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Die umfassende neue Darstellung des politischen Lebens Brünings bis zum Kanzlersturz: die "Weimarer Biographie" des Zentrumspolitikers aus Münster ist zugleich ein beeindruckendes Portrait der Krisenjahre der zweiten Republik.
Im Mittelpunkt steht die umstrittene Zeit als Kanzler 1930 - 1932, in der Brüning vergeblich versuchte, die Weltwirtschaftskrise mit ihren Millionen von Arbeitslosen zu bewältigen, das Ende der Reparationen zu erreichen und die Republik vor dem Ansturm ihrer inneren Feinde zu bewahren.Brüning scheiterte, wie er selbst stets darstellte, "hundert Meter vor dem Ziel". Er…mehr

Produktbeschreibung
Die umfassende neue Darstellung des politischen Lebens Brünings bis zum Kanzlersturz: die "Weimarer Biographie" des Zentrumspolitikers aus Münster ist zugleich ein beeindruckendes Portrait der Krisenjahre der zweiten Republik.

Im Mittelpunkt steht die umstrittene Zeit als Kanzler 1930 - 1932, in der Brüning vergeblich versuchte, die Weltwirtschaftskrise mit ihren Millionen von Arbeitslosen zu bewältigen, das Ende der Reparationen zu erreichen und die Republik vor dem Ansturm ihrer inneren Feinde zu bewahren.Brüning scheiterte, wie er selbst stets darstellte, "hundert Meter vor dem Ziel". Er erntete damit vielfachen Widerspruch. Ein angemessenes Urteil über seine Politik ist aber nur denkbar, wenn man seine Ziele und seine Leistungen, seine Illusionen und seine Irrtümer, aber auch die Grenzen, die ihm durch äußere Faktoren und durch das Handeln bestimmter Personen gesetzt wurden, sorgfältig abwägend analysiert. Dies tut Herbert Hömig. Seine Darstellung einer der Symbolgestalten der Weimarer Republik, ihres Lebens und ihrer Zeit darf beeindruckend genannt werden.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2001

Aussöhnung von Katholizismus und Preußentum
Eine erschöpfende und detailreiche Darstellung des Hindenburg-Vertrauten und "Hungerkanzlers" Brüning: Weniger wäre mehr gewesen

Herbert Hömig: Brüning. Kanzler in der Krise der Republik. Eine Weimarer Biographie. F. Schöningh Verlag, Paderborn 2000. 876 Seiten, 98,- Mark.

Heinrich Brüning ist unter den zwölf Reichskanzlern der Weimarer Zeit bis heute der am meisten umstrittene. Mit dem Namen des "Hungerkanzlers" der Jahre 1930 bis 1932 assoziierten die Zeitgenossen Massenarbeitslosigkeit, einen eisernen Sparkurs in der desolaten Wirtschafts- und Finanzsituation während der Weltwirtschaftskrise sowie den Vormarsch der NSDAP, die am Ende von Brünings Kanzlerzeit vor den Toren zur Macht stand.

Zum Kanzler ernannte Reichspräsident von Hindenburg den erst 44 Jahre alten Zentrumspolitiker am 30. März 1930 mit dem ausdrücklichen Auftrag, ohne Rücksicht auf die Mehrheitsverhältnisse im Reichstag ein ganz auf das Vertrauen des Reichspräsidenten gestütztes, stärker rechtsgerichtetes Kabinett unter Ausschaltung der Sozialdemokraten zu bilden. Gemäß diesem Auftrag verfuhr Brüning. Schon nach vier Monaten ließ er den Reichstag auflösen. Es kam zur "Katastrophenwahl" vom September 1930, in der die Nationalsozialisten ihren ersten großen Wahlerfolg auf Reichsebene erzielten und dadurch zu einem gewichtigen politischen Faktor wurden.

Von nun an bildete die Existenzgrundlage des Kabinetts Brüning nicht nur das Vertrauen des Reichspräsidenten, sondern auch die Bereitschaft der Sozialdemokratie, dieses Kabinett zu "tolerieren", konkret: im Reichstag die Aufhebung der von der Regierung erlassenen Notverordnungen sowie die Mißtrauensanträge von Kommunisten, Deutschnationalen und Nationalsozialisten abzulehnen. Aber sukzessive verlor Brüning von Ende 1931 an das Vertrauen des Reichspräsidenten, weil er nicht strikt genug den von Hindenburg und seiner Umgebung gewünschten Rechtskurs steuerte. Eher ungnädig entließ der Reichspräsident seinen Kanzler Brüning am 30. Mai 1932. Acht Monate später wurde Hitler Reichskanzler.

Die nach 1945 vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung geführte Diskussion um Brünings Kanzlerschaft (letzter Versuch zur "Rettung der Demokratie" oder Ausgangspunkt und Ermöglichung der Diktatur Hitlers?) erhielt einen gewaltigen neuen Schub, als 1970 - nur wenige Monate nach dem Tod des einstigen Reichskanzlers - dessen "Memoiren" veröffentlicht wurden. In ihnen gibt sich Brüning wesentlich antiparlamentarischer, monarchistischer und nationalistischer, als er in den zeitgenössischen Quellen erscheint, ja, er enthüllte als den (angeblichen) "Angelpunkt" seiner ganzen Politik: die Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland.

Brüning selbst also schien posthum jenen Kritikern recht zu geben, die seinen politischen Kurs als Weg in die Diktatur angeprangert hatten. Allerdings ergab die quellenkritische Untersuchung vieler Aussagen Brünings, daß sich im Erinnerungsbericht innere Widersprüche und Unrichtigkeiten häufen. Daraus erwächst ein schwieriges historiographisches Problem: Einerseits ist gegenüber vielen Mitteilungen Brünings Skepsis angebracht, andererseits sind zentrale Angelegenheiten seiner Kanzlerschaft allein in den "Memoiren" erwähnt, die deshalb eine entscheidende Quelle für Motive und Ziele seines politischen Agierens bleiben.

Auf diese Problematik dürfte es zurückzuführen sein, daß es zu Brüning zwar zahlreiche gehaltvolle Studien gibt, aber eine "große" Brüning-Biographie auf sich warten ließ. Nun liegt mit Herbert Hömigs voluminösem Werk eine Biographie vor, die sich - wie der Untertitel verdeutlicht - ganz auf die beiden Kanzlerjahre konzentriert. Ihnen gelten über zwei Drittel der 575 Textseiten. Im ersten Drittel des Buches schildert Hömig Brünings Lebensweg bis zur Berufung ins Kanzleramt. Mit Brünings Entlassung bricht die Darstellung abrupt ab.

Daß dies eine ganz ungewöhnliche Politikerkarriere war, ist evident. Heinrich Brüning, aufgewachsen in Münster in einem Elternhaus mit katholisch-konservativer Grundhaltung, schloß sein zehnjähriges Studium der Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie erst im Alter von dreißig Jahren ab und zog dann in den Krieg. 1919 trat er ins politische Leben ein, wurde Mitglied der Zentrumspartei - und schon nach zehn Jahren war er Vorsitzender der Reichstagsfraktion und wenige Monate später Reichskanzler! Ein so rascher steiler Aufstieg ist ziemlich einmalig in den Annalen der deutschen Politik.

Hömig rekonstruiert sorgfältig, auch unter Heranziehung einiger neuer Quellen, Brünings Jugendjahre und Studienzeit, dann die außerordentlich prägende Kriegserfahrung. Der Krieg war es, der den jungen Brüning aus der bisherigen Ziellosigkeit befreite; erstmals mußte er sich im praktischen Leben bewähren, und diese Bewährungsprobe hat der Leutnant einer MG-Scharfschützenabteilung bestanden. Insgesamt erfährt der schon von Rudolf Morsey erarbeitete Befund Bestätigung und Ergänzung, daß die wesentlichen Grundlagen einer konservativen, preußisch-gouvernementalen Einstellung Brünings schon vor 1914 vorhanden waren. Ihm ging es um eine Aussöhnung von Katholizismus und Preußentum, um eine Annäherung des katholischen Zentrums an den preußischen Konservativismus.

Insofern erscheint es durchaus folgerichtig, wenn Brüning schon bald nach seinem Eintritt in die Politik sich dem christlich-nationalen Gewerkschaftsführer Adam Stegerwald anschloß, der für die Gründung einer interkonfessionellen christlichen Partei warb. Durch seine Mitarbeit an Stegerwalds berühmter (aber folgenloser) "Essener Rede" von 1920 verdiente sich der politische Newcomer Brüning die ersten Sporen.

Prägnant schildert Hömig die weiteren Stationen des politischen Aufstiegs dieses asketischen Junggesellen, der ganz in seiner Arbeit aufging: 1921 wurde Brüning Geschäftsführer des christlich-nationalen "Deutschen Gewerkschaftsbundes", im Ruhrkampf 1923 agierte er als Verbindungsmann der christlichen Gewerkschaften zu Reichswehr und Reichsregierung, 1924 eroberte er ein Reichstagsmandat. Schon bald gehörte er zur Führungsspitze der Fraktion und wuchs in die Funktion des Haushalts- und Finanzexperten hinein, ohne allerdings zunächst in den politischen Vordergrund zu treten. Deshalb kannte ihn eine breitere Öffentlichkeit kaum, als er von Hindenburg 1930 zum Reichskanzler ernannt wurde.

Die 26 Monate von Brünings Kanzlerschaft behandelt Hömig in erschöpfender Weise. Mit beeindruckender Kenntnis der Forschungsliteratur und mit Benutzung auch von Dokumenten des erst seit kurzem zugänglichen Brüning-Nachlasses zeichnet er Schritt für Schritt minutiös die Tätigkeit Brünings und seines Kabinetts nach, die ihr Gepräge erhielt durch die enge Verschränkung innen- und außenpolitischer Problemlagen: Wirtschafts- und Finanzkrise, Haushaltsausgleich, Reparationsfrage, Anwachsen des rechten und linken Radikalismus, um nur das Wichtigste zu nennen - und das alles bei fragiler Regierungsbasis, ohne feste parlamentarische Mehrheit im Reichstag und abhängig vom Vertrauen eines Reichspräsidenten, der zunehmend unter den Einfluß einer reaktionären Kamarilla geriet.

Alle von der Regierung getroffenen Maßnahmen, alle von Brüning entfalteten Aktivitäten werden ausführlich erörtert - darin liegt die Stärke der Darstellung. Allerdings hat der Leser Mühe, im Dickicht der Details den roten Faden im Auge zu behalten. Weniger wäre gelegentlich mehr gewesen. Das gilt auch für den Anmerkungsapparat. Da Hömig sich häufig auf Brünings "Memoiren" stützt, wäre es wünschenswert gewesen, wenn zu deren Verläßlichkeit mehr gesagt würde als einige vage Sätze.

Welches Bild von Leistung und Grenzen Brünings zeichnet Hömig? Er scheut prononcierte Urteile, verläßt sich lieber darauf, daß der Leser aus der dichten Sachdarlegung selbst erkennt, welche Sisyphusarbeit Brüning zu bewältigen hatte. In der kontrovers diskutierten Frage, ob Brünings Politik ganz auf Krisenmanagement ausgerichtet war oder ob seinem Wirken tatsächlich (wie er in den "Memoiren" für sich in Anspruch nahm) ein "großer Plan" zugrunde lag, bezieht Hömig nicht explizit Stellung. Doch implizit ergibt sich aus der Akzentuierung des Von-Tag-zu-Tag-Geschehens, daß er nicht an das Vorhandensein eines trotz aller Kalamitäten zielstrebig verfolgten restaurativen Programms zur Wiedereinführung der Monarchie glaubt.

Besonders eindringlich präsentiert Hömig die letzten Monate von Brünings Kanzlerschaft, die zu einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit wurden, denn ihm drohte der Sturz durch Intrigen beim Reichspräsidenten, bevor er die entscheidenden äußeren Erfolge, insbesondere die völlige Streichung der Reparationen, erzielt haben würde. Daß Hindenburg ihn Ende Mai 1932 entließ, ehe dieses Ziel erreicht war, und daß durch sein politisches Scheitern ausgerechnet an dem von ihm so sehr verehrten Reichspräsidenten der Weg für Hitler frei wurde, bedeutete für Brüning ein Trauma, über das er in den folgenden Jahrzehnten nicht hinwegkam - bis zu seinem Tod am 30. März 1970, übrigens auf den Tag genau vierzig Jahre nach Übernahme des Kanzleramtes.

Man darf Hömigs Buch ein respektables Werk nennen, das ein detailliertes, im wesentlichen wohlwollendes Bild von Brünings Kanzlerjahren bietet. Ob es eine definitive Darstellung von Brünings Wirken als Reichskanzler ist, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall wird eine zukünftige Brüning-Biographie auch die zweite Lebenshälfte dieses "autoritären Konservativen" (Moritz Julius Bonn) einbeziehen müssen.

EBERHARD KOLB

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Sebastian Ullrich beantwortet seine rhetorische Frage, ob wirklich zwei Bände für eine Biografie Heinrich Brünings nötig seien, schon einen Absatz weiter mit einem klaren Nein. Weniger wäre auch hier mehr gewesen. Und die Zäsur zwischen erstem und zweitem Band wäre aus Sicht des Rezensenten plausibler mit Brünings Flucht 1934 gesetzt worden als mit dem Ende seiner Kanzlerschaft 1932. Andererseits lobt der Rezensent den Detailreichtum der Studie und auch die "umsichtigen" Kommentierungen des Autors. Wenn Herbert Hömig dann allerdings die Konzepte Brünings und Adenauers für die fünfziger Jahre nebeneinander stellt, als seien sie gleichermaßen berechtigt, ist der Rezensent damit gar nicht einverstanden und hätte sich eine klare Stellungnahme zugunsten von Adenauers Westorientierung gewünscht. Auch bei der Schlussbewertung von Brünings politischen Positionen fehlen ihm "pointierte" Urteile.

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