Anglo-German relations since 1945 have been generally cordial but subject to bouts of acute tension. This volume by leading historians from both countries examines major political issues and broader contacts between the two societies. It suggests that British perceptions have remained coloured by fears of German dominance, aggravated by the success of the Federal Republic and the relative decline of Britain in the post-war period.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2003Unterschwellige Spannungen
Die deutsch-britischen Beziehungen von 1949 bis 1990
Jeremy Noakes / Peter Wende / Jonathan Wright (Herausgeber): Britain and Germany in Europe 1949-1990. Oxford University Press, Oxford 2002. 398 Seiten, 95,72 [Euro].
Vor kurzem hielt es der deutsche Botschafter in London für geboten, in einer englischen Zeitung für einen weniger vorurteilsbeladenen Umgang mit Deutschland zu plädieren. Der Anlaß waren wiederholte Vorfälle, bei denen Deutsche in England als Nazis beschimpft und angegriffen wurden. Wie sind solche Vorkommnisse zu erklären? Der Sammelband zu den Beziehungen zwischen Großbritannien und der "alten" Bundesrepublik sowie am Rande auch der DDR gibt Hinweise, wo eine schlüssige Antwort zu finden sein könnte. Parallel zur Kooperation beider Staaten im westeuropäisch-atlantischen Verbund lassen sich unterschwellige Spannungen ausmachen. Germanophobie sei, so einer der britischen Herausgeber, ein durchaus akzeptierter Bestandteil des öffentlichen Redens über Deutschland. Wahre Rauschzustände werden erreicht, wenn die Fußballnationalmannschaften gegeneinander antreten und das Match zum "Ersatzkrieg" wird.
Im Zentrum des Buches steht jedoch nicht die eingehende Beschäftigung mit den Stereotypen und Bildern, die auf dem politischen Massenmarkt anzutreffen sind und die die Sicht des anderen prägen. Die Autoren untersuchen die wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen vor allem auf der Ebene der Eliten in Politik, Wirtschaft und Kultur, wo ein interessengeleitetes und politisch korrektes Verhalten die Regel ist. Themenschwerpunkte sind die europäische Integration, die Sicherheitspolitik im Rahmen der Nato, die deutsche Frage, Wirtschaft und Finanzen sowie wissenschaftliche und kulturelle Beziehungen.
Als die Bundesrepublik gegründet wurde, war sie ein besetztes Land, dem ein wesentliches Merkmal von Staatlichkeit, die Souveränität, fehlte. Großbritannien dagegen war zu diesem Zeitpunkt noch eine Weltmacht und zudem eine der vier Besatzungsmächte in Deutschland. Aus britischer Sicht mochte es scheinen, daß die Entwicklung in den fünfziger und sechziger Jahren die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs auf den Kopf stellte. Die Deutschen kamen (zu) rasch wieder hoch, während die britische Selbstwahrnehmung als Großmacht und Wirtschaftsstandort vom Gefühl des Niedergangs geprägt war. Hatten sich die Herrschsucht und Aggressivität der Deutschen wirklich gelegt? Bis hin zu Margaret Thatcher, die 1989/90 die Wiederherstellung des deutschen Nationalstaates als Gefahr empfand, stellten sich viele in Großbritannien immer wieder diese Frage. Sie ist im historischen Kontext der beiden Weltkriege zu verstehen, als Deutschland die Axt an das Fundament britischer Weltgeltung legte. Sie hatte aber auch stets damit zu tun, durch das Wachhalten einer vermeintlichen Gefahr eigene Schwächen kompensieren zu können.
Es kam hinzu, daß sich die Bundesrepublik vorrangig nicht an Großbritannien orientierte. Von überragender Bedeutung waren vielmehr die Vereinigten Staaten, die von der wirtschaftlichen Reintegration und der Wiederbewaffnung über die Ostpolitik bis hin zur Wiedervereinigung entweder die entscheidenden Impulse gaben oder unverzichtbare Verbündete waren. An zweiter Stelle stand Frankreich, dessen Europa-Politik den Interessen der jungen Bundesrepublik geradezu optimal entsprach. Bonn fand über Europa in die westliche Welt zurück, während Großbritannien dem Projekt Europa lange fernblieb und im Vertrauen auf die special relationship mit den Vereinigten Staaten an seiner weltpolitischen Rolle festzuhalten versuchte. Harold Macmillan, Premierminister von 1957 bis 1963, vermochte zudem in der europäischen Integration nicht die vorteilhafte Einbindung und Kontrolle des deutschen Potentials zu sehen, sondern sprach von der Gefahr einer von der Bundesrepublik dominierten Union.
Auf dem Feld der Sicherheitspolitik spielte dieses Wahrnehmungsmuster dagegen keine Rolle. Immerhin stand Großbritannien nicht nur an der Wiege der westdeutschen Nachkriegsdemokratie, sondern war nach dem Scheitern der EVG auch ein maßgeblicher Motor in den Verhandlungen, die zur Aufnahme der Bundesrepublik in die Nato führten. Die militärische Integration der Bundesrepublik wurde fortan als wirkungsvolles Instrument zu deren Bindung an den Westen, aber auch zu deren Eindämmung verstanden. Die Vereinigten Staaten "drin", die Sowjetunion draußen und die Deutschen unter Kontrolle halten - so lautete bekanntermaßen die britische Begründung für die Nato. Daß die deutsche Seite darin letztlich keine Diskriminierung, sondern eine Chance zur Partizipation sah, führte im deutsch-britischen Verhältnis zu einer "stillen Allianz", die sich auch auf die Planung im Nuklearbereich erstreckte und seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als Großbritannien seine Position "östlich von Suez" aufgab und sich Europa zuwandte, die bilateralen Beziehungen deutlich intensivierte.
GOTTFRIED NIEDHART
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die deutsch-britischen Beziehungen von 1949 bis 1990
Jeremy Noakes / Peter Wende / Jonathan Wright (Herausgeber): Britain and Germany in Europe 1949-1990. Oxford University Press, Oxford 2002. 398 Seiten, 95,72 [Euro].
Vor kurzem hielt es der deutsche Botschafter in London für geboten, in einer englischen Zeitung für einen weniger vorurteilsbeladenen Umgang mit Deutschland zu plädieren. Der Anlaß waren wiederholte Vorfälle, bei denen Deutsche in England als Nazis beschimpft und angegriffen wurden. Wie sind solche Vorkommnisse zu erklären? Der Sammelband zu den Beziehungen zwischen Großbritannien und der "alten" Bundesrepublik sowie am Rande auch der DDR gibt Hinweise, wo eine schlüssige Antwort zu finden sein könnte. Parallel zur Kooperation beider Staaten im westeuropäisch-atlantischen Verbund lassen sich unterschwellige Spannungen ausmachen. Germanophobie sei, so einer der britischen Herausgeber, ein durchaus akzeptierter Bestandteil des öffentlichen Redens über Deutschland. Wahre Rauschzustände werden erreicht, wenn die Fußballnationalmannschaften gegeneinander antreten und das Match zum "Ersatzkrieg" wird.
Im Zentrum des Buches steht jedoch nicht die eingehende Beschäftigung mit den Stereotypen und Bildern, die auf dem politischen Massenmarkt anzutreffen sind und die die Sicht des anderen prägen. Die Autoren untersuchen die wechselseitigen Beziehungen und Wahrnehmungen vor allem auf der Ebene der Eliten in Politik, Wirtschaft und Kultur, wo ein interessengeleitetes und politisch korrektes Verhalten die Regel ist. Themenschwerpunkte sind die europäische Integration, die Sicherheitspolitik im Rahmen der Nato, die deutsche Frage, Wirtschaft und Finanzen sowie wissenschaftliche und kulturelle Beziehungen.
Als die Bundesrepublik gegründet wurde, war sie ein besetztes Land, dem ein wesentliches Merkmal von Staatlichkeit, die Souveränität, fehlte. Großbritannien dagegen war zu diesem Zeitpunkt noch eine Weltmacht und zudem eine der vier Besatzungsmächte in Deutschland. Aus britischer Sicht mochte es scheinen, daß die Entwicklung in den fünfziger und sechziger Jahren die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs auf den Kopf stellte. Die Deutschen kamen (zu) rasch wieder hoch, während die britische Selbstwahrnehmung als Großmacht und Wirtschaftsstandort vom Gefühl des Niedergangs geprägt war. Hatten sich die Herrschsucht und Aggressivität der Deutschen wirklich gelegt? Bis hin zu Margaret Thatcher, die 1989/90 die Wiederherstellung des deutschen Nationalstaates als Gefahr empfand, stellten sich viele in Großbritannien immer wieder diese Frage. Sie ist im historischen Kontext der beiden Weltkriege zu verstehen, als Deutschland die Axt an das Fundament britischer Weltgeltung legte. Sie hatte aber auch stets damit zu tun, durch das Wachhalten einer vermeintlichen Gefahr eigene Schwächen kompensieren zu können.
Es kam hinzu, daß sich die Bundesrepublik vorrangig nicht an Großbritannien orientierte. Von überragender Bedeutung waren vielmehr die Vereinigten Staaten, die von der wirtschaftlichen Reintegration und der Wiederbewaffnung über die Ostpolitik bis hin zur Wiedervereinigung entweder die entscheidenden Impulse gaben oder unverzichtbare Verbündete waren. An zweiter Stelle stand Frankreich, dessen Europa-Politik den Interessen der jungen Bundesrepublik geradezu optimal entsprach. Bonn fand über Europa in die westliche Welt zurück, während Großbritannien dem Projekt Europa lange fernblieb und im Vertrauen auf die special relationship mit den Vereinigten Staaten an seiner weltpolitischen Rolle festzuhalten versuchte. Harold Macmillan, Premierminister von 1957 bis 1963, vermochte zudem in der europäischen Integration nicht die vorteilhafte Einbindung und Kontrolle des deutschen Potentials zu sehen, sondern sprach von der Gefahr einer von der Bundesrepublik dominierten Union.
Auf dem Feld der Sicherheitspolitik spielte dieses Wahrnehmungsmuster dagegen keine Rolle. Immerhin stand Großbritannien nicht nur an der Wiege der westdeutschen Nachkriegsdemokratie, sondern war nach dem Scheitern der EVG auch ein maßgeblicher Motor in den Verhandlungen, die zur Aufnahme der Bundesrepublik in die Nato führten. Die militärische Integration der Bundesrepublik wurde fortan als wirkungsvolles Instrument zu deren Bindung an den Westen, aber auch zu deren Eindämmung verstanden. Die Vereinigten Staaten "drin", die Sowjetunion draußen und die Deutschen unter Kontrolle halten - so lautete bekanntermaßen die britische Begründung für die Nato. Daß die deutsche Seite darin letztlich keine Diskriminierung, sondern eine Chance zur Partizipation sah, führte im deutsch-britischen Verhältnis zu einer "stillen Allianz", die sich auch auf die Planung im Nuklearbereich erstreckte und seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als Großbritannien seine Position "östlich von Suez" aufgab und sich Europa zuwandte, die bilateralen Beziehungen deutlich intensivierte.
GOTTFRIED NIEDHART
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