Der Briefwechsel zwischen Rudolf Carnap und Otto Neurath ist ein Schlüsseldokument zur Geschichte des logischen Empirismus. Er illustriert die Entwicklung der Debatten im Wiener Kreis und in der nachfolgenden Emigration, gewährt Einblicke in Netzwerk und Umfeld dieser höchst einflussreichen philosophischen Bewegung und macht politische Motive seiner Hauptrepräsentanten deutlich.Carnap und Neurath zählten zu den wichtigsten Vertretern des sog. »Wiener Kreises«, der die Philosophie des 20. Jahrhunderts entscheidend und weit über die deutschsprachigen Länder hinaus beeinflusste. Ihre reichhaltige…mehr
Der Briefwechsel zwischen Rudolf Carnap und Otto Neurath ist ein Schlüsseldokument zur Geschichte des logischen Empirismus. Er illustriert die Entwicklung der Debatten im Wiener Kreis und in der nachfolgenden Emigration, gewährt Einblicke in Netzwerk und Umfeld dieser höchst einflussreichen philosophischen Bewegung und macht politische Motive seiner Hauptrepräsentanten deutlich.Carnap und Neurath zählten zu den wichtigsten Vertretern des sog. »Wiener Kreises«, der die Philosophie des 20. Jahrhunderts entscheidend und weit über die deutschsprachigen Länder hinaus beeinflusste. Ihre reichhaltige und lebendige Korrespondenz ist ein eindrucksvolles Dokument der philosophischen Freundschaft zweier grundverschiedener Persönlichkeiten. Die Briefe berühren neben Fragen der Einheitswissenschaft, des Physikalismus und der Protokollsatzdiskussion auch allgemeine (philosophie-)historische Reflexionen, wissenschaftsorganisatorische Fragen und die Schwierigkeiten eines Lebens im Exil. Ab 1939 wechselten die Korrespondenzpartner die Sprache und schrieben sich auf Englisch.Aus den rund 600 erhaltenen Briefen wurden die philosophisch, historisch und biografisch relevanten ausgewählt und durch Einleitung, Kommentare, Bibliografie und Register erschlossen. Auch Neuraths berühmte Elefantenzeichnungen sind im Band mit abgebildet.
Rudolf Carnap wird 1891 in der Nähe von Wuppertal geboren. Er studiert Mathematik, Physik und Philosophie in Freiburg und Jena, wo die Lehrveranstaltungen Freges neben den Schriften Wittgensteins, Russells und Whiteheads große Bedeutung für die Entwicklung seines Denkens erhalten. Die Habilitationsschrift Der logische Aufbau der Welt (1926) wird zu Carnaps erstem Hauptwerk und bringt ihm eine Privatdozentur an der Universität Wien ein. Gleichzeitig wird er von 1931-35 außerordentlicher Professor für Naturphilosophie an der deutschen Universität in Prag. Der Versuch, mit den Mitteln modernen Logik zu zeigen, daß die Basis unserer Wirklichkeitserkenntnis in Wahrnehmungserlebnissen besteht, macht ihn zu einem führenden Vertreter des Logischen Empirismus und des Wiener Kreises. Die Scheinprobleme in der Philosophie zeigen in diesem Zusammenhang die metaphysikkritischen Implikationen der empiristischen Erkenntnistheorie. 1930 gründet er zusammen mit Hans Reichenbach die Zeitschrift Erkenntnis. In der 1934 erscheinenden Logischen Syntax der Sprache wird dann den Versuch unternommen, allgemeine Sprachsysteme mit Hilfe logischer Begriffe zu definieren und auf dieser Basis eine allgemeine Wissenschaftslogik zu entwickeln. 1936 entschließt sich Carnap zur Emigration in die USA, wo er zunächst in Chicago unterrichtet, dann einem Ruf nach Princeton und schließlich nach Los Angeles folgt. Rudolf Carnap stirbt als amerikanischer Staatsbürger 1970 in Kalifornien.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In den rund 600 Briefen, die sich Otto Neurath und Rudolf Carnap über mehr als zwanzig Jahre geschrieben haben, kann Rezensent Michael Hesse einiges über die theoretischen Grundlagen des Wiener Kreises lernen, dem der jüdische Neurath und der pietistische Carnap angehörig waren. Beide haben sich für einen Austromarxismus mit "wissenschaftlichem Fundament" eingesetzt. Neuraths wissenschaftlicher Stil ist dabei nicht nur von Carnap kritisiert worden, der im Gegensatz zu seinem Briefpartner beim Aufkommen des Austrofaschismus eine Festanstellung in Chicago bekommen hat, während jener sich in England durchschlagen musste, wie wir erfahren. Hesse berichtet, dass das wissenschaftliche Prinzip der beiden sich darauf stützt, nur das Wahrnehmbare zu berücksichtigen, der sogenannte "Physikalismus" - ihre Ideen zu Logik und Wissenschaftsethik sind weit über Neuraths Tod 1945 von Bedeutung geblieben, betont der Kritiker, der den Meiner-Verlag dafür lobt, den Briefwechsel herausgegeben zu haben.