Produktdetails
  • Verlag: Belz und Gelberg
  • ISBN-13: 9783407805430
  • ISBN-10: 3407805438
  • Artikelnr.: 23988738
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2011

Süddeutsche Zeitung Junge Bibliothek
Band 17

Frank,
der Träumer
„Brüder wie Freunde“
von Klaus Kordon
Frank hat Glück gehabt, so kurz nach dem Krieg sind alle Verhältnisse durcheinander und instabil. Er aber hat es ganz gut getroffen. An die Bombennächte kann sich der Siebenjährige kaum noch erinnern, die schlimmste Nachkriegsnot ist 1950 auch in Ostberlin überwunden. Seine Mutter liebt ihn, eine Eckkneipe – klein, familiär, Kiezinstitution, typisch Berlin – ernährt die Familie. Das größte Glück aber ist sein Bruder Burkhard, der ist schon vierzehn, der hat einen anderen Nachnamen, weil er einen anderen Vater hatte, dennoch würde Burkie für seinen Halbbruder Frank durchs Feuer gehen. Und Frank bewundert ihn, wie er der Mutter hilft, übers Leben denkt, Fußball spielt. Frank ist ein Träumer, er lebt in seiner Welt. Das wäre wohl noch eine ganze Weile so weitergegangen, wenn seine Mutter nicht unbedingt hätte wieder heiraten wollen. Franks Vater war im Krieg geblieben, und die Jungs würden eines Tages fortgehen. Die Mutter aber, sagt sie, brauche einen, der sie unterstütze. Frank kann das verstehen, Burkie ist überhaupt nicht einverstanden mit dem Mann, den die Mutter sich ausgesucht hat: Onkel Willi, weit über sechzig, hart geworden in den Lebenskämpfen. Und er behält recht. Onkel Willi wollte sich nur ins gemachte Nest setzen. Nun rührt er keine Hand mehr, will bedient werden. Es beginnt ein Kampf, der allen das Leben vergiftet.
Klaus Kordon kennt das Berlin der Nachkriegszeit aus eigenem Erleben, er weiß, wie die Menschen damals Sicherheit und Ruhe suchten, wie die Teilung die Stadt zerriss. Brüder wie Freunde ist denkbar lakonisch geraten und in dieser Lakonie fesselnd. Der Leser spürt rasch, wie das Schicksal Frank beutelt, spürt die Hilflosigkeit – wenn der kleine Bruder mit ansehen muss, wie Onkel Willi Burkhard unterwerfen will, ihn schlägt. Der Leser ist Partei, aber er sieht keinen Ausweg, als alles auf die Katastrophe zurollt. Plötzlich steht Frank allein da, muss aus den Trümmern seiner Klein-Jungen-Welt eine neue errichten, muss erwachsen werden.
Es gibt in diesem Jugendroman über eine Berliner Nachkriegskindheit viel Unglück, Unfreundliches, Gaunereien, aber es gibt keine ausgemachten Schurken, keine Bösewichter, nur Verstreute, Irregeleitete, Entwurzelte. Deren Sicht der Welt, ihre Notlügen, Schummeleien und ihre Lebensgier hält Klaus Kordon fest. Aber er verliert sich nicht ans Detail, so viel Sorgfalt er auch all seinen Nebenfiguren angedeihen lässt. Er schafft es, Szene für Szene den Leser ganz in Franks Welt zu bannen, mit dem er mitfühlt und mit dem er erwachsen wird. Brüder wie Freunde ist der erste Band einer Berliner Nachkriegstrilogie. (ab 12 Jahre) JENS BISKY
Brüder wie Freunde
Illustration: Jan Buchholz
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