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Ein Schlüsseldokument zum Verständnis der osteuropäischen und jüdischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
»Wir leben in einer historischen Endzeit, die das Erbe des neunzehnten Jahrhunderts in sämtlichen Bereichen des sozialen wie des individuellen Lebens tilgt. Unsere Epoche an der Wende zweier Jahrhunderte ist zu Ende gegangen und vieles deutet darauf hin, dass das zwanzigste Jahrhundert keine Fortsetzung, sondern die Umkehrung des neunzehnten werden wird. ... So will ich meine Erinnerungen als 'Materialien zur Geschichte meiner Zeit' verstanden wissen, einer Geschichte der…mehr

Produktbeschreibung
Ein Schlüsseldokument zum Verständnis der osteuropäischen und jüdischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
»Wir leben in einer historischen Endzeit, die das Erbe des neunzehnten Jahrhunderts in sämtlichen Bereichen des sozialen wie des individuellen Lebens tilgt. Unsere Epoche an der Wende zweier Jahrhunderte ist zu Ende gegangen und vieles deutet darauf hin, dass das zwanzigste Jahrhundert keine Fortsetzung, sondern die Umkehrung des neunzehnten werden wird. ... So will ich meine Erinnerungen als 'Materialien zur Geschichte meiner Zeit' verstanden wissen, einer Geschichte der geistigen Kämpfe zu Beginn dieser Ära und der politischen an ihrem Ende.«Simon Dubnow 1934Simon Dubnows Buch des Lebens umfasst drei Teile, die in drei Bänden veröffentlicht werden. Band 2 gilt der wissenschaftlichen und politischen Arbeit Dubnows in den Jahren 1903 bis 1922 in Wilna und Petersburg und gibt einen Einblick in die Geschichte der politischen Bewegungen zwischen der Revolution von 1905 und dem Bürgerkrieg.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Simon Dubnow (1860-1941) ist einer der wichtigsten Historiker der jüdischen Geschichte. Seine zehnbändige »Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart« erschien in deutscher Sprache in den 1920er Jahren. Neben seiner Tätigkeit als Historiker war er Publizist, Politiker und politischer Philosoph.

Dr. Verena Dohrn ist Historikerin und Schriftstellerin und arbeitet als Privatdozentin mit Lehraufträgen für Osteuropäische Geschichte an den Universitäten Göttingen und Hannover.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2005

Ein einzigartiges Dokument
Simon Dubnow erhellt die Geschichte der Juden in Osteuropa

Simon Dubnow wurde am 10. September 1860 alten Stils (nach dem Julianischen Kalender) als Sohn eines Holzhändlers in der weißrussischen Kreisstadt Mstislawl, Gouvernement Mogiljow, im sogenannten jüdischen Ansiedlungsrayon geboren. Sein genaues Todesdatum steht nicht fest, sicher ist nur, daß er nach Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Riga Anfang 1941 im Rigaer Ghetto im Alter von 81 Jahren ermordet worden ist. Den ersten Band seiner auf russisch geschriebenen Autobiographie hat er im Vorwort am 8. Juni 1934 unterzeichnet. Die erste vollständige deutsche Übersetzung der Erinnerungen Dubnows werden unter dem Titel "Buch des Lebens" in drei Bänden erscheinen; der erste, nun vorliegende Band umfaßt die Jahre 1860 bis 1903, die beiden weiteren Bände, die im Frühjahr und Herbst dieses Jahres erscheinen sollen, umfassen die Jahre 1903 bis 1922 beziehungsweise 1922 bis 1933. Der Untertitel ist genau zu betrachten, denn Dubnows "Erinnerungen und Gedanken" werden vorgestellt als "Materialien zur Geschichte meiner Zeit". Nicht die Person des Historikers Dubnow steht im Vordergrund, sondern die Ereignisse, mit denen er zu leben, gegen die er zu kämpfen hatte.

Die ersten 43 Jahre im Leben des später so berühmten Historikers des jüdischen Volkes können als Flucht und gleichzeitige Suche bezeichnet werden. Schon mit 17 Jahren verläßt er seine Geburtsstadt und flüchtet vor dem Jiddischen, Hebräischen, Jüdischen, der Orthodoxie seines Großvaters und den miefigen Verhältnissen zu Hause. Was er sucht, ist das Kosmopolitische, das allgemein Menschliche. Beides kulminiert für ihn in dem Versuch, russisch zu sein, und sehr früh (1874) legen er und sein älterer Bruder Wolf das Gelübde ab, miteinander in Zukunft ausschließlich nur noch russisch zu sprechen, ohne ein einziges jiddisches Wort zu verwenden. "Mein Bruder und ich blieben diesem Gelübde ein Leben lang treu."

Vorbilder waren für den jungen Dubnow der Epikuräer und Atheist Acher im babylonischen Talmud, der Ketzer Uriel da Costa und der Religionskritiker Baruch de Spinoza in Amsterdam, besonders immer wieder Uriel da Costa, "nachdem ich Gutzkows Drama gelesen hatte". Die Zentralsätze aus Karl Gutzkows Tragödie "Uriel da Costa" (1847) lauten: "Wir wollen Freiheit von dem alten Joch! / Nur die Vernunft sei das Symbol des Glaubens! / Und wenn wir zweifeln, Wahrheit aufzufinden, / So ist es besser, neue Götter suchen, / Als mit den alten, statt zu beten, fluchen!"

Der neue Gott Dubnows war die jüdische Geschichte, er verstand sich als "Missionar der Geschichte". In der Beschreibung religiöser Phänomene war ihm Ernest Renans Methode, das "Leben Jesu" (1863) und das der Apostel darzustellen, Vorbild. Es ist spannend zu lesen, wie Dubnow bei der Behandlung der jüdischen Mystik (Sabbatai Zwi, Jakob Frank) versucht, die eigentlichen mystischen Elemente zu verdrängen, um den Antitalmudismus, die Auflehnung gegen die Tradition, der Mystiker herauszuarbeiten. Hierin ist er ein genuiner Vorläufer des großen Kabbala-Forschers Gershom Scholem.

Heinrich Graetz hatte 1846 seine "Skizze" über "Die Construktion der jüdischen Geschichte" veröffentlicht. Zwischen 1853 und 1876 erschien dann seine elfbändige "Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart". Dubnows Lebenswerk kann als eine Entgegnung auf Graetz' Geschichte der Juden als Leidensgeschichte angesehen werden. 1893 publizierte er, der Graetz' dreibändige "Volkstümliche Geschichte der Juden" ins Russische übersetzt hatte, auf russisch "Was ist jüdische Geschichte? Versuch einer philosophischen Charakteristik" (deutsch 1897: "Die jüdische Geschichte. Ein geschichtsphilosophischer Versuch"). Von 1901 an erschien dann seine zehnbändige "Weltgeschichte des jüdischen Volkes von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart" (auf deutsch in Berlin 1925 bis 1929).

Der erste Band von Dubnows Erinnerungen beschreibt den Einbruch der Moderne in das russische Judentum und die Versuche der jüdischen Intellektuellen, auf diese Moderne zu reagieren, ihr Schwanken zwischen jüdischem Nationalismus, Zionismus und Kosmopolitismus. Die beiden weiteren Bände werden von den welthistorischen Umbrüchen und den sozialen Umwälzungen in St. Petersburg (1906 bis 1922) und in Berlin (1922 bis 1933) aus dem Blickwinkel dieses scharfen Analytikers berichten. In Berlin konnte Dubnow noch sein kritisches Alterswerk vollenden: die zweibändige "Geschichte des Chassidismus" (1931).

Dubnows Erinnerungen, die auf nicht mehr erhaltenen Tagebüchern basieren, waren in Berlin 1937 schon einmal auf deutsch erschienen, aber nur in einer gekürzten Fassung in einem Band ("Mein Leben". Aus dem Russischen von Elias Hurwicz). Die vollständige Übersetzung dieses einzigartigen Dokuments zur Geschichte der Juden in Osteuropa und zur wissenschaftlichen Erforschung des Werks von Dubnow ist ein großer Gewinn für die Wissenschaft des Judentums und die europäische Geschichtswissenschaft.

FRIEDRICH NIEWÖHNER.

Simon Dubnow: "Buch des Lebens". Erinnerungen und Gedanken. Materialien zur Geschichte meiner Zeit. Band 1: 1860-1903. Hrsg. im Auftrag des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur von Verena Dohrn. Aus dem Russischen von Vera Bischitzky. Mit einem Vorwort von Dan Diner. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2004. 537 S., geb., 49,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Ein großes Werk der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts" stellt Simon Dubnows Autobiografie dar, urteilt Thomas Meyer. In drei Bänden wurde "Das Buch des Lebens" vom Leipziger Dubnow-Institut herausgegeben, in einer Übertragung, die des Verfassers "lebendig-plastischer Sprache" gerecht wird und bereichert ist um "ausführliche Einleitungen", an denen der Rezensent so recht keine Kritik üben mag; zwar seien die Interpretationen "nicht immer stimmig", auch fielen die "Abgrenzungen zur deutsch-jüdischen Kultur" überpointiert aus, und die Rezeptionsgeschichte hätte durchaus nuancenreicher aufbereitet werden können. Gleichwohl habe Verena Dohrns Mannschaft "herausragende Arbeit geleistet" und eine "mustergültige Edition" erstellt. Dubnow, der zu seiner Zeit als legitimer Nachfolger von Heinrich Graetz, dem Verfasser der 1876 vollendeten "Geschichte des jüdischen Volkes von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart", galt, stellt seinen geistigen Werdegang dar und verschränkt diese Entwicklungsgeschichte mit einer Darstellung der historischen Ereignisse und der Geschichte der jüdischen Kulturen in Russland und Deutschland. Eine "ambitionierte Geschichtsphilosophie", verquickt mit der "Innenansicht eines Intellektuellen", resümiert Meyer zufrieden.

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