der Väter der Quantentheorie, 1919 an Schlick. Und tatsächlich galt das in besonderem Maße für Einstein. Der hatte bereits als Dreizehnjähriger alle drei Kritiken Immanuel Kants gelesen und bekannte offen, wie wichtig die Lektüre der Schriften der Empiristen David Hume und Ernst Mach für seine Arbeit an der Relativitätstheorie gewesen waren. Mit Schlick aber hatte Einstein nun einen zeitgenössischen Denker, mit dem er auf der Grundlage einer gemeinsamen Kant-kritischen Position in Dialog treten konnte und der es überdies verstand, die Dinge auf den Punkt zu bringen. "Sie sind wirklich ein Künstler der Darstellung", schrieb er an Schlick Ende 1918 - und dabei war Einstein selbst jemand, der sich bestens auf allgemeinverständliche Erklärungen verstand. Für Schick war diese Wertschätzung des von ihm auch menschlich verehrten Einstein sicher auch eine Quelle professionellen Selbstbewusstseins, die ihm über seine Schwierigkeiten hinweghalf, im neukantianisch dominierten Deutschland eine Professur zu bekommen. Und so schrieb er im Sommer 1917 an seine Frau: "Er [Einstein] scheint wirklich zu denken, dass Pappi überhaupt der wunderbarste Philosoph der Gegenwart ist."

Doch die Gelehrtenfreundschaft war nicht von Dauer. Zwei Gründe oder zumindest Anlässe für die Entfremdung deuten sich dem Leser des Briefwechsels an: die Quantentheorie und Wittgenstein. In den Jahren, nachdem Einstein 1923 in seinem nachgeholten Nobelpreisvortrag die Vereinigung von Elektromagnetismus und Allgemeiner Relativitätstheorie zu einer umfassenden klassischen Feldtheorie propagiert hatte, ging aus der Atomtheorie Niels Bohrs die Quantenmechanik hervor. Einstein hatte am Ende daran keinen geringen Anteil - allerdings in der Rolle des Advocatus Diaboli, des pfiffigen, aber weltanschaulich festgelegten Gegners einer fundamental nichtdeterministischen Theorie, der die Quantenmechaniker mit scharfsinnigen Einwänden dazu zwang, sich über ihre eigenen Aussagen klarer zu werden. Doch Einsteins Sparringspartner waren nun Bohr und sein Kreis, aber keine akademischen Philosophen wie Schlick.

Dessen Interessen hatten sich zudem verschoben. "In der gegenwärtigen Physik auf dem laufenden zu bleiben, fällt mir äußerst schwer", schrieb Moritz Schlick Anfang Juni 1927 an Albert Einstein. "Schrödinger hat hier vor Monaten einen sehr schönen Vortrag gehalten, aber, wie ich höre, billigen Sie seine Interpretation nicht. Ich bin, außer in ethische Gedankengänge, seit langem in die neue Logik (Frege, Russell, Wittgenstein) verstrickt und stehe bewundernd vor der großen Gedankenarbeit, die dort geleistet ist und von der ich mir nichts geringeres verspreche als eine gänzliche Reform - nämlich eine völlige Überwindung, Entbehrlichmachung - der Philosophie." Und sechs Wochen später berichtet Schlick Einstein nach einem vorsichtigen "Ich weiß nicht, ob es Sie interessiert ..." begeistert von Wittgenstein. Dessen "Tractatus" nennt er das "tiefste und wahrste Buch der neueren Philosophie überhaupt" und seinen Verfasser eine "Künstlernatur von hinreißender Genialität und die Diskussion mit ihm gehört zu den gewaltigsten Erfahrungen meines Lebens".

Aber Einstein interessierte es nicht. Jedenfalls ist keine Erwiderung von ihm darauf erhalten. Um Philosophie geht es in dem Briefwechsel danach nur noch ein einziges Mal, Ende November 1930, als Einstein auf die Zusendung von Schlicks Aufsatz "Die Kausalität in der gegenwärtigen Physik" reagiert. Obgleich Einstein darin die Quantentheorie als heuristischen Ansatz sogar verteidigt und Schlick zum Beispiel nicht in der Auffassung folgen will, der Begriff "statistisches Gesetz" sei widersprüchlich, spricht er ihr ab, ein "Modell der realen Welt" zu sein. Schlicks Kritik an der Quantentheorie geht ihm da gerade in die falsche Richtung: "Allgemein betrachtet entspricht Ihre Darstellung insofern nicht meiner Auffassungsweise, als ich Ihre ganze Auffassung sozusagen zu positivistisch finde."

Trotz der fachlichen Entfremdung blieb das persönliche Verhältnis der beiden herzlich, "Mein Mann liebt Sie doch, wie kaum sonst einen Kollegen!", schrieb Elsa Einstein an Schlick im Mai 1932. Und es wird berichtet, dass der Schöpfer der Relativitätstheorie vier Jahre später unendlich traurig war, als er erfuhr, dass ein geistesgestörter Student Moritz Schlick erschossen hatte. ULF VON RAUCHHAUPT

Albert Einstein, Moritz Schlick: "Briefwechsel".

Eingeleitet, kommentiert und herausgegeben von F. O. Engler, M. Iven und J. Renn. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2022. 192 S., br., 24,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Ulf von Rauchhaupt trifft in diesem Briefwechsel zwei große Gelehrte des 20. Jahrhunderts. Die Briefe, die Albert Einstein und Moritz Schlick zwischen 1915 und 1933 wechselten, machen ihm den Wissenschaftsbetrieb der Zeit lebendig und zeichnen Porträts der beiden Wissenschaftler. Nicht nur für Philosophiehistoriker interessant erscheint dem Rezensenten, was die um begleitende Dokumente bereicherte "sorgfältige" Edition zu bieten hat. Wie Einstein seine Relativitätstheorie mit Hilfe des Briefpartners begrifflich durchdrang, lässt sich hier laut Rauchhaupt ebenso nachvollziehen wie die allmähliche Entfremdung der beiden Schreibenden über Fragen der Quantentheorie und Wittgenstein.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine« Ulf von Rauchhaupt in der FAZ vom 13.05.22.