Teil zwei des packenden und immer wieder überraschenden Thrillerdoppelpacks
Meine Meinung:
„Ich wusste nicht mehr, wem ich trauen konnte, und ebenso wenig, wer leben durfte und wer sterben musste.“ (S. 263)
Inhaltlich knüpft „Bruderlüge“ nahtlos an „Schwesterherz“ an und auch der eher
ungewöhnliche Schreibstil bleibt entsprechend vorhanden, denn der Protagonist Martin Benner erzählt…mehrTeil zwei des packenden und immer wieder überraschenden Thrillerdoppelpacks
Meine Meinung:
„Ich wusste nicht mehr, wem ich trauen konnte, und ebenso wenig, wer leben durfte und wer sterben musste.“ (S. 263)
Inhaltlich knüpft „Bruderlüge“ nahtlos an „Schwesterherz“ an und auch der eher ungewöhnliche Schreibstil bleibt entsprechend vorhanden, denn der Protagonist Martin Benner erzählt seine obskuren Erlebnisse einer Journalistin, die hier die Rolle einer Chronistin übernimmt. Entsprechend wird die Geschichte durchweg aus der Ich-Perspektive Benners erzählt, die einen tiefen Einblick in den Charakter und die Denkweise des Protagonisten erlaubt, gleichzeitig aber die tatsächlichen Gefühle, inneren Motivationen und Absichten aller anderen, teilweise sehr zwielichtigen Charaktere entsprechend im Verborgenen lässt. Hierdurch schafft es die Autorin fast perfekt, dass man als Leser im Verlauf der Geschichte nahezu keinem anderen Charakter mehr über den Weg traut. Wie bereits im ersten Band bleibt der Charakter Benners selbst ungewöhnlich und polarisierend („Ich war ein Reiseleiter des Todes.“ - S. 266). Auf der einen Seite seine anscheinend unüberwindbare Egozentrik und sein Hang zu Alleingängen und Spontanhandlungen, auf der anderen Seite seine schon fast väterliche Fürsorge für seine kleine Nichte Belle, was ihn trotz aller Fehler für mich wieder sympathisch und menschlich gemacht hat.
Auch im zweiten Teil bleibt die Autorin ihrem Stil treu und überrascht den Leser mit vielen unvorhergesehenen Wendungen, Orts- und Szenenwechseln. Entsprechend sind Tempo und Spannung das ganze Buch über hinweg auf hohem Niveau und die paranoide Grundstimmung steigert sich nahezu bis ins Unerträgliche. Allerdings kommt dieser Teil nicht ganz an das extrem hohe Niveau des Vorgängerbandes heran, was m.E. daran liegen dürfte, dass die Autorin in „Schwesterherz“ ganz bewusst den Raum genutzt hat, um immer wieder neue Fragen und weitere Zweifel aufzuwerfen und die Geschichte zusehends komplexer werden zu lassen. In „Bruderherz“ hingegen musste die Autorin die losen Stränge langsam zueinander bringen und all die zahlreichen Fragen auflösen.
Letztendlich gelingt es Kristina Ohlsson für meinen Geschmack, ein sehr spannendes Finale mit einigen Überraschungen zu präsentieren und dennoch alles retrograd plausibel zu erklären. Natürlich gibt es bei einer dermaßen verschlungenen und komplexen Geschichte immer Teile der Auflösung, die ein bisschen weiter her geholt zu sein scheinen oder die vielleicht nicht jeden Leser bis ins letzte Detail überzeugen werden, denn die Autorin nutzt hier in einigen Aspekten eine grundsätzliche Gegebenheit der Natur, nämlich das oftmals irrationale Verhalten von Menschen. Durchaus kann man als Leser das Handeln einzelner Charaktere nicht vollständig nachvollziehen, aber dies ist in der realen Welt ja auch leider nur allzu oft der Fall. Ich persönlich bin mit der Auflösung sehr zufrieden, denn die Autorin hat es sich auf der einen Seite nicht zu einfach gemacht, auf der anderen Seite aber auch keine gezwungen und konstruiert wirkende Lösung präsentiert, bei der man den Eindruck hätte haben können, dass sie am Ende selbst nicht mehr gewusst hätte, wie sie ihre Geschichte noch zu einem guten Ende hätte bringen sollen. Für mich ist es insgesamt eine in sich runde und stimmige Auflösung.
FAZIT:
Beide Bände zusammen bilden einen außergewöhnlichen Thriller mit polarisierenden Charakteren, vielen Überraschungen und Sackgassen und einer immer bedrohlicher werdenden paranoiden und gehetzten Grundstimmung. Für mich eines meiner Lese-Highlights dieses Jahres!