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In einer kleinen Großstadt mit deutscher Fußgängerzone ist Bruno aktiv: ein junger oder junggebliebener, womöglich auch altersloser Zeitgenosse, der das Leben als großes, prickelndes, geheimnisvolles Abenteuer betrachtet und seinem Dasein Erlebnisse abtrotzt, von denen unsereiner nicht länger bloß träumen, sondern jetzt auch lesen kann. Bruno betätigt sich mit wechselhaftem Glück als Schatzsucher, Tiefenpsychologe, Zauberkünstler, Handlinienleser, Zocker und Detektiv. Er experimentiert im Selbstversuch mit Pilzen und Getränkemixturen, und er treibt seine Vermieterin, die hochbetagte Frau…mehr

Produktbeschreibung
In einer kleinen Großstadt mit deutscher Fußgängerzone ist Bruno aktiv: ein junger oder junggebliebener, womöglich auch altersloser Zeitgenosse, der das Leben als großes, prickelndes, geheimnisvolles Abenteuer betrachtet und seinem Dasein Erlebnisse abtrotzt, von denen unsereiner nicht länger bloß träumen, sondern jetzt auch lesen kann.
Bruno betätigt sich mit wechselhaftem Glück als Schatzsucher, Tiefenpsychologe, Zauberkünstler, Handlinienleser, Zocker und Detektiv. Er experimentiert im Selbstversuch mit Pilzen und Getränkemixturen, und er treibt seine Vermieterin, die hochbetagte Frau Morgenstern, eins ums andere Mal zur Weißglut. Doch am spannendsten geht es immer wieder bei Brunos Ausflügen in die Damenwelt zu, die ihn in tausend Nöte führen.
Gewährsmann und große Stütze beim ganzen unfreiwilligen Heldentum ist sein bester Freund, von dem wir alles über Bruno erfahren. Und über Brunos Abenteuer. Und über das Leben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.1998

Heimweh an der Hundeleine
Ein schöner Erlebnisaufsatz: Gerhard Henschel erzählt von Bruno

Bruno, das ist ein Lebenskünstler unbestimmten postpubertären Alters, der in einer Art Gartenlaube von zweifelhafter Sauberkeit zur Miete bei der alten Frau Morgenstern wohnt, nie Geld hat, aber stets neue Projekte wälzt, die mit Glücksspiel, Zaubertricks und Schatzjagd zu tun haben und ausnahmslos fehlschlagen. Vor allem aber verfügt er über die Fähigkeit, sich binnen fünf Minuten unsterblich zu verlieben und niemals entmutigen zu lassen. Aufgezeichnet werden seine Abenteuer von einem treuen Freund, der sie in der Ich-Form erzählt und hinter dem Protagonisten, mit gesundem Menschenverstand zwar, doch namenlos zurücktritt. Der Ort ist Oldenburg (vielmehr die "Huntemetropole"), woran auch zahlreiche Verben wie "pupen", "scheesen", "pulschen" oder "schnurpsen" keinen Zweifel lassen; von dort erstreckt sich der Ereignishorizont bis hin nach Bad Zwischenahn, in einem besonders ruhmlosen Fall sogar bis Hiddensee. Die Zeit? Auch daran kann, nach einem Blick auf den Umschlag, kein Zweifel bestehen.

Man soll ein Buch ja eigentlich nicht nach seinem Einband beurteilen. Aber hier trifft gleich der erste Blick auf Niederschmetterndes: "Bruno in tausend Nöten" - das unverkennbare Erscheinungsbild eines Kinder- oder Jugendbuchs, das man vor einem Vierteljahrhundert von einer Tante geschenkt bekam, komplett mit einem Umschlag aus Glanzpapier in einem häßlich grünstichigen Blau und einem gemalten Bild vornedrauf. Es zeigt den ulkigen Bruno, wie ihm, offenbar nach einer durchzechten Nacht, die Frauen, die Flaschen und kleine Sternchen um den zerzausten Schädel schwirren - ein zeichnerischer Stil, dessen gutgelaunte Witzlosigkeit sich in den Illustrationen im Inneren des Buchs fortsetzt. Man trifft ihn sonst etwa noch auf den Humorseiten der Fleischerzeitung oder des Würzburger Katholischen Sonntagsblatts an, wo er sein Gnadenbrot verzehrt; in Henschels Buch präsentiert er sich eine Spur fülliger, so daß, da der Zeichner keine Gesichter hinkriegt, das Faltenspiel altertümlicher Textilien ins Zentrum des Geschehens rückt.

Henschels Buch hat alles, was das gute Schneiderbuch braucht - mit Ausnahme einer Angabe der empfohlenen Altersgruppe. Die wäre allerdings dringend nötig gewesen, denn niemand außerhalb der Gruppe der jetzt Fünfunddreißig- bis Vierzigjährigen wird eine Silbe davon verstehen. Sein eigentlicher Gehalt ist die Tristesse einer Kindheit um 1970, mit anschließender Pubertät bis an die Schwelle der achtziger Jahre. Brunos tolle Frauen hießen Sieglinde, Dagmar, Ingrid und höchstens (das ist freilich schon ein Zugeständnis an das Zeitalter sozialdemokratischer Namensgebung) Tamara; der Dackel trägt selbstredend den Namen Purzel. Redensarten erklingen - "schwer von Kapee", "plemm", "da hast du dich geschnitten", "nach Adam Riese" - die man schon lange Jahre nicht mehr gehört hat, aber die einem aus den Zeilen dieses Buchs plötzlich mit der abscheulichen Vertraulichkeit eines verschollen geglaubten alten Bekannten auf den Pelz rücken. Henschels Buch ist geschrieben für eine Generation, die man daran erkennt, daß sie glänzende Augen kriegt und die Titelmelodie zu summen beginnt, wenn die Rede auf "Urmel aus dem Eis", "Daktari" oder "Bonanza" kommt.

Die 22 Episoden dieses Buches sind verfaßt aus dem Geist des Erlebnisaufsatzes, "Wie ich einmal gründlich hereinfiel" oder "Wer zuletzt lacht, lacht am besten". Da man damals aber leider nichts erlebte, war man gezwungen, sich ein heiteres Geschichtlein aus den Fingern zu saugen: Bruno schlafwandelt, stößt an die Tür, hat seither ein synästhetisches Gespür für Zahlen, also ziehen die beiden Freunde ins Spielcasino, wo Bruno die 31 riecht, hört, schmeckt, man setzt auf die 31, aber es fällt die 24, und die 31 am Nebentisch! Du kriegst die Tür nicht zu!

Das nimmt wie von selbst einen bestimmten pfiffig aufgekratzten Ton an, für den einem das Lob des Lehrers gewiß war. "Ich setzte mich, mangels soliderer Alternativen, auf eine leere Bierkiste", oder, für Fortgeschrittene: "Die Getränke hatten sich seines Geistes in solchem Maße bemächtigt, daß er der Dame Raison allen Ritterdienst aufsagte und ihre guten Ratschläge für nichts erachtete", dazwischen die empfohlenen spannungssteigernden Momente: "Ich sah es kommen." Ein Medikament ist eine "Arznei", ein Kanalrohr eine "Urinkathedrale" - hier hat man gewissermaßen das "na, na!" in roter Tinte am Rande mitzulesen, in dem sich pädagogischer Tadel der Keckheit mit Wohlgefallen über den Umfang des Schüler-Wortschatzes paart. Altbackene Stories im altklugen Gewand - jede von ihnen könnte man sich als Drehbuch für eine Folge von Fix und Foxi vorstellen, mit Lupo in der Rolle des Bruno.

Wie kann so etwas eigentlich passieren? Die Antwort erteilt die Fernsehwerbung. Dort häufen sich in letzter Zeit die Produkte, die, nachdem sie jahrzehntelang dank ihres schieren Beharrungsvermögens fortgedauert haben, sich nunmehr, da sie den vollen Zirkel einer Generation durchmessen haben, selbst heiligsprechen. Ihr relativ hohes Alter, bislang in der Warenwelt eher ein Handicap, schlägt um in die Institutionalisierung, wenn Mütter vor der Kamera erklären, schon ihre Mama habe ihnen Schauma-Shampoo und Hohes C gegeben. Alles, was es vor dreißig Jahren gegeben hat, kehrt wieder, weil die einstigen Kinder, erwachsen geworden inzwischen und tonangebend, rührselig zurückdenken.

Denkt man das Muster weiter, so läuft da immer etwas an langer Leine ein Stück voraus und wird dann, wie bei einer neumodischen Hundeleine, durch einen erbarmungslosen Aufwickelmechanismus zurückgeholt. Man mag über den Fortschritt denken wie man will: Aber daß er so grundsätzlich bloß durch ein seufzendes Heimweh nach der Jugend - einer Jugend, die nichts für sich geltend machen kann, als daß sie früher war als alles, was später nachkam - soll ausgehebelt werden können, das geht nicht an. Man sieht, in Schwarzweiß, ein Mädchen mit Zöpfen zum Milchladen hüpfen (gab es 1970 noch!) und dann als Belohnung ein Stück Kinderschokolade kassieren - Schnitt, Farbe, das Mädchen ist erwachsen und teilt nun selbst die Riegel aus. So auch funktioniert Henschels Buch. Es ist Kinderschokolade fürs Gemüt. BURKHARD MÜLLER

Gerhard Henschel: "Bruno in tausend Nöten". Abenteuer-Geschichten. Edition Nautilus, Hamburg 1998. 188 S., geb., 29,80 DM.

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