Der Held des Buches lebt in der an der ungarischen Grenze gelegenen Kleinstadt Komárno, er misst 152 Zentimeter, heißt Samko und trinkt Kefir. Und er hat »eine Krankheit, bei der man nicht mehr wächst« und das kleinstädtische Leben mit den Augen eines 10-jährigen Kindes betrachtet.Als der alte Gusto Rúhe ihm wahrsagt, er wird ein »Buch über den Friedhof« schreiben, stürzt Samko sich in die Arbeit. Was dabei herauskommt, ist ein charmant-komischer Roman, in dem der Held Samko ähnlich seinem tschechischen Bruder Schwejk viele drastische Geschichten über seine Mitmenschen erzählt und wer möchte, kann dieses Buch bis zum Ende als unterhaltsame Kindermund-Lektüre lesen. Doch zu dem auf den ersten Blick so kauzig-komisch wirkenden kleinen Mann gehören seelische Abgründe ...Samko Tále ist das Pseudonym Daniela Kapitánovás, mit dem die Autorin gleichzeitig eine Maske und einen Vermittler erschaffen hat, der ausspricht, was sonst tabu ist weil es schockieren würde. Denn er, der mentalRetardierte, ist unantastbar, selbst während er hingebungsvoll observiert und denunziert. Der bis zur Grausamkeit Naive ist stets hörig, um nicht selbst »reingerissen« zu werden. Seine abgöttische Liebe zur Kommunistischen Partei bricht ebenso ungebremst aus ihm hervor wie der Hass auf alles Andersartige, wie auf die vielen Ungarn in Komárno, »die nicht nur unter sich Ungarisch reden« oder auf die »Zigeunerratte« Angelika Edesová. Was muss sie ihm auch immer seine Schachteln klauen! Und warum macht seine Schwester Ivana immer so viel Krach auf dem Klavier und zieht sich »auf den Schallplatten« solche Sachen an, dass man sich schämen muss?! Dank der Erzählkunst Daniela Kapitánovás ist in diesem Roman, dessen Handlung in der Nachwende-Slowakei endet, Witziges nie nur witzig und Abstoßendes nie nur abstoßend. Und was, wenn in jedem von uns etwas von Samko Tále steckt? Trinken Sie Kefir?
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Die slowakische Grenzstadt Komarno ist überall, meint Rezensent Ulrich M. Schmid nach der Lektüre. Auch der merkwürdige Held dieses Romans von Daniela Kapitanova, ein Altpapiersammler und Friedhofs- (also Gesellschafts-)kenner vor dem Herrn scheint ihm Allgemeingültigkeit zu besitzen. Mit dessen kindlicher Naivität und nachplappernden Sprachlogik hat Schmid sich angefreundet, mit der assoziativen Erzählweise auch. Ersichtlich wird durch diese satirische Annäherung an die Verhältnisse für den Rezensenten nicht nur das Verquere des slowakischen (jeglichen) Nationalismus', sondern auch, dass der Held eins seiner Opfer ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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