Sieben Brüder graben gefährliche Höhlen, spielen mit Feuer und probieren, ob unter die Achseln geklemmte rohe Zwiebeln wirklich so krank machen, dass man am nächsten Tag nicht in die Schule muss. Manchmal darf Bart, der Kleinste, nicht mitmachen, dann ist er sauer. Aber meistens sind die Brüder wie Freunde. Wahre Geschichten für Bullerbü-Fans!
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2006Der König als Taufpate
Bart Moeyaerts beeindruckende Kindheitserinnerungen
Würde man alle Kinderbücher dieses Herbstes nebeneinander legen, ein Umschlag fiele dem Betrachter sofort ins Auge. „Brüder” steht da in großen, roten Buchstaben und darunter sind sechs Knaben wie Orgelpfeifen nebeneinander aufgereiht oder besser aufgestapelt, denn um sie erkennen zu können, muss man das Buch um 90 Grad drehen. Nur der Kleinste ist dem Betrachter zugewandt und schaut ihn mit seinem lustigen Gesicht samt Segelohren pfiffig und aufmunternd an. Und weil man sich sieben Namen ja doch nicht merken kann, hat der Autor den Brüdern gleich ihre Eigenschaften zugeordnet: der Älteste, der Stillste, der Echteste, der Fernste, der Liebste, der Schnellste, und natürlich „Ich”, der Kleinste, der uns die Geschichten erzählt.
Wolf Erlbruch hat hier einen Umschlag gestaltet, an dem man einfach nicht vorbei gehen kann, und das ist gut so, denn den liebevoll-komischen Geschichten, die Bart Moeyaert uns hier in der ihm eigenen ebenso knappen wie heiter – poetischen Sprache erzählt (Mirjam Pressler ist wie immer bei Bart Moeyaert die großartige Übersetzerin), wünscht man ganz viele kleine und große Leser.
Sieben Brüder! Die findet man heute ja eigentlich nur noch in Märchen und Mythen. So werden dem siebten Sohn eines siebten Sohnes magische Kräfte zugeschrieben. Nun, damit kann Bart Moeyaert, als Jüngster von sieben Brüdern in Brügge geboren, nicht dienen. Aber immerhin hat er den belgischen König zum Taufpaten und zu seinem siebten Geburtstag bekommt er ein Geschenk aus dem Palast: Ein Kästchen, in dem auf einem Kissen aus weißem Satin ein silberner Löffel und ein silberner Becher gebettet sind, mit den Initialen des Königs wohlgemerkt! „Wir sind stolz, dass er dein Pate ist, sagten meine Brüder und starrten mich ein bisschen verschwommen an, als wollten sie etwas verschweigen, etwas, was grün war und ein bisschen wie Eifersucht aussah.”Ja, manchmal sind sie eifersüchtig auf den Kleinsten und piesacken ihn und schließen ihn aus, zum Beispiel bei ihren nächtlichen Abenteuern „Eines Nachts kroch mein einer Bruder kalt in mein Bett. Die Kälte hing in seinem Pyjama und sein Atem kam auch von draußen. Wo bist du gewesen? sagte ich, als er endlich still lag. Nirgends, sagte er. Dann ist es dort kalt, sagte ich und zitterte.”
Es sind Geschichten aus einer Kindheit auf dem Land, Geschichten von alltäglichen Abenteuern, von Sehnsüchten und Ängsten mit seltenen Höhepunkten, wie zum Beispiel die Fahrt mit dem Vater in die große, furchterregend laute Stadt mit dem berühmten Platz und all den hektischen Menschen.„Aber wir konnten nichts vom Platz sehen, weil so viele lange Mäntel um uns herum standen. Die Mäntel versuchten uns auseinander zu treiben. Hätte es an uns gelegen, wären wir in diesem Moment zum Auto zurückgegangen und über die Autobahn gerast, Richtung Klein, Still und Wenig.” Das einzig ihnen Vertraute ist eine kleine Maus. „Wer sie als Erster sah, weiß ich nicht mehr, aber es ist eine Tatsache, dass wir alle sieben gleichzeitig zwischen die langen Mäntel sprangen und kreischend das Tier verfolgten. Die Menschen stoben auseinander, und meine Brüder und ich jubelten und lachten, so wie wir zu Hause jubelten und lachten, wenn wir eine Maus verfolgten. So groß ist der Platz nun auch wieder nicht, sagten wir”.
Es mag sein, dass in Zeiten der 1,3 -Kinder-Familien Bart Moeyaerts Geschichten aus seiner Kindheit den Leser wehmütig stimmen. Erzählen sie doch davon, wie aufregend die alltäglichen, kleinen Abenteuer sein können, wenn man sie mit Brüdern teilt. In Ermangelung derselben genügt dem heutigen Kind aber vielleicht auch ein liebevoller Erwachsener, der sich über diese wunderbare Prosa freut und sie mit Begeisterung vorliest (ab 8 und zum Vorlesen).
HILDE ELISABETH MENZEL
Bart Moeyaert
Brüder – Der Älteste,
der Stillste, der Echteste,
der Fernste, der Liebste,
der Schnellste und ich
Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler. Hanser Verlag, München 2006. 168 Seiten, 14.90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Bart Moeyaerts beeindruckende Kindheitserinnerungen
Würde man alle Kinderbücher dieses Herbstes nebeneinander legen, ein Umschlag fiele dem Betrachter sofort ins Auge. „Brüder” steht da in großen, roten Buchstaben und darunter sind sechs Knaben wie Orgelpfeifen nebeneinander aufgereiht oder besser aufgestapelt, denn um sie erkennen zu können, muss man das Buch um 90 Grad drehen. Nur der Kleinste ist dem Betrachter zugewandt und schaut ihn mit seinem lustigen Gesicht samt Segelohren pfiffig und aufmunternd an. Und weil man sich sieben Namen ja doch nicht merken kann, hat der Autor den Brüdern gleich ihre Eigenschaften zugeordnet: der Älteste, der Stillste, der Echteste, der Fernste, der Liebste, der Schnellste, und natürlich „Ich”, der Kleinste, der uns die Geschichten erzählt.
Wolf Erlbruch hat hier einen Umschlag gestaltet, an dem man einfach nicht vorbei gehen kann, und das ist gut so, denn den liebevoll-komischen Geschichten, die Bart Moeyaert uns hier in der ihm eigenen ebenso knappen wie heiter – poetischen Sprache erzählt (Mirjam Pressler ist wie immer bei Bart Moeyaert die großartige Übersetzerin), wünscht man ganz viele kleine und große Leser.
Sieben Brüder! Die findet man heute ja eigentlich nur noch in Märchen und Mythen. So werden dem siebten Sohn eines siebten Sohnes magische Kräfte zugeschrieben. Nun, damit kann Bart Moeyaert, als Jüngster von sieben Brüdern in Brügge geboren, nicht dienen. Aber immerhin hat er den belgischen König zum Taufpaten und zu seinem siebten Geburtstag bekommt er ein Geschenk aus dem Palast: Ein Kästchen, in dem auf einem Kissen aus weißem Satin ein silberner Löffel und ein silberner Becher gebettet sind, mit den Initialen des Königs wohlgemerkt! „Wir sind stolz, dass er dein Pate ist, sagten meine Brüder und starrten mich ein bisschen verschwommen an, als wollten sie etwas verschweigen, etwas, was grün war und ein bisschen wie Eifersucht aussah.”Ja, manchmal sind sie eifersüchtig auf den Kleinsten und piesacken ihn und schließen ihn aus, zum Beispiel bei ihren nächtlichen Abenteuern „Eines Nachts kroch mein einer Bruder kalt in mein Bett. Die Kälte hing in seinem Pyjama und sein Atem kam auch von draußen. Wo bist du gewesen? sagte ich, als er endlich still lag. Nirgends, sagte er. Dann ist es dort kalt, sagte ich und zitterte.”
Es sind Geschichten aus einer Kindheit auf dem Land, Geschichten von alltäglichen Abenteuern, von Sehnsüchten und Ängsten mit seltenen Höhepunkten, wie zum Beispiel die Fahrt mit dem Vater in die große, furchterregend laute Stadt mit dem berühmten Platz und all den hektischen Menschen.„Aber wir konnten nichts vom Platz sehen, weil so viele lange Mäntel um uns herum standen. Die Mäntel versuchten uns auseinander zu treiben. Hätte es an uns gelegen, wären wir in diesem Moment zum Auto zurückgegangen und über die Autobahn gerast, Richtung Klein, Still und Wenig.” Das einzig ihnen Vertraute ist eine kleine Maus. „Wer sie als Erster sah, weiß ich nicht mehr, aber es ist eine Tatsache, dass wir alle sieben gleichzeitig zwischen die langen Mäntel sprangen und kreischend das Tier verfolgten. Die Menschen stoben auseinander, und meine Brüder und ich jubelten und lachten, so wie wir zu Hause jubelten und lachten, wenn wir eine Maus verfolgten. So groß ist der Platz nun auch wieder nicht, sagten wir”.
Es mag sein, dass in Zeiten der 1,3 -Kinder-Familien Bart Moeyaerts Geschichten aus seiner Kindheit den Leser wehmütig stimmen. Erzählen sie doch davon, wie aufregend die alltäglichen, kleinen Abenteuer sein können, wenn man sie mit Brüdern teilt. In Ermangelung derselben genügt dem heutigen Kind aber vielleicht auch ein liebevoller Erwachsener, der sich über diese wunderbare Prosa freut und sie mit Begeisterung vorliest (ab 8 und zum Vorlesen).
HILDE ELISABETH MENZEL
Bart Moeyaert
Brüder – Der Älteste,
der Stillste, der Echteste,
der Fernste, der Liebste,
der Schnellste und ich
Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler. Hanser Verlag, München 2006. 168 Seiten, 14.90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006Der Moment zwischen zweimal zehn Jahren
Unter Brüdern: Bart Moeyaert erzählt von Aha-Erlebnissen, Geräuschen und Nicht-Erfindungen
Wenn man als Kind ein Beet zugeteilt bekommt im Garten, wieviel Besitz hat man dann? Eigentlich nur dieses kleine flache Viereck zwischen Himmel und Erde, meinen die großen Brüder, und sie sind wirklich gut darin, aus diesem eigenen flachen Stückchen Boden recht viel Kapital zu schlagen. Die Blumen, die darauf wachsen, werden gepflückt und verkauft, von dem Geld wird Petersiliensamen eingekauft, es wird gesät und gegossen, daß die Erde brodelt. Die praktisch veranlagten Brüder wenden sich danach bald anderen Dingen zu, "bei denen man schnell ein Ergebnis sah", wie Fußballspielen, Angeln oder einen Frosch aufblasen. Der Jüngste bleibt beim neuen Grundstück. Er muß das Gefühl des Besitzens in sich aufnehmen, sich die Dimension klarmachen: "Alles unter uns gehörte uns, bis zum Feuer unter der Erde. Alles über unseren Köpfen gehörte uns, unendlich und noch ein paar Kilometer."
Der Jüngste, das ist der flämische Autor Bart Moeyaert, der sich in seinem neuen Buch an seine Kindheit erinnert: als er mit sechs Brüdern unter einem Dach lebte. Mehr als vierzig kleine Miniaturen erzählen von dieser geradezu märchenhaft anmutenden Konstellation - tatsächlich kommt einmal sogar der König persönlich zum Geburtstag vorbei und läßt einen silbernen Löffel zurück. Mit dem Jüngsten hat es im Märchen immer etwas Besonderes auf sich; meist ist er der Dummling, immer hat er Glück. Der Jüngste in dieser speziellen Brüderschar ist auf jeden Fall dafür begabt, glücklich zu sein. Ein Dummling ist er nicht, er denkt aber anders als die Großen, Schnellen.
Auf den Gedanken an den unendlichen Raum über und unter dem eigenen Beet kommt von allen sieben Brüdern nur er. Einmal denkt er so ähnlich auch über die Zeit. Nur ganz selten, sagt sein Vater, würde eine solche Muschel gefunden, wie der Jüngste sie am Strand aufgelesen hat. Aber was ist das genau: selten? Ungefähr einmal in zehn Jahren, vermutet der Vater. Und plötzlich fühlt der Jüngste sich auf der Wasserscheide der Zeit: Mit der schlagartig bedeutsam gewordenen Muschel in der Hand spürt er die zehn Jahre hinter sich, die ohne Muschelfund vergingen, und er erlebt genau den Augenblick, mit dem die nächsten zehn Jahre beginnen, wiederum ohne Muschelfund. Er steht im Jetzt, einem seltenen Moment zwischen zweimal zehn Jahren.
Es sind solche wahren Aha-Erlebnisse, die Bart Moeyaerts "Brüder" ebenfalls zu einer Seltenheit machen, einem Buch, wie man es vermutlich ungefähr einmal in zehn Jahren in Händen hält. Diese Erlebnisse kommen zwar nicht in jeder der gut vierzig Miniaturen vor, aber doch in so vielen von ihnen, daß jeder Leser sich für eine andere Lieblingsgeschichte entscheiden wird. Etwa die, in der die sieben etwas erfinden wollen, das so wichtig ist wie das Rad, der Wasserhahn oder die Glühbirne, und nach wenigen Minuten merken, wie anstrengend das ist. Kurzerhand beschließen sie, lieber erst nächste Woche bedeutend zu werden. Oder die Geschichte vom Langsamessen: Als die Jungen wieder einmal das Mittagessen hastig in sich hineingeschlungen haben, bringt ihnen die Mutter bei, was Genießen bedeutet. "Wir lehnten uns beim Schlucken nach hinten vor Entzücken, denn so etwas hatten wir noch nie erlebt."
So verhält es sich übrigens auch mit diesem Buch: Es will langsam gelesen, am besten in größerer Runde vorgelesen sein. Kinder, die an lineare Erzählungen, Spannungsbögen, Helden mit Vornamen und dergleichen gewöhnt sind, legen es sonst vielleicht wieder beiseite - all dies wird hier nicht geboten. Statt dessen Erinnerungen, die geschrieben sind, als wären sie nur mit dem Körper gespeichert worden: hautnah, voller Gerüche und Geräusche und oft in der Nähe des Schlafes angesiedelt. Denn daß man Geschwister hat und wie es sich anfühlt, wenn es viele sind, das merkt man besonders abends im Bett, wenn man unter sich ist. Bart Moeyaert hat Kindheit in Literatur übersetzt - und zwar für alle.
MONIKA OSBERGHAUS
Bart Moeyaert: "Brüder". Aus dem Niederländischen übersetzt von Mirjam Pressler. Hanser Verlag, München 2006. 168 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unter Brüdern: Bart Moeyaert erzählt von Aha-Erlebnissen, Geräuschen und Nicht-Erfindungen
Wenn man als Kind ein Beet zugeteilt bekommt im Garten, wieviel Besitz hat man dann? Eigentlich nur dieses kleine flache Viereck zwischen Himmel und Erde, meinen die großen Brüder, und sie sind wirklich gut darin, aus diesem eigenen flachen Stückchen Boden recht viel Kapital zu schlagen. Die Blumen, die darauf wachsen, werden gepflückt und verkauft, von dem Geld wird Petersiliensamen eingekauft, es wird gesät und gegossen, daß die Erde brodelt. Die praktisch veranlagten Brüder wenden sich danach bald anderen Dingen zu, "bei denen man schnell ein Ergebnis sah", wie Fußballspielen, Angeln oder einen Frosch aufblasen. Der Jüngste bleibt beim neuen Grundstück. Er muß das Gefühl des Besitzens in sich aufnehmen, sich die Dimension klarmachen: "Alles unter uns gehörte uns, bis zum Feuer unter der Erde. Alles über unseren Köpfen gehörte uns, unendlich und noch ein paar Kilometer."
Der Jüngste, das ist der flämische Autor Bart Moeyaert, der sich in seinem neuen Buch an seine Kindheit erinnert: als er mit sechs Brüdern unter einem Dach lebte. Mehr als vierzig kleine Miniaturen erzählen von dieser geradezu märchenhaft anmutenden Konstellation - tatsächlich kommt einmal sogar der König persönlich zum Geburtstag vorbei und läßt einen silbernen Löffel zurück. Mit dem Jüngsten hat es im Märchen immer etwas Besonderes auf sich; meist ist er der Dummling, immer hat er Glück. Der Jüngste in dieser speziellen Brüderschar ist auf jeden Fall dafür begabt, glücklich zu sein. Ein Dummling ist er nicht, er denkt aber anders als die Großen, Schnellen.
Auf den Gedanken an den unendlichen Raum über und unter dem eigenen Beet kommt von allen sieben Brüdern nur er. Einmal denkt er so ähnlich auch über die Zeit. Nur ganz selten, sagt sein Vater, würde eine solche Muschel gefunden, wie der Jüngste sie am Strand aufgelesen hat. Aber was ist das genau: selten? Ungefähr einmal in zehn Jahren, vermutet der Vater. Und plötzlich fühlt der Jüngste sich auf der Wasserscheide der Zeit: Mit der schlagartig bedeutsam gewordenen Muschel in der Hand spürt er die zehn Jahre hinter sich, die ohne Muschelfund vergingen, und er erlebt genau den Augenblick, mit dem die nächsten zehn Jahre beginnen, wiederum ohne Muschelfund. Er steht im Jetzt, einem seltenen Moment zwischen zweimal zehn Jahren.
Es sind solche wahren Aha-Erlebnisse, die Bart Moeyaerts "Brüder" ebenfalls zu einer Seltenheit machen, einem Buch, wie man es vermutlich ungefähr einmal in zehn Jahren in Händen hält. Diese Erlebnisse kommen zwar nicht in jeder der gut vierzig Miniaturen vor, aber doch in so vielen von ihnen, daß jeder Leser sich für eine andere Lieblingsgeschichte entscheiden wird. Etwa die, in der die sieben etwas erfinden wollen, das so wichtig ist wie das Rad, der Wasserhahn oder die Glühbirne, und nach wenigen Minuten merken, wie anstrengend das ist. Kurzerhand beschließen sie, lieber erst nächste Woche bedeutend zu werden. Oder die Geschichte vom Langsamessen: Als die Jungen wieder einmal das Mittagessen hastig in sich hineingeschlungen haben, bringt ihnen die Mutter bei, was Genießen bedeutet. "Wir lehnten uns beim Schlucken nach hinten vor Entzücken, denn so etwas hatten wir noch nie erlebt."
So verhält es sich übrigens auch mit diesem Buch: Es will langsam gelesen, am besten in größerer Runde vorgelesen sein. Kinder, die an lineare Erzählungen, Spannungsbögen, Helden mit Vornamen und dergleichen gewöhnt sind, legen es sonst vielleicht wieder beiseite - all dies wird hier nicht geboten. Statt dessen Erinnerungen, die geschrieben sind, als wären sie nur mit dem Körper gespeichert worden: hautnah, voller Gerüche und Geräusche und oft in der Nähe des Schlafes angesiedelt. Denn daß man Geschwister hat und wie es sich anfühlt, wenn es viele sind, das merkt man besonders abends im Bett, wenn man unter sich ist. Bart Moeyaert hat Kindheit in Literatur übersetzt - und zwar für alle.
MONIKA OSBERGHAUS
Bart Moeyaert: "Brüder". Aus dem Niederländischen übersetzt von Mirjam Pressler. Hanser Verlag, München 2006. 168 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Die "wahren" Geschichten aus der Kindheit des inzwischen 42-jährigen Bart Moeyaert drehen sich um sieben Brüder, von welchen der Autor der Jüngste ist, wie Konrad Heidkamp informiert. Die meist nur wenige Seiten langen Miniaturen erzählen von scheinbar unspektakulären Momenten, in denen sich doch zugleich das Abenteuerlichste ereignet, wie die Transformation eines Heizungskessels in ein wildes Tier oder die Schrumpfung eines Hauses durch die große Frau Stevens. Keine große Action also, sondern genaue und poetische Augenblicke, beherrscht von der Kunst des Weglassens und vom Autor so zeitlos erzählt, dass Heidkamp den "Brüdern" die Lizenz für alle Altersgruppen erteilt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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