Wie klingt es, wenn niederdeutsche Volkserzähler im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Märchen aus Büchern auf plattdeutsch nacherzählen? Dieser Frage geht Annemarie Zorger anhand der Analyse von 44 wörtlichen Transkripten solcher Märchenerzählungen nach. Differenziert, behutsam und zuweilen humorvoll zeichnet sie nach, wie Buchmärchen (z.B. von Bechstein, Grimm oder E.M. Arndt) damals von Kuhknechten, Tagelöhnern und Dienstmädchen nacherzählt wurden. Anhand vieler Beispiele zeigt sie, dass diese Volkserzählungen einen eigenen Stil hatten: zielstrebig, handlungsorientiert, unsentimental und gelegentlich auch humorvoll-witzig. Die hier erstmals veröffentlichte Arbeit, die bereits 1941 als Dissertation bei Prof. Carl Wesle in Jena entstand, jedoch damals kriegsbedingt nicht gedruckt werden konnte, kommt damit zu einem ähnlichen Ergebnis, wie es einige Jahre später für das europäische Volksmärchen generell der bedeutende Märchenforscher Max Lüthi tun wird - ohne um die unpublizierte Vorgängerstudie wissen zu können.