Der Missbrauch hatte System. Im Frühjahr 2010 wurde bekannt, dass geistliche Erzieher am Kloster Ettal ihnen anvertraute Internatsschüler über Jahrzehnte seelisch wie körperlich misshandelt und sexuell missbraucht hatten. Die Mönche kündigten an, alle Fälle gnadenlos aufzuklären. Wie sieht die Wahrheit aus? In ihrer Dimension stellten die Berichte über die bayerische Benediktinerabtei einen traurigen Höhepunkt unter all den Schreckensnachrichten aus konfessionellen Erziehungseinrichtungen dar, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Wie konnte es geschehen, dass sich ein scheinbar so gottesfürchtiges Idyll vor der malerischen Kulisse der Alpen für so viele Kinder und Jugendliche als Ort des Grauens entpuppte? Bastian Obermayer und Rainer Stadler haben mit mehr als 50 ehemaligen Schülern gesprochen, die teilweise bis heute unter dem Trauma ihrer Schulzeit leiden. Sie trafen Eltern, Lehrer und Erzieher, die Verantwortlichen des Klosters, Psychologen, Theologen und Sozialwissenschaftler. Sie suchten die Tatorte auf und sichteten unzählige Dokumente aus dieser Zeit. Die Bruchstücke fügen sich zu einem Bild zusammen, das allen reflexartigen Erklärungsversuchen für die damaligen Vorfälle widerspricht. Denn verantwortlich sind nicht - wie von der Klosterleitung wiederholt behauptet - vom rechten Weg abgekommene Einzeltäter; vielmehr hatten Gewalt und Missbrauch am Kloster Ettal System.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2011Unter Brüdern
Von SZ-Autoren: Bastian Obermayer
und Rainer Stadler über Missbrauch
Im Frühjahr 2010 berichteten die Medien fast täglich über katholische Geistliche, die Kinder und Jugendliche misshandelt oder missbraucht hatten. Trotz unzähliger Details, die bekannt wurden, blieb eine wesentliche Frage offen: Wie konnte es passieren, dass die Geistlichen alles verrieten, wofür die Kirche zu stehen vorgibt? Am Beispiel des Klosterinternats Ettal zeichnen die SZ-Magazin-Redakteure Bastian Obermayer und Rainer Stadler nach, wie das Personal einer Eliteanstalt an seinem Erziehungsauftrag scheiterte und seine Macht nutzte, um Schüler zu unterdrücken und zu quälen. Anhand von ausführlichen Gesprächen mit Zeitzeugen und klosterinternen Dokumenten rekonstruieren die Autoren den Internatsalltag in den Jahren 1950 bis 1990 – ein Alltag, der sich, so die Autoren, jeder Kontrolle von außen entzogen und aus dem es für die Schüler kein Entrinnen gegeben habe. Denn die Verbrechen der Mönche seien der Klosterleitung, den Mitarbeitern und sogar Eltern bekannt gewesen, doch die Täter gedeckt und ihre Taten verschwiegen worden, um den guten Ruf Ettals zu schützen. In Kirchenkreisen wird oft argumentiert, für die Exzesse der Vergangenheit seien nur wenige Einzeltäter verantwortlich. Dieser Ansicht widersprechen die Autoren: Zumindest in Ettal hätten Gewalt und Missbrauch System gehabt.
SZ
BASTIAN OBERMAYER, RAINER STADLER: Bruder was hast Du getan? Kloster Ettal. Die Täter, die Opfer, das System. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 282 Seiten, 18,99 Euro.
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Von SZ-Autoren: Bastian Obermayer
und Rainer Stadler über Missbrauch
Im Frühjahr 2010 berichteten die Medien fast täglich über katholische Geistliche, die Kinder und Jugendliche misshandelt oder missbraucht hatten. Trotz unzähliger Details, die bekannt wurden, blieb eine wesentliche Frage offen: Wie konnte es passieren, dass die Geistlichen alles verrieten, wofür die Kirche zu stehen vorgibt? Am Beispiel des Klosterinternats Ettal zeichnen die SZ-Magazin-Redakteure Bastian Obermayer und Rainer Stadler nach, wie das Personal einer Eliteanstalt an seinem Erziehungsauftrag scheiterte und seine Macht nutzte, um Schüler zu unterdrücken und zu quälen. Anhand von ausführlichen Gesprächen mit Zeitzeugen und klosterinternen Dokumenten rekonstruieren die Autoren den Internatsalltag in den Jahren 1950 bis 1990 – ein Alltag, der sich, so die Autoren, jeder Kontrolle von außen entzogen und aus dem es für die Schüler kein Entrinnen gegeben habe. Denn die Verbrechen der Mönche seien der Klosterleitung, den Mitarbeitern und sogar Eltern bekannt gewesen, doch die Täter gedeckt und ihre Taten verschwiegen worden, um den guten Ruf Ettals zu schützen. In Kirchenkreisen wird oft argumentiert, für die Exzesse der Vergangenheit seien nur wenige Einzeltäter verantwortlich. Dieser Ansicht widersprechen die Autoren: Zumindest in Ettal hätten Gewalt und Missbrauch System gehabt.
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BASTIAN OBERMAYER, RAINER STADLER: Bruder was hast Du getan? Kloster Ettal. Die Täter, die Opfer, das System. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 282 Seiten, 18,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Die Ordensbrüder vom Kloster Ettal haben die SZ-Journalisten Bastian Obermayer und Rainer Stadler zwar nicht zum Reden über die Missbrauchsfälle gebracht, die es seit den 1950er Jahren im Benediktinerinternat gegeben hat, muss Nina Apin feststellen. Dafür haben sie in ihrem viel diskutierten Buch aber ausgiebig mit den Opfern gesprochen, so die Rezensentin. Zudem arbeiten die Autoren die Funktionsmechanismen heraus, die es den Klosterbrüdern über einen so langen Zeitraum ermöglichte, physische und sexuelle Misshandlung in derart großer Zahl auszuüben, ohne dass eingeschritten worden wäre. Für Stadler und Obermayer sind die Gründe hierfür zum einen in der "totalen Isolation" zu suchen, die den Mönchen in der systematischen Absonderung von Familie und Umgebung die vollständige Kontrolle über ihre Zöglinge gab, erklärt Apin. Zum anderen sehen die Autoren jahrhundertelange wirtschaftliche Abhängigkeit und die strenge Ordenshierarchie als maßgeblich dafür an, dass Missbrauch an der Klosterschule so lange ungestört betrieben werden konnte, so die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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» Bruder, was hast Du getan ist eine erschreckende und zugleich aufklärende Analyse des destruktiven kirchlichen Machtsystems am Beispiel des Kloster Ettal.« Publik-Forum 20111021