Verzweifelt über den frühen Tod seiner abgöttisch geliebten jungen Frau zieht sich Hugues Viane aus dem turbulenten Paris in das - wie er sagt - abgestorbene, graue Brügge zurück. Ein Ort, der sich vom Meer wie von einer Geliebten zurückgezogen hat. In den Grachten und tristen Häuserzeilen dieser Stadt glaubt er die Entsprechung seiner eigenen Seelenlandschaft zu finden. Sein eintöniges Leben spiegelt sich wider in den immergleichen abendlichen Spaziergängen an den Ufern der Wasserstraßen, durch das Gewirr mittelalterlicher Gassen. Ausweglos wie sein Dasein scheint das ewige Grau der Stadt zu sein. Die Beschreibungen von Kirchen, Türmen, Backsteinfassaden, vom Beginenhof während dieser düster-melancholischen Odysseen sind betörend poetisch, setzen Brügge ein ewiges Monument. Doch urplötzlich tritt mit magischer Anziehungskraft die Schauspielerin Jane Scott in sein Leben, in der er die Wiedergängerin der Verstorbenen sieht. Ohne ihr je sein Geheimnis zu offenbaren, umwirbt er die unbeschwerte junge Frau aus der Welt des Theaters, bietet ihr das standesgemäße Leben einer Mätresse gutbetuchter Bürger. Doch das Drama nimmt seinen Lauf, Liebe schlägt um in Haß. 1892 geschrieben stellt dieser kleine Roman einen Höhepunkt des Fin de siècle, der Décadenceliteratur dar. Orientiert an der unübertroffenen Prosagedichtwelt eines Baudelaire, entwirft Rodenbach ein tiefsinniges Bild der Stadt Brügge, das bis heute wirkt, beschreibt der Autor das Urbane als eine dem Menschen fast gleichwertige Wesenheit. Georges Rodenbach, 1855-1898, ist einer der bedeutendsten belgischen Dichter seiner Zeit, feierte mit dem Roman Bruges-la-Morte seinen größten Publikumserfolg..
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ein "kleines Juwel" ist die Neuübersetzung von Georges Rodenbachs kleinem Roman, schwärmt Thomas Laux. Rodenbach, einer der Hauptvertreter der belgischen Nationalliteratur gegen Ende des 19. Jahrhunderts, habe mit "Bruges-la-Morte" einen bedeutenden Beitrag zum literarischen fin-de-siecle geschaffen. Als Erster binde Rodenbach eine Stadt so eng in die Handlung ein, zeitweise rücke Brügge, dessen düstere Ausstrahlung mit den Seelenzuständen des Protagonisten korrespondiert, sogar in den Mittelpunkt des dramatischen Geschehens. Dies ist "sehr dicht" erzählt, so Laux, der Autor zeige sich in der zunehmenden Dynamik und Dramatik der Geschichte zudem als "Meister der Ökonomie". Das melodramatische Ende passt sehr gut in die "düster morbide Zeichnung" des Protagonisten, dessen Sehnsucht nach einer verstorbenen Liebe schließlich "sehr stringent" in einem tödlichen Furor kulminiert, schreibt der faszinierte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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